Lasten-Pedelec
Test & Technik

Pedelec-Typenkunde

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[pd-f/hdk] Das Fahrrad befindet sich in konstantem Aufwind – als nach wie vor liebstes Freizeitsportgerät der Deutschen und cleveres, nahezu ideales Verkehrsmittel für die Nahmobilität. Kommunen fördern die Infrastruktur, der Radverkehrsanteil tendiert in manchen Ortsteilen gegen 50 % und selbst Deutschlands Politiker der ersten Garde lassen sich mittlerweile mit Rad ablichten. Weltweit wird mit Freude auf die Vorreiter der „Velorution“ geschaut: Städte wie Kopenhagen, Amsterdam oder Portland überzeugen mit Charme und Tatkraft.

Hohen Anteil an dieser Popularität hat das Elektrorad. Im Laufe der letzten Jahre hat diese Fahrradart ihr Reha-Image fast gänzlich abgestreift: Der Spaß am Stromern setzt sich durch. Jede Radgattung wurde elektrifiziert. Es fanden sich neue Marktteilnehmer aus Industrie- und Kommunikationssektoren ein und jeder Radhersteller hat inzwischen Räder mit Elektroantrieb im Programm. Die Verkaufszahlen für E-Bikes und Pedelecs explodierten förmlich – nach Schätzungen des Zweirad-Industrie-Verbands e. V. (ZIV) fuhren zum Jahreswechsel 2013/2014 ungefähr 1,5 Millionen E-Räder durch Deutschland. Davon gingen allein 2013 etwa 420.000 Stück „über die Theke“ – 2005 waren es noch 20.000.

 

Frau mit Pedelec
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

Dass ausgerechnet ein Radtyp, der am Prinzip der Fortbewegung durch pure Muskelkraft gehörig modelliert, das Umdenken befeuert, zeigt deutlich, wie die Fahrradwelt Konventionen über Bord geworfen und Vorurteile überwunden hat. Das E-Bike füllt eine Lücke im Moment ihres Entstehens – zur rechten Zeit am rechten Ort, gibt es Antworten auf drängende Fragen der Zeit wie überfüllte Städte, Umweltverschmutzung und steigenden Energiebedarf. Als ideales Verkehrsmittel rundet es die Individualmobilität in Reichweite, Transportvolumen und Geschwindigkeit ab.
So ist das E-Bike ein Lösungsmodell für alle, die souverän Rad fahren: Für den Transport auf täglichen Wegen, um frisch im Büro anzukommen und sich trotzdem bewegt zu haben, um mal etwas weiter oder schneller zu fahren, ohne dass großer Trainingsaufwand nötig wäre – und schließlich auch für die (Wieder-)Gewinnung ganz individueller Freiheit.
Im Jahr 1992 gab es genau drei Elektroräder aus Serienproduktion auf dem Weltmarkt. Heute zählt der testende Verein Extra Energy e. V. ganze 1.500 verschiedene E-Bike-Modelle in Deutschland und ermittelt einen Durchschnittspreis von 2.100 Euro.

Funktionsprinzipien

Ein Pedelec mit Tiefeinsteiger-Rahmen
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

A: Pedelec
Wenn man von E-Bikes spricht, ist in aller Regel das Pedelec gemeint, denn 95 % aller Elektroräder sind Pedelecs. Der Begriff setzt sich zusammen aus pedal, electric und cycle und verdeutlicht: Der Motor arbeitet nur, wenn man kurbelt. Ein Sensor im Antrieb misst die Kraft, mit der man tritt und unterstützt je nach Hersteller, Einstellung und ausgewähltem Modus mit 25 % bis 200 % dieser Kraft. Pedelec-Piloten haben so immer eine Extraportion Rückenwind – das „typische Pedelec-Lächeln“ sorgt auch entscheidend für die Popularität der Gattung. Das Pedelec unterstützt bis 25 km/h, viele Modelle bieten auf Knopfdruck eine Schiebehilfe in Schrittgeschwindigkeit. Pedelecs gelten rechtlich als Fahrräder: keine Helmpflicht, kein Führerschein, keine Altersgrenze. Ein Klassiker dieser Gattung ist die Flyer C-Serie vom schweizerischen Hersteller Biketec (ab 2.290 Euro, www.flyer.ch).

 

 

Ein S-Pedelec von Riese&Müller
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

B: S-Pedelec
Sie funktionieren wie Pedelecs, schieben aber bis 45 km/h. Das macht die von außen betrachtet gewöhnlichen Fahrräder im Verkehrsrecht zu Kleinkrafträdern. Somit brauchen sie die Zulassung durch das Kraftfahrt-Bundesamt sowie ein Versicherungskennzeichen. Für Fahrer heißt das: Mofaführerschein (im Autoführerschein enthalten), Altersgrenze 16 Jahre und Helmpflicht – wobei sich das Gesetz nicht eindeutig dazu äußert, welcher Helm der richtige ist, Fachleuten zufolge ist der Radhelm passend. Dazu kommt: Die Radwegnutzung ist innerorts verboten, außerorts aber Pflicht. Und Anbauteile dürfen nicht wie beim Fahrrad einfach verändert werden. Beispielhafter Vertreter der schnellen Art ist das „Delite hybrid HS“ vom Darmstädter Hersteller Riese & Müller (ab 4.499 Euro, www.r-m.de).

 

 

C: E-Bike
Gern als Oberbegriff für alle Fahrräder mit E-Antrieb verwendet, bezeichnet der Begriff „E-Bike“ im engeren Sinne ein Fahrrad, dessen Motor mit einem „Gasgriff“ bedient wird. Es funktioniert also unabhängig vom Pedalieren. Je nach Leistungsabgabe und Geschwindigkeit sind E-Bikes versicherungspflichtig (Mofakennzeichen) und der Fahrer benötigt einen Mofaführerschein , eine Helmpflicht gibt es jedoch nicht. Vom Markt ist das E-Bike weitestgehend verschwunden; zu finden sind solche Räder am ehesten in der Billig-Abteilung oder der für besondere Verwendungszwecke.

 

Antriebsbauformen

Unabhängig von Art und Grad der Unterstützung unterscheidet man verschiedene Bauformen anhand der Position des Elektromotors. Drei grundlegende Arten haben sich etabliert. Der Nabenmotor im Vorderrad bietet den Vorteil, dass am Hinterrad sämtliche Schaltungen verwendet werden können. Die fahrdynamischen Eigenschaften sind jedoch umstritten (Antrieb und somit zusätzliches Gewicht am Vorderrad).
Der Nabenmotor am Hinterrad ist weit verbreitet, begrenzt die Schaltungswahl aber auf Kettenschaltung oder Rahmengetriebe. Sein Handling gilt als angenehmer, da, wie bei einem gewöhnlichen Fahrrad, das Hinterrad angetrieben wird. Das hohe Gewicht im Hinterrad ist jedoch teils deutlich spürbar, wodurch sich dieser Antrieb für sportliche Räder, wie z. B. Mountainbikes, weniger gut eignet. Am häufigsten anzutreffen ist mittlerweile der Mittelmotor. Hier sitzt der Antrieb an der Tretkurbel, wo sich das Mehrgewicht am wenigsten auf die Handhabung des Rades auswirkt.

 

Ein Bosch-Mittelmotor
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

Mittelmotoren ermöglichen Naben- und Kettenschaltungen, letztere allerdings meist nur mit einem Kettenblatt. Das entspricht allerdings jüngeren Entwicklungen z. B. der US-amerikanischen Firma Sram (www.sram.com): Sie stellte in den vergangenen Jahren mehrere Antriebskonzepte mit 1×10 und 1×11 Gängen vor. Vorreiter des Prinzips Mittelmotor ist der japanische Hersteller Panasonic. Der schweizerische Hersteller Biketech AG verbaut ihn seit 2003 in seinen Flyer-Rädern; die aktuelle Kollektion ist mit der fünften Generation ausgestattet. Seit dem Produktjahr 2012 ist auch der Konzern Bosch mit einem eigenen Elektrorad-Antrieb am Markt vertreten und gewinnt stetig an Relevanz. Mit der Durchsetzung des Prinzips Mittelmotor werden marktübergreifend Elektrofahrräder als solche konzipiert, denn Mittelmotoren erfordern einen eigens entwickelten Rahmen. Frühere oder billige Antriebskonzepte brachten bzw. bringen oft einen Elektromotor in einem bestehenden Fahrrad unter, ohne die höheren Belastungen für das System zu bedenken.
Der Motor macht beim Antrieb ca. die Hälfte des Gewichts aus. Die andere Hälfte entfällt auf Akku, Verkabelung, Steuerung und etwaige Verstärkung von Rahmen und Komponenten. Der Akku ist modellabhängig entweder im Hauptdreieck des Rahmens oder im Gepäckträger verbaut, bei einigen Modellen findet er sich auch dezent in den Rahmen integriert.

 

Artenvielfalt

Keine Fahrradgattung, die nicht unter Strom steht – hier die gängigsten Konzepte und beispielhaftesten Vertreter:

Ein City-Bike
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Citybike
Stadträder sind sowohl bei Fahrrädern als auch bei E-Bikes am weitesten verbreitet. Sie bieten eine aufrechte Sitzposition, meist eine wartungsarme Nabenschaltung sowie leichten Komfort, wie Federgabel und Federsattelstütze. Zum Beispiel das kompakte Flyer „i:SY“ (ab 2.690 Euro, www.flyer.ch), Felt „VerzaE“ (ab 2.599 Euro, www.felt.de), Koga „E-Special“ (3.799 Euro, www.koga.com), Hercules „Roberta“ (ab 1.999 Euro, www.hercules-bikes.de) oder das Blue Label „Charger hybrid“ (ab 2.999 Euro, www.r-m.de/bluelabel).

 

 

 

Ein Touren-Pedelec
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Touren-Pedelec
Das elektrische Äquivalent zum Trekkingrad hat meist ein paar Gänge mehr, etwas sportlichere Ergonomie und verträgt meist einiges an Gepäck. Um mit einem Pedelec auf größere Reisen zu gehen, bedarf es eines durchdachten Akku-Managements. Spezielle E-Bike-Reiserouten bieten Austausch-Akkus an (z. B. Herzroute in der Schweiz). Vertreter dieser Art: Koga „E-Xtension“ (2.799 Euro), Riese & Müller „Delite hybrid II“ (mit Vollfederung, ab 4.299 Euro), Flyer „T-Serie“ (ab 2.290 Euro) oder Haibike „Xduro Trekking“ (ab 2.699 Euro, www.haibike.de).

 

 

 

Ein Falt-Pedelec
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Faltrad
Auch Zugpendler oder Caravan-Urlauber müssen nicht auf den Rückenwind aus der Steckdose verzichten. Für sie gibt es clevere Falträder mit E-Motor, die kostenlos in Zügen und selbst im ICE mitfahren und sich platzsparend verstauen lassen. Ein Konzept, das auch für kleine Stadtwohnungen wie geschaffen ist. (Beispiele hierfür: Hercules „E-Compact 20“, ab 1.399 Euro, oder Flyer „Faltrad Deluxe“, 2.590 Euro)

 

 

 

 

EIn Lasten-Pedelec
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Lastenrad
Sobald etwas mehr Gepäck im Spiel ist, spielt die Elektrounterstützung ihre Vorteile voll aus. Cargobike-Konzepte sind so vielfältig wie die Nutzungsprofile: von dreirädrigen Schwerlast-Rädern bis hin zu den einfacher zu steuernden Zweirädern. Bei letzteren finden sich drei Hauptbauweisen: das „Long John“-Prinzip mit der tiefen Ladefläche zwischen Lenker und Vorderrad wie beim „Load hybrid“ von Riese & Müller (ab 4.499 Euro), die klassische Postradbauweise mit zwei großen Körben über dem Vorder- und Hinterrad (z. B. Flyer „Cargo“, 3.990 Euro oder Hercules „Rob Cargo“, ab 2.799 Euro), sowie der verlängerte Hinterbau mit großem Gepäckträger wie beim Blue Label „Transporter hybrid“ (ab 2.799 Euro).

 

 

Ein Mountain-Pedelec
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Mountainbike
Selbst Sportrad-Gattungen sind durchweg elektrifiziert. Im Falle des Mountainbikes werden so unterstützte Ausflüge abseits der Straßen möglich oder bisher unerkundete Anstiege bezwingbar. Die Bandbreite reicht hier von schlichteren Touren-Bikes (z.B. Haibike „Xduro SL 26“, 2.299 Euro) über voll gefederte Allrounder wie Riese & Müllers „Delite hybrid II mountain“, (ab 3.999 Euro) oder Flyers „X-Serie“ (ab 3.790 Euro) bis hin zu Enduro-Boliden mit extra viel Federweg (Haibike „Xduro Nduro Pro“, 6.499 Euro). Erwähnenswert: Gerade bei sportlicherem Radeinsatz zeigt das ausgewogene Handling des Mittelmotors seine Vorzüge. Die genannten E-MTBs verfügen daher alle über diesen Antrieb.

 

 

Ein Rennrad-Pedelec
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Rennrad
Mit dem unter Strom gesetzten Rennrad fällt auch die letzte Bastion der Traditionalisten. Und richtig, wenn mit S-Pedelecs schon Geschwindigkeiten bis 45 km/h erreicht werden, warum dann nicht in sportlicher Position und mit Rennlenker? Freilich sind diese Räder noch selten am Markt – der Schweinfurter Hersteller Haibike hat das nach eigenen Angaben erste serienfertige 45-km/h-Rennpedelec im Programm: „Xduro Race“ heißt es, hat einen Bosch-Mittelmotor und kostet 5.999 Euro.

 

 

 

Ein Liegedreirad
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)


Liegerad

Unter den Liegerädern und Liegedreirädern finden sich ebenfalls zunehmend elektrifizierte Modelle. Oftmals ist die E-Option als Ausstattungsvariante innerhalb des Baukastensystems der Hersteller erhältlich, wie beispielsweise beim Liege-Trike „Scorpion“ der Krifteler Manufaktur HP Velotechnik (ab 5.180 Euro, www.hpvelotechnik.com). Fahrdynamisch sind diese Räder quasi für den Zusatzantrieb prädestiniert, denn das Gewichtsplus macht sich dank des tiefen Schwerpunkts des Rads kaum bemerkbar. Der Scorpion ist übrigens auch in der Version „Doppelherz“ erhältlich: Ein zweiter Akku verdoppelt hier die Reichweite. Eine noch exotischere Variante des Liegerad ist das Velomobil. Dabei handelt es sich sozusagen um ein Liegedreirad mit Verkleidung, das Radfahren praktisch unabhängig von Wettereinflüssen ermöglicht und damit in der Pedelec-Version als Pendlerfahrzeug praktisch ideal ist. Ein Beispiel hierfür ist der eOrca der niederländischen Firma „Flevobike“ (deutscher Importeur: www.fleveo.de). Auf Grund der meist in nur geringer Stückzahl und in überwiegender Handarbeit gefertigten Modelle sind die Preise recht hoch.

 

Ein Fat-Bike
Foto: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

 

Spezialräder
Sogar die Exoten der Radwelt wie das Fatbike oder das Tandem sind mit elektrischem Zusatzantrieb erhältlich. Das weltweit erste Fat-E-Bike „Lebowsk-e“ präsentierte der US-amerikanische MTB-Hersteller Felt 2013 als Prototyp auf einer Messe.  Ein Tandem mit „drittem Mann“ aus der Steckdose bietet Flyer mit dem „Tandem Deluxe“ ab 4.790 Euro an.

 

 

 

Text & Bildnachweis: Pressedienst-Fahrrad (pd-f.de)

Alexander Theis