Versicherungskennzeichen an einem S-Pedelec
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EU-Kommission: Versicherungspflicht auch fürs Pedelec!

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[at] Die Europäische Kommission hat kürzlich einen Vorschlag zur Änderung der Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie (MID) veröffentlicht. Danach soll zukünftig auch für Pedelecs eine Haftplichtversicherung vorgeschrieben sein.

Versicherungskennzeichen am S-Pedelec
Versicherungskennzeichen am S-Pedelec

Bisher gelten, beispielsweise in Deutschland, Pedelecs als Fahrräder, weil der Antrieb bis 250 Watt Leistung nur beim Treten aktiviert wird und ab einer Geschwindigkeit von mehr als 25 km/h nicht mehr unterstützt. Im Unterschied dazu gelten S-Pedelecs , da u.a. deren Motor bis 45 km/h unterstützt, bereits jetzt schon als Kraftfahrzeuge und unterliegen demnach einer Versicherungspflicht.

Hingegen sind Schäden, die bei der Nutzung von Pedelecs entstehen in der Regel über die Privathaftpflicht abgedeckt – so denn eine existiert.

Im Rahmen der Novellierung der Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie wurde nun, einer Meldung der European Cyclists Federation (ECF) zur Folge, von der EU-Kommission vorgeschlagen, auch eine Versicherungspflicht für Pedelecs einzuführen. Der ECF spricht davon, dass die EU-Kommission versuche „ Millionen von gegenwärtigen Fahrradfahrern zu kriminalisieren, von denen fast alle eine andere Versicherung haben“.

Das Ende des Pedelecs in Europa…?

Was auf den ersten Blick wie ein beeindruckender Sieg der Versicherungslobby aussieht, ist es auf den zweiten Blick irgendwie immer noch. Vor allem wenn man sich die Zahl von geschätzten 4 Millionen Pedelecs in Deutschland ansieht: Würde für alle tatsächlich eine Haftpflichtversicherung eingeführt, würde das wohl zu erheblichen Mehreinnahmen der Versicherer führen. Und das vermutlich ohne besonders viel Mehraufwand und damit Kosten: Durch die Versicherungspflicht beim S-Pedelec exsitieren die entsprechenden Abläufe bereits heute schon. 

„Wenn der […] Vorschlag ein Gesetz wird, ist eine Haftpflichtversicherung erforderlich, die Millionen europäischer Bürger davon abhält, Pedelecs zu nutzen, die Bemühungen und Investitionen mehrerer Mitgliedstaaten und der Europäischen Union zur Förderung nachhaltiger Mobilität [werden damit] untergraben“, so Adam Bodor, Advocacy Director der European Cyclists Federation. 

Durch die steigenden Anzahl von Pedelecs im Straßenverkehr steigt logischerweise die Anzahl der Unfälle, bei denen Pedelecs beteiligt sind. Inwiefern die Pedelecfahrerinnen und -fahrer an den Unfällen eine Schuld trifft, darüber kann man trefflich streiten, wirklich belastbare Zahlen liegen da meines Wissens noch nicht vor. Wenn jetzt grundsätzlich mehr Schäden auftreten, an den Pedelecs beteiligt sind, steigen in der Folge natürlich auch die Ausgaben für die Schadensregulierung der Privathaftpflichtversicherung. Und das bringt möglicherweise die Kalkulation der Privathaftpflichtarife durcheinander – so denn eine Privathaftpflicht von Fahrerin oder Fahrer existiert.

Und genau das ist es: Die KFZ-Haftpflichtversicherungs Richtlinine der EU bezieht sich vor allem auf den grenzüberschreitenden Verkehr, wie man hier in englischer Sprache nachlesen kann. In Deutschland mag eine Privathaftpflicht sehr weit verbreitet sein (obwohl auch ich einige Zeitgenossen kenne, die darauf verzichten), doch im europäischen Ausland ist das möglicherweise nicht so. Insofern würde eine Haftpflichtversicherung auch für Pedelecs zumindest den gröbsten finanziellen Schaden im Falle einer (Teil-)Schuld bei einem Unfall im Ausland beseitigen.

Die Versicherungsprämien für S-Pedelecs bewegen sich derzeit meist um 100€ pro Jahr. Gemessen an den Anschaffungskosten eines Pedelecs und den Versicherungskosten einen PKW fallen diese 100€ im Jahr meiner Meinung nach nicht unbedingt ins Gewicht. Die Kostenseite dürfte, zumindest in Deutschland, den Pedelec-Boom also vermutlich nicht abwürgen.

Vielleicht!

Gemeinsam mit der Straßenverkehrsordnung in Deutschland in der jetzigen Form könnte eine Haftpflichtversicherung von Pedelecs aber möglicherweise sehr wohl das Ende des Pedelec-Booms herbeiführen. Wie das?

Ein Kraftfahrzeug, grob vereinfachend gesagt also alles was ein Nummernschild hat, hat in der Regel weder auf einem Radweg noch auf einem Wald- oder Feldweg etwas verloren! Und genau das würde das Pedelec als Verkehsmittel unattraktiv machen, wie man an der vergleichsweisen geringen Anzahl (versicherter) S-Pedeles sieht, die in Deutschland unterwegs sind.

Würde man also an den Regelungen der Straßenverkehrsordnung nichts ändern müssten alle Pedelecs  vom Radweg auf die Straße. Und genau das könnte dem Pedelec die Chance nehmen, nicht nur, aber vor allem im städtischen Raum, die Verkehrswende herbeizuführen. Denn mehr Pedelecs auf Straßen würden vermutlich zu höheren Unfallzahlen führen, diese wiederum zu steigenden Versicherungsprämien und das dann möglicherweise tatsächlich zum Ende des Pedelecs.

An die Möglichkeit, dass die Politik eingreift und (S-)Pedelecs wie nach Schweizer Vorbild ebenfalls Radwege benutzen dürfen, glaube ich persönlich nicht. Eher wahrscheinlich ist, das die nicht zu leugnenden Vorteile von Pedelecs für Umwelt und Natur sowie auch für die Lebensqualität der Menschen auf dem Altar der Interessen der Versicherungswirtschaft geopfert werden.

Gute Gründe dafür und dagegen

Es gibt gut Gründe für eine Versicherungspflicht aber auch gute Gründe gegen eine solche. ECF sowie Partner aus der Fahrrad- und Pedelec-Branche haben die EU-Kommission aufgefordert, eine klare Linie zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Fahrrad mit Elektroantrieb zu setzen, andere europäische und nationale Rechtsvorschriften zu befolgen und die Pedelec-Nutzer nicht zu verpflichten eine Versicherung abzuschließen. Außerdem will die ECF das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten dazu auffordern, dem Vorschlag der nicht zu folgen.

Hier steht das Positionspapier des ECF in englischer Sprache zum Download zur Verfügung.

Sollte eine Versicherungspflicht tatsächlich kommen, immerhin handelt es sich um einen „Vorschlag zur Änderung der Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie“, darf diese meiner Meinung nach auf keinen Fall dazu führen, dass Pedelecs zukünftig von allen Radwegen verbannt werden. Um das zu verhindern könnte ein möglicher Kompromiss die Ausgabe eines Versicherungsaufklebers statt eines Kennzeichens sein.

[Foto: PD-F]

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Alexander Theis
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