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Blog-Tipp Interview

Interview: Alexander Hanisch, Betreiber von Pedelecmonitor.de

Lesezeit etwa 10 Minuten

[at] Alexander Hanisch betreibt Pedelecmonitor.de und erzählt im Interview von seiner Motivation und den interessanten Hintergründen zu diesem wirklich außergewöhnlichen Blog.

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Alexander Hanisch, Gründer von Pedelecmonitor.de

Wer plant, sich ein Pedelec zu kaufen findet zum Beispiel auf VeloStrom Testberichte. Diese Testberichte können aber immer nur einen kurzen Ausschnitt im Leben eines Pedelecs abbilden.

Wer Langzeiterfahrungen sucht, findet diese auf Pedelecmonitor.de in einer beeindruckenden Breite und Tiefe.

VeloStrom sprach mit Alexander Hanisch, der den Pedelecmonitor ins Leben gerufen hat.

 

VeloStrom: Alex, was ist Pedelecmonitor.de genau?

Alexander Hanisch: Der Pedelecmonitor ist eine öffentlich zugängliche Datenquelle, in der die Erfahrungen von Kunden und Anwendern, also echten Bikern und ihren Bikes bzw. Antriebssystemen dargestellt werden. Die Datenbasis bildet der Erfahrungsschatz von freiwilligen Meldern, die ihre (S-)Pedelecs hier registriert haben.

Der Blog soll dabei die folgenden häufig gestellten Fragen beantworten:

  • Wie lange kann ein Motor, Akku oder eine Nabenschaltung funktionieren?
  • Hat das Antriebssystem Schwachstellen oder Probleme?
  • Wann treten diese Probleme auf und was ist die Folge?
  • Wie sind die Langzeiterfahrungen mit dem (S-)Pedelec der Marke XY?

Dieses „Schwarmwissen“ beruht auf Fakten, die zu bestimmten Fragestellungen herangezogen werden können. Wie wäre es mit einem Beispiel? „Sportliches S-Pedelec zum Pendeln bis 5000€“. Der Interessent zieht unterschiedlichste Bikes in Betracht, wie sieht es also mit den Antrieben aus?

In den Grafiken aus dem Pedelecmonitor habe ich mal beispielhaft die Daten für den Bosch-Antrieb und den Cyro-Drive  (Anm. d. R: Antrieb der Stromer- ST1X Bikes) zusammengestellt. Dabei werden funktionierende und defekte Bikes zusammen dargestellt (rot = defekt / grün = alles i.O.). Die Daten sind max. 12 Monate alt. Ich würde hier klar die Motoren mit wenigen Problemen bevorzugen!

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Jeweils klicken zum Vergrößern.

grafik-cyno-antrieb

 

 

 

 

 

VeloStrom: Ich finde das eine wirklich tolle Sache! Wie kamst du auf die Idee?

Alexander Hanisch: Ich war frustriert! Stell dir vor, den täglichen Pendlerstrecken von 40km und einigen Höhenmetern waren die Motoren nicht gewachsen – was ja eigentlich das Einsatzgebiet eines Pedelecs ist. Und das passierte mir jedes Mal! Also begann ich Daten von Motorschäden des gleichen Herstellers zu sammeln, um nachzuweisen, dass ein konstruktiver Mangel vorliegt. Damit wäre ich in der Lage gewesen, einen Rücktritt vom Kaufvertrag zu begründen. Das Ergebnis sah so aus:

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Klicken zum Vergrößern

Fazit: Der Rücktritt vom Kaufvertrag ging problemlos. Die Daten aber wollte keiner haben. Die ganze Arbeit der Datenerhebung sollte aber nicht umsonst gewesen sein.

Bei der ersten Online-Version des Pedelecmonitors wurde der Betrachtungshorizont auf alle Mittelmotoren-Hersteller erweitert. Anfang 2017 bei der Umstellung auf das Blogformat kamen noch die Nabenmotoren hinzu.

 

VeloStrom: Woher bekommst du die Infos zu den Antrieben?

Alexander Hanisch: Die Volumenhersteller wie z.B. Bosch, Yamaha, GoSwiss oder Panasonic sind ja seit Jahren weltweit in Pedelecs vertreten und daher bekannt. Wenn jemand sein Bike mit einem unbekannten Antriebssystem registriert, ist erst einmal Recherchearbeit angesagt. Fündig werde ich dann zumeist in Blogs, wo die Antriebe schon vorgestellt oder gar getestet wurden, wie hier auf Velostrom.de und deiner Tour nach Berlin mit dem Binova-Flow. Ein unglaublich riesiger Wissensschatz ist außerdem in den deutschen und englischen Foren versteckt. Deshalb ist u.a. das Pedelecforum.de stets mein erster Anlaufpunkt. 

Mittlerweile bin ich aber über Fahrrad-Filter.de  recht up to date und suche gezielt in Foren und Gruppen nach Bikern mit derzeit noch wenig oder gar unbekannten Motoren (Continental, Klever, TransX).

VeloStrom: Sind die Teilnehmer alle Vielfahrer?

Alexander Hanisch: Das ist schwierig zu beantworten.Ein Biker, der jeden Tag 5km fährt und dafür auf sein Auto verzichtet, ist aus meiner Sicht genauso ein Vielfahrer wie diejenigen, die mehrmals in der Woche 50km+  fahren. Einige fahren im Sommer 700km pro Monat und pausieren dafür im Winter. 

Deshalb führte ich eine Übersicht der durchschnittlichen monatlichen Fahrleistung für Pedelecs und S-Pedelecs ein. Aus den von Bikern geschilderten Nutzungen und Anwendungen sind folgende Kategorien mit jedoch recht weichen Grenzen entstanden:

  • unter 100km / Monat -> Gelegenheitsfahrer
  • 100-ca. 250km / Monat -> Alltagsnutzer
  • 250-ca. 400km / Monat -> Pendler & Vielfahrer

Aber zurück zu deiner Frage, ich kann sagen, dass es hier eine sehr sehr gute Mischung gibt – Trailheizer, Freizeit-Tourer, Alltags-Lastenradler und „verrückte“ Langstreckenpendler.

VeloStrom: Wie viel Datenmaterial fällt da an?

Alexander Hanisch: Es gibt ein Winter- und ein Sommerloch, da ist recht wenig los. Dazwischen kommen monatlich ca. 30 Anmeldungen und 200 Mails mit aktualisierten Kilometerständen oder Schäden. Ich versuche alle Mails persönlich zu beantworten.

VeloStrom: Machst du das hauptberuflich oder bereitest du alles alleine und in der Freizeit auf?

Alexander Hanisch: Der Pedelecmonitor ist mein Hobby. Die Arbeit der Datenaufbereitung und die Veröffentlichung der Beiträge bewältige ich derzeit noch allein.Wenn es so weitergeht, muss ich etwas am Konzept ändern, ohne Programmier- und Datenbankkenntnisse ist das aber schwer.

Derzeit versuche ich eine Möglichkeit zu finden, engagierte Helfer einzubinden. Die Texte und Fotos der Erfahrungsberichte werden von den Bikern selbst angefertigt, mitunter sind diese wirklich hochwertig.

VeloStrom: Wie sieht das mit dem Datenschutz aus?

Alexander Hanisch: Bereits vor Beginn 2016 hatte ich mich 5 Wochen mit dem Thema Datenschutz auseinandergesetzt – was darf ich und was darf ich nicht? Mein Glück, ich hatte damals bereits die Seiten besucht, die die Ansätze der DSGVO enthielten. Ich darf behaupten, dass ich derzeit DSGVO-konform blogge.

Die Datenspeicherung und -aufbereitung findet offline in einer einfachen Excel-Tabelle statt. Die Kommunikation geschieht per Kontaktformularen und per Mail. Wer nicht mehr dabei sein möchte, dessen Datensatz wird restlos entfernt – zeitnah, wie es die DSGVO vorschreibt.

VeloStrom: Für wen sind die Daten zugänglich?

Alexander Hanisch: Der Blog ist für jedermann einsehbar. Die Daten zum Antriebssystem inkl. Kilometerstand und Schäden werden unter einem Nickname dargestellt. Mehr erfährt der Leser nicht über die radelnde Person. Auf die Excel-Tabelle mit allen Daten habe ausschließlich ich allein Zugriff.

Ein besonderer Schatz ist sicher auch die Google-Schadenstabelle (https://docs.google.com/spreadsheets/d/1ba3EU0zKZ8ppmrOC-yH3x-ecCLiYDX_mM96iHhiWztc/edit#gid=1240553272), in der alle bisher gemeldeten Motor- und Akkuschäden übersichtlich und mit allen bekannten Informationen dargestellt sind. Daraus lassen sich bereits einige Erkenntnisse gewinnen.

VeloStrom: Dein Motto ist „Real biker, real feedback“. Suchst du noch weitere Teilnehmer? Und woher bekommst du sie?

Alexander Hanisch: Natürlich bin ich stets auf der Suche nach neuen Erfahrungen von Bikern und auch Flottenbetreibern. Auf den Wegen zum Arbeitsplatz oder zu Kunden komme ich mit vielen Bikern ins Gespräch. Wenn ich merke, dass die Sympathie da ist, gebe ich meist einen kleinen Flyer mit den wichtigsten Informationen mit. Etwa jeder Dritte meldet sich daraufhin.

Es gibt neben Neuerscheinungen ja auch jährlich Änderungen an der Hard- oder Software. Wie sich die Komponenten oder ganzen Bikes dann in der Praxis beim Kunden schlagen, das versuche ich hier darzustellen.

Ganz besonders haben es mir Lastenräder angetan. Dort sieht man dann wirklich, was die Antriebskomponenten und auch Nabenschaltungen können und wie lange sie tadellos funktionieren.

Einen weiteren Fokus habe ich auf kleinere Anbieter, die mit neuen innovativen Konzepten daherkommen. Darf ich Beispiele nennen? Ich bin derzeit auf der Suche nach Erfahrungen von z.B. Klever, Qwic und Stromer-Bikern, sowie (S-)Pedelecs mit dem 48V Continental, dem zweistufigen Panasonic Antrieb und der Nachrüst-Lösung von Binova.

Den außergewöhnlich starken TQ werden wir ja bald in den Haibikes finden. Außerdem freue ich mich auf den ersten Motor von Sachs.

VeloStrom: Gibt es Reaktionen der Hersteller? Wenn ja welche?

Alexander Hanisch: Nein, von den Herstellern gibt es keine Reaktionen. Wenn man sich die Sachlage anschaut, ist auch klar warum: Die Hersteller haben über die Rückläufer, also defekte Motoren und Akkus, bereits eine sehr genaue Kenntnis, wie es um die Zuverlässigkeit steht und wie der Kunde das Produkt nutzt.

Noch mehr Datengewinnung ermöglichen Bordcomputer, die per App mit den Servern der Systemhersteller kommunizieren können. Die wenigen Melder im Pedelecmonitor können gar keine Basis für eine statistische Auswertung darstellen. Doch ich bekomme viel Lob von den Meldern. Ganz besonders hervorheben möchte ich die Stromer-Biker, die ihre Daten stets aktuell halten und in meiner Arbeit einen echten Mehrwert sehen.

Velostrom: Welches Antriebskonzept nutzt du persönlich?

gespann_alexander-hanischAlexander Hanisch: Ich bin derzeit auf einen Mittelmotor angewiesen, da vor der Haustür eine 15%ige Steigung ist, die der Kinderanhänger hochgezogen werden muss. Die Familie 3 Häuser neben dran hat dasselbe Konzept. Sehr gerne würde ich mal einen starken Nabenmotor fahren. Bis auf einige 100km Erfahrung mit einem alten Neodrives konnte ich mir keinerlei Urteil über diese Motorentypen bilden.

VeloStrom: Apropos Kindertransport: Wäre da ein Lastenrad eine Alternative?

Alexander Hanisch: Meine Frau und ich, wir haben lange über die Anschaffung eines Lastenrades, u.a. zum Kindertransport nachgedacht. Tolle Bikes, viel Stauraum, fahren sich leicht mit Motorunterstützung, ersetzen in der Stadt einen VW Golf! Aber weil die Bikes bei Ausflügen und Familienbesuchen auch manchmal dabei sind, haben wir uns gegen die sperrigen und schweren Cargos entschieden. Sie passen einerseits nicht ins Auto und andererseits kommst du ohne Fahrstuhl bzw. zu kleinem Aufzug an Bahnhöfen einfach nicht auf den Bahnsteig, insbesondere wenn du allein mit allen Kindern unterwegs bist. Das mögen in manchen Regionen Einzelfälle sein, bis Anfang 2018 war das in Esslingen eher die Regel.

VeloStrom: Du wirst doch sicher oft von Freunden und Bekannten um Rat gefragt, oder?

Alexander Hanisch: Im Bekanntenkreis gebe ich meist nur Empfehlungen zum Antriebssystem und zur Ausstattung (Bremsen und Schaltung) ab. Welchen Hersteller sie dann auswählen, hängt einerseits vom Budget und von der Nähe zum lokalen Händler ab. Damit ist gleichermaßen die Frage beantwortet, wie ich zu Online-Käufen stehe.

VeloStrom: Langsam kommen mehr und mehr Pedelecs für Kinder auf den Markt. Wie stehst du dazu?

Alexander Hanisch: Das ist eine super Sache. Auf meinem Arbeitsweg treffe ich oft eine amerikanische Familie, die täglich 15km vom Wohnort zur Schule fährt – ja mit vielen Steigungen. Dafür bleibt der riesige Pick-up Truck in der Garage stehen, bei jedem Wetter. Der Junge war 11, als er das Bike bekam. Solche Pedelecs für Kinder ab 12 können maßgeblich zur Reduzierung der Eltern-Taxis beitragen.

VeloStrom: Alex, vielen Dank für das Gespräch!

Hier nochmal der Link zum Pedelecmonitor: https://pedelecmonitor.wordpress.com/

[Fotos: Pedelecmonitor.de]

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Alexander Theis
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