Zwei Radfahrer machen eine Vollbremsung
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Sicherheitstraining für Pedelec-Fahrer?

Lesezeit etwa 7 Minuten

[at] Fahrradfahren kann doch jeder, für was braucht man dann ein Sicherheitstraining?

Wie für jeden anderen Radler auch, gelten für E-Biker die Regeln der Physik und der Straßenverkehrsordnung. Wer letztere beachtet und erstere nutzt, wird mit dem Pedelec im wahrsten Sinne des Wortes viel Freude erfahren. Ein Sicherheitstraining vermittelt ein paar grundlegende Fahrtechnik-Tipps fürs Radeln mit Rückenwind aus der Steckdose.

Der Einstieg

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Ein Blick in die Bedienungsanleitung ist oft sehr nützlich.

 

Wie bei allen technischen Geräten steht auch vor der Inbetriebnahme eines E-Bikes das genaues Studium der Betriebsanleitung. Im Fahrbetrieb verhält sich das Elektrorad ähnlich dem klassischen Velo gleicher Radgattung, nur kommt der Schub hinzu. An diesen Effekt gewöhnt man sich schnell, am besten beginnt man mit den niedrigen Unterstützungsstufen in einem verkehrsberuhigten Umfeld. „Die Unterschiede zwischen den Motoren, Modellen und Einstellungen können frappierend sein“, erklärt Anke Namendorf vom niederländischen Hersteller Koga.

 

Vorausschauendes Fahren

Frau auf einem roten Rad vonRiese und Müller.
Vorausschauendes Fahren ist für Radler meist selbstversändlich.

Umsicht ist das A und O bei der Teilnahme im Straßenverkehr. Gerade der E-Bike-Fahrer tut gut daran, Situationen schnell einzuschätzen, um adäquat reagieren zu können. Denn andere Verkehrsteilnehmer assoziieren mit dem Anblick eines Radlers keine hohen Geschwindigkeiten. Das fällt etwa in Vorfahrtsituationen ins Gewicht – ein wartepflichtiger Autofahrer, der sich vor einem normal schnellen Radfahrer noch ganz gut einfädeln könnte, verschätzt sich beim E-Biker möglicherweise. „Für andere Verkehrsteilnehmer mitzudenken – ein Job, den Radfahrer ohnehin dauernd übernehmen – ist auch dem E-Bike-Piloten angeraten, vor allem wenn er ein S-Pedelec jenseits der 30 Stundenkilometer bewegt“, gibt Tobias Spindler vom Anbieter Riese & Müller zu bedenken.
Übersetzt man diesen Sachverhalt in Fahrtechnik, so ergibt sich folgende Grundregel: Die Blickrichtung entscheidet, wohin wir fahren und lässt uns Fahrsituationen entsprechend einschätzen. „Wer den Kopf vom Vorderrad löst und voraus schaut, fährt sicherer“, verdeutlicht Jan Zander, Betreiber der Mountainbike-Schule Trailtech. Für eine Kurvenfahrt bedeutet das: „Man dreht Kopf und Oberkörper aktiv in die Kurvenrichtung und schaut frühzeitig aus der Kurve hinaus. So meistert man übrigens auch enge Kurven“, weiß der Fahrtechnik-Profi.

Richtig bremsen

Zwei Radfahrer machen eine Vollbremsung.
Zwar spektakulär aber selten souverän: Ein steigendes Hinterrad beim Bremsen

Höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten und das Mehrgewicht von Motor und Antrieb verlangen eine stetige Bremsbereitschaft und eine saubere Technik bei einer Vollbremsung. Um ein Gefühl für das Bremsverhalten des Zweirads zu bekommen, hilft zunächst ein bewusstes Blockieren des Hinterrads. „Nur wer weiß, wie sich ein ausbrechendes Hinterrad anfühlt, lernt es zu beherrschen. Bricht das Hinterrad zu stark aus, einfach kurz die Bremse lösen und das Rad zieht wieder in seine gewohnte Bahn“, so Zander.
Einen möglichst kurzen Bremsweg erreicht man aber erst durch den Einsatz von Vorderrad- und Hinterradbremse. Im Vorfeld muss sich der Fahrer im Klaren darüber sein, welcher Hebel welche Bremse betätigt. Die größte Verzögerungskraft baut übrigens die Vorderradbremse auf, bei falscher Dosierung wirft sie einen aber auch aus dem Sattel. Ein blockierendes Vorderrad ist also tunlichst zu vermeiden. Hier gilt es, sich an die optimale Dosierung durch mehrfaches Üben heranzutasten. Im Idealfall baut man mit der Vorderradbremse dann zwei Drittel der gesamten Bremskraft auf. „Doch nicht nur die Armkraft, auch der Untergrund entscheidet über das Verhalten des Vorderrads. Auf glatten Untergründen wie Schnee oder Schotter sollte die Vorderradbremse behutsamer eingesetzt werden“, rät der Fahrtechniklehrer.

Ein Radfahrer macht eine Vollbremsung, vom Trainer angeleitet
So geht’s richtig und sicher: Instruktor Jan Zander und Alexander Theis

Die ideale Körperhaltung bei einer Vollbremsung beschreibt Zander wie folgt: „Man verlässt den Sattel und bringt den Körperschwerpunkt etwas hinter den Sattel. Arme und Beine sind dabei fast gestreckt und stützen sich gegen Pedal und Lenker. Die Arme nie komplett durchstrecken, so hat man weiterhin Spielraum für kleinere Lenkbewegungen.“ Übrigens: Gebremst wird jeweils mit zwei Fingern an den Bremsen. Moderne starke Scheibenbremsen erlauben auch einen Finger.

Gleichgewicht schulen

Ein Masnn steht auf dem Rad,während der Trainer das Rad hält.
Stehversuch: Der Sinn für’s Gleichgewicht ist wichtig.

Langsame Fahrten gehören auch für E-Biker zur Tagesordnung im Straßenverkehr und werden nicht selten zur Wackelpartie. Spurtreues Fahren bei langsamen Geschwindigkeiten lässt sich aber üben, etwa auf einem leicht abschüssigen Weg, auf dem man seine Geschwindigkeit immer weiter verringert. Droht man zu kippen, stabilisiert ein leichter Tritt ins Pedal und das Spiel beginnt von vorn. „Wer dabei aus dem Sattel geht und den Körperschwerpunkt leicht in Richtung Vorbau bringt, ist klar im Vorteil“, erläutert Technik-Coach Zander.
„Gehört das neue Pedelec zur Radgattung der zweirädrigen Liegeräder, braucht es etwas mehr Übung, um ein Gefühl fürs Gleichgewicht bei langsamer Fahrt zu bekommen. Ganz einfach wird das beim Liegedreirad. Dieser Radtyp ist bei hohem und niedrigem Tempo absolut kippstabil“, erklärt Paul Hollants von HP Velotechnik. Das macht diese Gattung übrigens gerade bei umfangreicher Zuladung zum sichersten Reiserad.

Bordsteinkanten meistern

Foto zweier Räder, eines im spitzen, eines im stumpfel Winkel zu einem Bordstein
Früher völlig normal, mit den gefederten Rädern von heute leider etwas in Vergessenheit geraten: Vorderrad entlasten beim Überfahren von Borsteinen

Wer Handgelenk- und Vorderrad-schonend kleinere Hindernisse überwinden will, dem rät Jan Zander zum bewussten Entlasten des Vorderrades. Einmal verinnerlicht, hilft diese Technik, die häufigsten Tücken des Alltags wie Bordsteinkanten und Schlaglöcher zu überwinden.
Der Bewegungsablauf ist leicht beschrieben, bedarf aber einer gewissen Routine: „Ein guter Anfang wäre, eine niedrige Bordsteinkante oder ein Stöckchen auf dem Übungsplatz mit dem Vorderrad zu überwinden. Dafür fährt man unbedingt im Stehen und mit waagerechter Kurbelstellung auf das Hindernis zu. Arme und Beine sind leicht angewinkelt. Kurz vor der Kante beugt man die Arme stark ein, bringt den Oberkörper in Richtung Lenker (Liegestützposition), um dann impulsartig das Körpergewicht nach hinten oben zu verlagern. Die Arme sind nun gestreckt, das Vorderrad wird entlastet und setzt behutsam hinter dem Hindernis auf“, erklärt Zander. Wichtig: Reißt man zu stark am Lenker und droht nach hinten über zu kippen, reicht ein beherzter Zug am Hebel der Hinterradbremse und schon sinkt das Vorderrad zu Boden. Daher gehört nicht nur bei dieser Technik mindestens ein Finger an der Bremse. Generell gilt: Bordsteinkanten am Besten im rechten Winkel anfahren. Sollte die Technik nämlich nicht gelingen, verhindert man ein Wegrutschen – und auch der Reifen wird es danken.

[Text & Fotos: pd-f/td]

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Alexander Theis

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