Dr. Anja Matthies
Interview Urlaub

Radreisen: „Von Bußgeldern, korrupten Polizisten und Helmpflicht“

Lesezeit etwa 6 Minuten

Fahrradreisen im Ausland stehen hoch im Kurs. Um einen schönen und entspannten Urlaub zu erleben, sollte man sich auch als Radfahrer an die geltenden Landesgesetze halten. „Am besten immer vorher über die aktuellen Gesetze im jeweiligen Land informieren“, rät deshalb Verkehrsrechtsexpertin Dr. Anja Matthies von Bikeright, einer Online-Rechtsberatung für Fahrradfahrer.

Im Interview mit dem pressedienst-fahrrad klärt sie einige wichtige Fragen rund um das Thema Fahrradfahren im Ausland.

pd-f: Viele Radfahrer möchten im Urlaub nicht auf ihr Bike verzichten. Doch im Ausland kann es schnell zu bösen Überraschungen kommen. Sollte ich bei einem Unfall im Ausland eigentlich immer die Polizei rufen?

Dr. Anja Matthies
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Dr. Anja Matthies: Es gibt immer wieder Horrorgeschichten von korrupten 03Polizisten, die es bei Unfällen mehr auf den Geldbeutel des Betroffenen abgesehen haben, als dass sie helfen. Doch die meisten Geschichten sind auf Verständigungsprobleme zurückzuführen.

Generell gilt bei einem Unfall: Informieren Sie immer die Polizei, so sind Sie auf der sicheren Seite. Ob die Polizei dann schließlich auch kommt, ist fraglich und hat auf keinen Fall etwas mit mangelndem Respekt zu tun. In vielen Ländern wird wegen eines Bagatellschadens nicht ausgerückt. Aber wenn es Verletzte gab, eine Gefahr von Fahrerflucht besteht oder Probleme bei Versicherungsdaten auftreten, sollte auf alle Fälle auf die Anwesenheit eines Polizisten Wert gelegt werden.

Bei Verletzungen, egal welcher Art, sollte man zusätzlich ein Attest eines Arztes einholen. Außerdem rate ich dazu, immer ein Formular des Europäischen Unfallberichts dabei zu haben. Hier können die Unfallbeteiligten für die Versicherung in ihrer Landessprache den Unfallhergang schildern und auch eine Skizze des Unfalls anfertigen. Bevor diese Formalitäten abgeschlossen sind, sollte man sich auch nicht vom Unfallort entfernen.

Kann ich mich bereits im Vorfeld absichern, ähnlich einer Auslandskrankenversicherung?

Fahrradunfälle werden in der Regel über die private Haftpflichtversicherung sowie über eine private Unfallversicherung abgegolten. Diese sind bei vielen Versicherern auch im Ausland wirksam. Wenn ich diese beiden Versicherungen habe, bin ich bereits ausreichend abgesichert.

Bei Unsicherheit ist mit dem Versicherer vor Reiseantritt nochmals zu klären, ob der Versicherungsschutz auch im Ausland gilt.

Vorsicht jedoch bei E-Bikes, also Pedelecs: Bei manchen Haftpflichtversicherungen sind Fahrten mit Elektrorädern nicht mit versichert, da der Versicherungsschutz ausschließlich für „nicht selbstfahrende Fahrzeuge“ gilt. Deshalb bei E-Bike-Reisen auch vorsichtshalber den gültigen Versicherungsschutz klären und im bei Bedarf eine eigene E-Bike-Police abschließen.

Außerdem ist es immer wichtig, Notfallnummern mit dabei zu haben, z. B. auch von einem auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt, um sich schnell Hilfe zu holen.

Besteht in anderen Ländern eine Helmpflicht?

Die Meinungen hinsichtlich einer allgemeinen Radhelmpflicht gehen europa- und weltweit stark auseinander. Einheitliche Regelungen sind in Zukunft deshalb nicht zu erwarten.

Für sicherlich viele Urlauber überraschend: In Spanien gibt es die Pflicht zum Helmtragen außerhalb geschlossener Ortschaften bereits seit 1990. Allerdings auch die Ausnahme, dass bei langen Steigungen sowie hohen Temperaturen der Helm abgenommen werden darf.

In Europa haben bislang nur Finnland und Malta eine ausnahmslose Radhelmpflicht eingeführt. Auch in der Slowakei müssen Radfahrer außerhalb von Ortschaften einen Helm tragen.

Vorsicht gilt bei weltweiten Reisen: So haben die beliebten Fernreiseländer Australien, Neuseeland und Südafrika allesamt eine Helmpflicht. In den USA hängt es vom jeweiligen Bundesstaat ab.

Muss ich im Ausland eine Warnweste tragen?

Die Pflicht zum Tragen von Warnwesten ist ja bekanntlich schon bei Autofahrern verwirrend. Auch für Radfahrer gibt es unterschiedliche gesetzliche Regelungen.

In Frankreich müssen Radfahrer nachts oder bei schlechter Sicht auch tagsüber außerhalb geschlossener Ortschaften eine Warnweste tragen.

In Italien sollten die Westen bei Einbruch der Dämmerung und selbst beim Durchfahren eines Tunnels unbedingt getragen werden.

Auch in Ungarn, Litauen, Spanien, der Slowakei und Malta ist die Warnweste bei Dunkelheit oder schlechter Sicht Pflicht.

Muss ich etwas beachten, wenn ich mein Kind bei der Radtour mitnehmen möchte?

In vielen europäischen Ländern, darunter Österreich, Estland, Island, Kroatien, Litauen, Schweden, Slowenien, der Slowakei und Tschechien gilt für Kinder eine Helmpflicht. Die Altersbegrenzung ist jedoch von Land zu Land verschieden. Am besten vor Reiseantritt kontrollieren, wie die aktuellen Regelungen im jeweiligen Land sind.

Das gilt übrigens auch für das Fahren mit Kinderanhängern. In Kroatien, Spanien, Tschechien und Zypern ist momentan das Fahren mit Kinderanhänger nicht gestattet.

Aber es gibt auch noch skurrilere Regelungen:

So ist in Österreich ein Rennrad als Zugmaschine für einen Kinderanhänger gesetzlich verboten.

In Italien darf die Gesamtlänge von Fahrrad und Anhänger nicht drei Meter überschreiten – also Vorsicht bei Tandems.

Und in Luxemburg benötigen Kinderanhänger eine Erlaubnis-Vignette des Transportministeriums.

Mit welchen Strafen ist ungefähr zu rechnen, wenn man sich nicht an die landestypischen Regeln hält?

Die Bußgelder sind von Land zu Land deutlich unterschiedlich geregelt. In Spanien können beim Fahren ohne Helm Bußgelder von bis zu 90 Euro drohen, in Schweden sind es 30 Euro.

Hat ein Vergehen Auswirkungen auf meinen Führerschein in Deutschland?

Die normalen Bußgelder haben keine Auswirkungen.

Heikel wird es jedoch beim Radfahren unter Alkoholeinfluss. Während in Deutschland bekanntlich die Promillegrenze für Radfahrer bei 1,6 liegt, greifen andere Länder bereits früher durch. In Tschechien gilt sogar eine 0,0-Grenze, in Frankreich, Italien, der Schweiz und den Niederlanden liegt sie bei 0,5 Promille und in Österreich bei 0,8.

Grobe Verstöße gegen diese Regelungen können auch rechtliche Folgen für den Führerschein in Deutschland nach sich ziehen.

E-Bikes werden auch als Reiseräder immer beliebter. Gibt es Unterschiede bei der rechtlichen Einordnung von E-Bikes zwischen den einzelnen EU-Ländern?

Bei der Gruppe der Pedelecs, also bei Motorunterstützung bis 25 km/h, gibt es keine gravierenden Unterschiede. Diese Räder werden europaweit als Fahrräder eingestuft.

Anders ist die Lage hingegen bei S-Pedelecs, die bis 45 km/h unterstützen. In Italien, Frankreich und Österreich beispielsweise ist das Tragen eines Motorradhelmes für diese Kleinkrafträder verpflichtend.

Gerade in Italien wird eine Einhaltung stark kontrolliert. Als Buße ist z. B. auch eine Beschlagnahme des S-Pedelecs von bis zu 60 Tagen möglich. Also Vorsicht und auch hier nochmals im Vorfeld informieren.

Eine beliebte Form der Radreise ist der Alpencross mit dem Mountainbike. Was gilt es hier zu beachten?

Allein wenn man eine beliebte Alpenüberquerung von München zum Gardasee plant, gibt es diverse unterschiedliche Regelungen.

In Österreich bedarf es immer der Zustimmung des haftenden Grundeigentümers, andernfalls ist das Befahren von Forstwegen verboten und kann sogar mit einem Gefängnisaufenthalt bestraft werden. Einzig in Tirol gibt es Sonderregelungen in den Touristenregionen. Im Trentino sind manche Trail-Passagen für Mountainbiker gesperrt, während es in Südtirol keine Extra-Regelungen gibt.

Um Nationalparks sollten Mountainbiker in allen Alpenregionen generell einen Bogen machen.

[Text & Foto: PD-F]

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Alexander Theis
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