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E-MTB Ra(d)tgeber

E‑Mountainbike-Einstieg: Was beachten?

Lesezeit etwa 10 Minuten

Für viele Menschen bedeutet das E‑MTB den ersten Kontakt mit dem Geländeradsport. Wie gelingt der Einstieg?

2022 wurden laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) rund 836.000 E-Mountainbikes in Deutschland verkauft. Damit sind E-MTBs mit einem Anteil von 18 Prozent mittlerweile die zweitstärkste Fahrradgattung nach Trekkingrädern und unter den E-Bikes sogar die stärkste.

Wie gelingt der Einstieg in die Faszination E-MTB? Der pressedienst-fahrrad beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Solche Ausblicke, wie hier über den Molveno-See, machen einen Teil der Faszination E-MTB aus.

Was ist die Grundausstattung eines E‑MTBs?

Eine Federgabel, standfeste Scheibenbremsen und breite, grobstollige Reifen bringt eigentlich jedes E‑Mountainbike von Haus aus mit. Damit sind Einsteiger:innen gut gerüstet für erste Ausflüge in leichtes Gelände.

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Ein Beispiel für ein Vollgefedertes E-MTB: Das MIG-R von Thok war im Test bei VeloStrom

Ein vollgefedertes Rad, englisch Fully, mit Federung an Vorder- und Hinterrad, verbessert die Fahrdynamik aber deutlich, und zwar unabhängig vom Federweg. Federwege von 120 bis 150 Millimeter sind für den Anfang eine gute Wahl.

„Für den Einstieg lohnt sich der Griff zu einem E‑MTB aus dem Bereich All-Mountain oder Trail. Diese Räder zeichnen sich durch ihre Vielseitigkeit aus und machen sowohl bergab als auch bergauf Spaß“, sagt Matthias Rückerl vom E‑Mountainbike-Pionier Haibike.

Lange Federwege von 160 Millimetern und mehr machen sich dagegen vor allem dann bezahlt, wenn das Gelände mit Felsstufen oder Sprüngen besonders anspruchsvoll ist oder man sehr schnell unterwegs sein möchte.

Wieviel Leistung brauche ich?

Hier gibt es keinen Grund zur Sorge: Moderne E‑Mountainbikes verfügen in der Regel über besonders starke Antriebe. Wichtig im Gelände sind vor allem das maximale Drehmoment in Newtonmeter und die maximale Unterstützung, um auch steile und unebene Bergaufpassagen bewältigen zu können.

„Unsere Drive-S-Mag-Antriebe speziell fürs Mountainbiken liefern 90 Newtonmeter Drehmoment und eine maximale Unterstützung von 410 Prozent der vom Fahrenden eingegebenen Kraft“, erklärt Antje Geyer vom Berliner Elektroantriebsspezialisten Brose. „Kurzzeitig kann so die Motorleistung deutlich über die maximale Nenndauerleistung von 250 Watt hinausgehen, was gerade an steilen Rampen im Gelände hilfreich ist“, erklärt Geyer und ergänzt: „Das ist wichtig, weil es im Gelände meist deutlich steil bergan geht. Der stärkste Motor hilft nichts, wenn die Kraftentfaltung nicht passt.“

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Ein E-MTB mit besonders breiten Reifen und Brose-Motor. Fantic FatSport GS888

Ruckartig einsetzender Turboschub ohne entsprechende Kraftentfaltung kann im Gegenteil dazu führen, dass das Antriebsrad einfach durchdreht. Einsteiger:innen sollten sich bei der Auswahl des passenden E‑MTBs nicht nur auf die Drehmomentangaben verlassen, denn auch weniger Drehmoment kann für ein gutes Fahrgefühl sorgen, was die sogenannten Light E‑MTBs zeigen.

Hier kommen kleinere Antriebe zum Einsatz, die auch weniger Drehmoment haben. „Obwohl die Antriebe nur 60 Newtonmeter an Drehmoment aufweisen, bringen sie am Berg richtig viel Power“, erklärt Rückerl.

Reicht mein Akku im Gelände?

Moderne E‑MTB-Akkus [-> Wie ist ein E-Bike-Akku aufgebaut?] mit Kapazitäten von mehr als 700 Wattstunden [-> Was sind Wattstunden?] oder Doppelakku-Systeme mit mehr als 1.000 Wattstunden ermöglichen viele Kilo- und vor allem Höhenmeter.

„Trotzdem sollten angehende E‑Mountainbiker:innen ihre Touren tendenziell konservativ planen“, rät Volker Dohrmann vom Fahrradhersteller Stevens. Der höhere Rollwiderstand im Gelände, die Steilheit der Wege und die dadurch abgerufene Mehrleistung schlagen sich auf die Reichweite [-> Wie weit kann ich mit einem E-Bike fahren?] durchaus nieder.

Wie beim Auto gilt beim E‑MTB: Die Fahrweise entscheidet maßgeblich über den Energieverbrauch.

„Um Strom zu sparen, ist es sinnvoll, wenn möglich, auch mal in eine niedrige Unterstützungsstufe zurückzuschalten, statt immer Vollgas im Turbo-Modus zu fahren“, rät deshalb der Experte. Die gute Nachricht lautet allerdings: Selbst mit leerem Akku ist ein E‑MTB immer noch ein Fahrrad und kann einfach nach Hause pedaliert werden.

Wie fahre ich im Gelände?

„Man sollte im Gelände möglichst vorrausschauend, defensiv und sicher fahren“, sagt Daniel Häberle vom US-Hersteller Cannondale, denn nur wer sicher fahre, könne auch schnelle, steile und schwierige Passagen bewältigen. Technisches Gelände in der Ebene oder bergab wird dabei im Stehen gefahren.

„Das erlaubt es, das Rad besser zu dirigieren und mit den eigenen Armen und Beinen Stöße aktiv abzufedern, statt einfach vom Rad einzustecken“, so Häberle. Dazu empfiehlt es sich, den Sattel zu versenken, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.

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Stehend fahrend, mit Knie und Armen federnd, Finger am Bremshebel, Sattel versenkt, Blick voraus: Alex von VeloStrom konzentriert auf dem Trail

„Die meisten unserer E‑Mountainbikes besitzen eine Teleskopsattelstütze, die sich bequem während der Fahrt per Daumendruck absenken und wieder ausfahren lässt. Das vergrößert den Fahrfluss immens“, ergänzt Häberle.

Radfahrende, die meist auf Forstwegen oder im Alltag mit ihrem E‑Mountainbike unterwegs sind, brauchen eine Teleskopsattelstütze hingegen nicht zwingend.

Ansonsten gilt: Der Blick gehört etwa zwei Radlängen vors Vorderrad und ein bis zwei Finger gehören immer an jeden Bremshebel. Ähnlich wie beim Skifahren oder Surfen erlernt man den neuen Sport am besten bei einem speziellen Mountainbike-Fahrtechniktraining.

Darf ich mit meinem E‑MTB überall hin?

Normale Pedelecs bis 25 km/h Unterstützung dürfen unter bestimmten Bedingungen im Wald und Gelände genutzt werden – hier gibt es keinen Unterschied zu unmotorisierten Fahrrädern. Die meisten deutschen Bundesländer erlauben sogar die Benutzung von ausgeschilderten Wanderwegen auch für Fahrräder und Pedelecs.

Eine Ausnahme bildet Baden-Württemberg, wo Wege unter zwei Metern Breite für alle Fahrräder verboten sind. In Bayern sind nach einer Gesetzesanpassung Wege nur dann geeignet, wenn eine sichere Nutzung ohne Gefährdung oder unzumutbare Behinderung von Fußgänger:innen möglich ist.

In Zusammenarbeit mit Mountainbike-Initiativen wird deshalb in vielen Regionen daran gearbeitet, ausgewiesene Wegenetze und legale Trail-Konzepte fürs (E-)Mountainbiken zu erstellen. Das soll mögliche Konflikte zwischen den Erholungssuchenden minimieren.

Hier sollte man sich im Internet im Vorfeld informieren, welche Touren möglich sind und dementsprechend auch an die Beschilderung halten. Bei Fahrten ins Ausland, gerade in den Alpenraum, ist eine Vorab-Info im Internet über die Fahrbarkeit von Trails ebenfalls wichtig. In Österreich, der Schweiz oder Italien gelten regionale Unterschiede.

Über allem steht dabei zudem eine gesunde Selbsteinschätzung. „Wer vom Gelände überfordert ist, gefährdet nicht nur sich, sondern auch alle anderen im Wald“, sagt Dohrmann.

Brauche ich Helm und Protektoren?

Vorgeschrieben ist ein Helm nur auf dem S-Pedelec [-> Was ist ein S-Pedelec?], das nicht in den Wald darf. Für 99 Prozent der E‑Mountainbikes gilt deshalb keine Helmpflicht.

„Ein Helm ist allerdings gerade auf dem E‑Mountainbike unbedingt sinnvoll. Er schützt nicht nur im Sturzfall, sondern auch gegen aufgewirbelte Steine, tief hängende Zweige und mehr“, weiß Torsten Mendel vom Sicherheitsspezialisten Abus.

Typischerweise werden auch auf dem E‑Mountainbike Halbschalenhelme getragen, oft an den Seiten und am Hinterkopf besonders weit heruntergezogen für mehr Abdeckung und Schutz. Noch sicherer sind so genannte Fullface-Helme, die auch Kinn und Kiefer schützen. Für Ausflüge in den Bikepark oder in technisches Gelände sind sie deshalb eine gute Wahl.

Allerdings können sie die Rundumsicht etwas einschränken und die Kommunikation zum Beispiel mit Spaziergänger:innen auf gemeinsam genutzten Wegen und Trails etwas erschweren, weil diese das Gesicht des Gegenübers nicht mehr ganz sehen. „Für den freundlichen Klönschnack mit anderen Waldnutzer:innen einfach abnehmen“, rät daher Mendel.

Auch Protektoren sind im Gelände sehr sinnvoll, vor allem die beliebten Knieschoner aus viskoelastischem Schaum. „Aktuelle Knieschoner behindern beim Pedalieren so gut wie gar nicht und sind auch sehr atmungsaktiv. Es gibt eigentlich keinen Grund, darauf zu verzichten“, ist Daniel Gareus vom Fürther Großhändler Cosmic Sports überzeugt, der in Deutschland unter anderem die Protektoren von Troy Lee Designs vertreibt.

Noch mehr Schutz bieten dann zum Beispiel Ellenbogen‑, Schienbein- oder Rückenprotektoren. „Handschuhe sollte man immer tragen. Sie schützen im Sturzfall vor Schürfwunden und anderen unangenehmen Handverletzungen. Im Sommer luftige, im Winter warme“, so Gareus.

Wie sitze ich richtig?

Auch wenn ein E‑Mountainbike oft im Stehen gefahren wird, ist die richtige Sitzposition entscheidend für lang anhaltendes Geländevergnügen.

„Viele E‑Mountainbiker:innen sitzen zu niedrig. Der Motorschub gleicht die schlechtere Biodynamik aus und die tiefe Sitzposition vermittelt ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Die Leidtragenden sind aber die Knie, die so besonders belastet werden“, beobachtet Lothar Schiffner vom Koblenzer Ergonomiespezialisten Ergon.

Doch selbst, wenn die Sitzhöhe stimmt, ist die Sitzposition auf dem E‑MTB oft anders als auf seinem nicht-motorisierten Counterpart.

„Man drückt sich wegen der Motorpower weniger stark aus den Pedalen und dem Sattel heraus und sitzt ohnehin in der Regel aufrechter. Um das zu kompensieren, bieten wir E‑MTB-Sättel mit angepasster Breite und Schäumen an. Zudem verfügen unsere MTB-Sättel über eine Art Rampe, die ein Nachhintenrutschen an steilen Anstiegen verhindert“, so Schiffner weiter.

Wer hat Vorfahrt im Wald?

Juristisch ist nicht umfassend geklärt, wer im Gelände Vorfahrt hat. Allgemeine Regeln wie ‚rechts vor links‘, oder ‚wer bergauf fährt, hat Vorfahrt‘, gibt es nicht.

„Rücksichtname sollte deshalb immer Vorfahrt genießen“, appelliert Anja Knaus vom schweizerischen Hersteller Flyer. Dazu gehört vor allem, die Geschwindigkeit so zu wählen, dass man vor jedem unerwartet auftauchenden Hindernis sicher zum Stehen kommen kann. Besonderes Augenmerk sollten E‑Mountainbiker:innen auf den Begegnungsverkehr legen. Selbst bei langsamer Vorbeifahrt können sich Mensch und Tier erschrecken.

„Am besten kurz anhalten und den Gegenverkehr durchwinken. Gerade Spaziergänger:innen freuen sich darüber meist sehr, denn in der Regel unterbrechen sonst sie ihren Weg für Biker:innen“, lächelt Knaus.

Wer hilft im Sturzfall?

Wenn es wirklich einmal zum Äußersten kommt und Mountainbiker:innen den Wald oder das Gebirge nicht mehr sicher aus eigener Kraft verlassen können, sollte man immer den Notruf 112 wählen.

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Nicht immer geht ein Surz so glimpflich ab.

Freund:innen oder Bekannte als Hilfe ins Gelände zu dirigieren, ist keine gute Idee. Sie benötigen viel länger oder sind im Zweifelsfall gar nicht in der Lage, unzugängliche Unfallorte zu erreichen. Wohl dem, der in einer solchen Situation nicht allein unterwegs war.

Doch auch für diesen Fall gibt es Lösungen. Fahrradhelme mit Abus‘ Quin-Technologie oder Bikes wie von Haibike oder Cannondale sind auf Wunsch im Sturzfall in der Lage, selbständig einen Notruf abzusetzen, wenn die oder der Gestürzte den Alarm-Countdown nicht aktiv unterbricht.

[Text: PD-F, Fotos: VeloStrom]

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Alexander Theis