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Urlaub

Juice on Wheels: 900 km von Nijmegen nach Paris und fast nach Hause

Lesezeit etwa 8 Minuten
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Für Klima von Nijmegen nach Paris geradelt: Peter Blesgraaf mit Juice on Wheels

[at] Peter Blesgraaf, Inhaber von Juice on Wheels, fuhr mit seinem Lastenrad aus Anlaß der Weltklimakonferenz von Nijmegen nach Paris. Nachdem er gut wieder zu Hause angekommen war, hatte ich Gelegenheit für ein Interview.

Alexander Theis: Peter, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein kurzes Interview nimmst. Wie geht es dir jetzt, nach der Tour?

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Peter Blesgraf von „Juice on Wheels“

Peter Blesgraaf: So langsam geht es mir wieder besser. Gerade der Heimweg war sehr anstrengend.

AT: Oh, warum gerade der Heimweg?

PB: In Paris fiel der Pedelec-Antrieb aus und wir konnten ihn nicht mehr reparieren. So musste ich den Heimweg ohne elektrische Unterstützung zurücklegen. Durchschnittlich habe ich am Tag 600 Höhenmeter überwunden. Auf dem Heimweg fiel die Durchschnittsgeschwindigkeit auf etwa 12 km/h und ich musste wirklich alles aus mir herausholen um das Trike ohne elektrische Unterstützung über die Hügel zu wuchten. Du darfst nicht vergessen, dass Juice-on-Wheels-Lastenrad wog inklusive Aufbau und Gepäck mehr als 200 kg! Und obwohl ich wirklich gut in Form war, musste ich gerade die letzten Tag an meine Leistungsgrenzen gehen.

AT: Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass so etwas sehr an die Substanz geht. Weißt du, warum der Pedelec-Antrieb ausgefallen ist? Und gab es noch weitere Ausfälle?

PB: Praktisch zeitgleich mit dem Pedelec-Antrieb fiel in Paris noch die Nuvinci-Nabe aus, wahrscheinlich wegen des recht steilen Anstiegs hinauf nach Sace Coeur. Tatsächlich versagten beide etwa 300m vor meinem Hotel, da hatte ich noch Glück. Denn ich hatte sowieso vor, in dem Hotel ein paar Tagen zu bleiben. Zum Glück hatte ich zu Hause eine Reserve-Nuvinci-Nabe. Die lies ich mir schicken und konnte so „Juice on Wheels“ wieder flott machen. Doch die Ursache für den Ausfall des Pedelec-Antriebs fand ich nicht. Möglicherweise ein Defekt an den Sensoren oder im Controller. Eigentlich hatte ich geplant mit dem Lastentrad etwas mehr in Paris unterwegs zu sein, so stand es dann leider die meiste Zeit in der Garage des Hotels.

AT: Da war man im Hotel sicher wenig begeistert, oder?

PB: Im Gegenteil, die Leute dort hatten sehr viel Verständnis und niemand hat sich beschwert. Auch unterwegs traf ich auf viele beigeisterte Menschen und erfuhr viel Unterstützung.

AT: Apropos Unterstützung: Hattest du bei den Defekten Unterstützung von Radkutsche, dem Hersteller deines Trikes?

PB: Ja, die Unterstützung von Radkutsche war perfekt. Und auch „Beer Fietsen“ (Den Haag, Holland) haben mich großartig unterstützt. Doch der Hersteller des Pedelec-Systems, „V-Fiets“ hat sich noch nicht für den Defekt an dem Pedelec-Antrieb interessiert. Sie entwickeln, erzählen und instruieren Bike-Shops, aber mein Experiment hat sie überhaupt nicht interessiert. Sie wussten um mein Problem in Paris und hätten mir sicherlich helfen können. Ich verstehe das nicht, wenn ich in das Experiment investierte, warum nicht gerade auch sie? Und soweit ich weiß hatte auch Radkutsche kein Interesse über meine Tour in deren Social-Media-Kanälen zu berichten. Das ist schade, denn es ist eine prima PR für ihr Trike, vor allem wenn es so positiv ist.

AT: Positiv ist das richtige Stichwort: Wie war denn das Fahrgefühl auf dem „Musketier“?

PB: Ich wusste ja von Anfang an, dass das „Musketier“ von Radkutsche nicht für solche Zwecke gebaut ist. Doch ich fühlte mich untwegs wie ein König der Landstraße! Bergab fühlte sich das Trike sehr sicher und stabil an, sogar bei Geschwindigkeiten bis 45 km/h! Ich kam mit vollen Akkus in Paris an und die etwa 25 km bis ins Stadtzentrum fühlten sich großartig an, vor allem als ich mit full speed durch die Kreisverkehre fuhr!

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Gut untwerwegs: Ein Teil des Streckenprotokolls. (Klicken zum Vergößern)

AT: Da waren die Autofahrer sicher weniger begeistert, oder?

PB: Im Gegenteil! Die französischen Autofahrer verhielten sich unterwegs sehr respektvoll, soviel besser als in den Niederlanden. Auf den gesamten 900 km hatte nicht ein einziges Problem mit Autofahrern! Noch nicht einmal in Paris. Das kann ich selbst bis jetzt kaum glauben.

AT: Das klingt wirklich sehr überraschend. Wie hast du denn die Energieversorgung für dich und die Akkus des Pedelec-Antriebs unterwegs organisiert?

PB: Das war schon eine der Herausforderungen. Meist konnte ich die Akkus während meiner Verpflegungspausen, von denen ich mehrere am Tag brauchte, etwa eine Stunde aufladen. Eigentlich hatte ich auch vor, die Batterien unterwegs über das Solar-Panel von Juice-on-wheels zu laden. Dafür hatte ich extra einen Spannungswandler von 12 auf 36 Volt installiert. Leider konnte ich das wegen des lausigen Wetters nicht testen. Insgesamt hatte ich drei Li-Ion-Akkus mit je etwa 13 Ah dabei. Das war ein weiteres Experiment, denn keiner konnte mir sagen, welche Reichweite ich damit würde erzielen können. Weißt du, sobald man die Niederlande verläßt wird es hügelig und auf dem Hinweg war es mit 5 Grad recht kalt. Welche Geschwindigkeit ist, in Verbindung mit Muskel- und Akku-Power ideal um unter diesem Umständen täglich 100 km weit zu kommen? Meine Erfahrung ist: Sobald die Akkus mehr als die Muskeln leisten, kannst du es vergessen die Akkus mehr als zwei Stunden zu nutzen. Manchmal war es sogar nur eine Stunde. Vergiss es Hügel mit mehr als 6% Steigung fahren zu wollen, vor allem wenn die schneller als 16-18 km/h fahren willst, auch unter Berücksichtigung von Straßenzustand, Gegenwind oder sonstigem.

AT: Hut ab! Da soll mal einer sagen, Pedelecfahren könnte nicht anstregend sein. Wo hast du übernachtet und wie war denn so dein Tagesablauf?

PB: Ich habe meist in Hotels oder Bed&Breakfast übernachtet. Morgens bin ich gegen 8 Uhr losgefahren und habe jeden Abend gegen 21 Uhr mein Ziel erreicht. Dann galt es noch das ein oder andere zu organisieren und etwas zu essen. Meist haben ich nur etwas 6 Stunden Schlaf pro Nacht bekommen. Irgendwie war es auch eine Art „Rennen gegen die Uhr“. Und unter uns: Dieses „Rennen“ ist gerade im Winter zu gefährlich.

AT: Was waren denn die schönsten Momente deiner Tour?

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André Kuipers zweifacher Astronaut aus den Niederlanden

PB: Rückblickend war der großartigste Moment sicher die Begegnung mit André Kuipers, das Foto wurde Nahe Sacre Coeur aufgenommen. Er war bereits zweimal im All und inspiriert gerade in den Niederlanden viele für das Thema Technik, Innovation und Nachhaltigkeit. Stellt dir vor, wir unterhielten uns über die Unterschiede über die Steuerung eines Raumschiffs. Und natürlich unterhielten wir uns auch über die Werkzeuge die man auf eine Tour mitnehmen sollte, egal ob die auf der Erde oder im All stattfindet. André Kuipers war auch in Sachen „Klimagipfel“ unterwegs, er begleitete einen Tag die „ClimateMiles“, eine Gruppe Niederländer die anläßlich des Klimagipfels von Utrecht nach Paris gelaufen sind.

Eine weitere großartige Sache ist, dass die „Tour de Climat“, auch mit mir als Teilnehmer, viele Menschen inspiriert hat. Auf unserem Weg nach Paris habe ich zum Beispiel mitten in den französischen Wäldern mit einer Schulklasse geskyped. In den zwei Wochen der Tour waren wir mit solchen und ähnlichen Sachen sehr beschäftigt.

Paris selbst war irgendwie bizarr. Traurigkeit und Hoffung für den Klimagipfel. Sehr bescheiden, ruihig. Während des Gipfels waren Demonstrationen verboten. Aber wir konnten an mehreren spontanen Aktionen teilnehmen, auch mit Juice-on-Wheels, das ich dabei geschoben habe.

AT: Das waren sicher sehr beeindruckende zwei Wochen. Planst du weiterer solcher Trips?

PB: Ja, es wird sicher noch weitere ähnliche Trips geben. Denn auf diese Weise kann ich viele Sachen miteinander verbinden: Initiativen für den guten Zweck, meinen Spaß am Radfahren und daran, Sachen zu testen und natürlich auch ein wenig PR für „Juice-on-wheels“. Die nächste Tour findet vielleicht wieder in Frankreich statt: Seit Sommer diesen Jahres haben wir sind wir auch in Grasse, nahe Nizza, einen Firmensitz. Wir planen für nächstes Frühjahr eine Charity-Triketour von Barcelona nach Nizza und suchen dafür noch Partner.

AT: Ich drücke dir die Daumen für dieses Projekt! Zumindest wird bei dieser Tour das Wetter wohl deutlich wärmer sein. Vielen Dank Peter, dass du dir etwas Zeit für dieses Interview genommen hast!

Weitere Informationen zur Tour und zu „Juice on Wheels“ sind bei Facebook, Twitter oder Instagram zu finden.

Hier ein YouTube-Video in niederländischer Sprache:

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Alexander Theis

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