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Das Besondere Über'n Tellerrand

Fahrbericht eROCKIT: Termin bei seiner Eiligkeit

Lesezeit etwa 12 Minuten

[at] Das Elektromotorrad eROCKIT war erstmals in Frankfurt für Probefahrten zu Gast. Eine Möglichkeit, die ich mir natürlich nicht habe entgehen lassen. Ein Fahrbericht.

Rückblick: Im Jahr 2009 las ich das erste Mal in der „Motorrad“ etwas vom eRockit. Zu einer Zeit, da Pedelecs nur Rentnern vorbehalten schienen und bei weitem noch nicht so verbreitet waren wie heute, erschien ein Elektromotorrad fast wie vom anderen Stern. Vermutlich auch angesichts des exorbitanten Preises von fast 29.000€ blieb das Bike ein Exot. Was wohl auch erklärt, warum ich es damals aus den Augen verlor.

Gegenwart: Vor ein paar Wochen stieß ich dann wieder auf das eRockit. Andreas Zurwehme ist nun Geschäftsführer der eROCKIT Systems GmbH, die mit einem Team von internationalen Zweirad-Experten in Hennigsdorf bei Berlin produziert. Obwohl das Grundkonzept gleich blieb ist der technische Fortschritt „hinter den Kulissen“ erheblich, beispielsweise beim Akku: Statt 2,9 kWh im Jahr 2009 sind nun 6,6 kWh an Bord.


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Bisher mussten Interessenten nach Berlin reisen, um das eRockit einmal zu fahren, jetzt war eROCKIT zwei Tage zu Gast in Frankfurt am Main. In der Klassikstadt hatten viele Zweiradbegeisterte die exklusive Gelegenheit, das aktuelle Modell des pedalgesteuerten Elektromotorrades eROCKIT bei Probefahrten zu erleben. Eine Gelegenheit, die ich mir natürlich nicht habe entgehen lassen.

„Wir alle können seit unserer Kindheit Fahrrad fahren. Das macht die Bedienung des eROCKIT überraschend einfach. Umso sensationeller ist das Erlebnis durch die enorme Power unseres E-Motorrades“ erklärt Andreas Zurwehme. Nun, ich bin gespannt.

Das Design 

erockit-rechte-seiteSonniges Wetter und trockene Straßen, also ideales Wetter für eine Probefahrt. Zumindest für mich, denn am Vormittag hatte es noch geregnet.

Die Location für die Präsentation könnte besser nicht gewählt sein: Die Klassikstadt in Frankfurt bildet mit der gründerzeitlichen Backsteinfassade einen grandiosen Kontrast zu dem, was hier rundherum passiert. Doch obwohl hier flache Sportwagen vom Schlage einer Alpine oder (überraschend vielen) McLaren herumstehen, stehen die drei eRockits mit ihren goldeloxierten Upside-Down-Gabeln im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. 

Während Andreas Zurwehme Fragen anderer Interessenten beantwortet schaue ich mir in Ruhe eines der Bikes an. So, wie das technische Konzept hinter dem eRockit gleich blieb, hat man auch am Design die Grundzüge belassen:

erockit-gabelVorn Vorne wirkt es fast eine Supermoto während es zum Heck hin eher wie ein Bobber wirkt. Dazwischen wird das Design vom tiefschwarzen, durch die Verkleidung fast monolithisch wirkenden Akku dominiert. Wobei sich vermutlich noch einige andere Nebenaggregate unter der Abdeckung verbergen. 

Vom stabil wirkenden Steuerkopf zieht sich ein voluminöses Rundrohr, das mich sehr an klassische Egli-Zentralrohr-Rahmen erinnert, in einem Bogen bis zum mächtigen E-Antrieb. Im Gegensatz zu Egli-Rahmen gabelt sich unterhalb des Steuerkopfs der Rahmen des eRockit,  nimmt in Höhe des Vorderrades ein zylinderförmiges Gehäuse auf und umfasst schließlich den E-Antrieb von unten. Diese luftgekühlte E-Maschine treibt über einen Riemen das Hinterrad an. Direkt oberhalb des Elektromotors ist der Controller in einem Kasten angebracht und dient auch als Nummernschildhalter. 

erockit-schwingeDas Vorderrad wird von der schon angesprochenen, edel schimmernden Upside-Down Gabel geführt, das Hinterrad von einer rustikal anmutenden Kastenschwinge, die sich über ein unten liegendes Federbein abstützt. Das Design spielt mit runden und eckigen Formen, wobei der E-Antrieb beide Elemente optisch teilt und damit fast zwangsläufig die Blicke auf sich zieht.

Ebenso als Blickfänger funktionieren die Pedale. Natürlich, da sie an einem Gefährt mit der Formensprache eines Motorrads deplatziert wirken. Aber auch weil von den Pedalen ein Antriebsriemen nach vorne verläuft, statt wie erwartet nach hinten: Er verschwindet im zylinderförmigen Rahmenteil, in dem die Motorkraft gesteuert wird.

Die Ergonomie

Bisher wirkte jedes Foto eines fahrenden eRockits für mich, als würde der berühmte Affe auf dem Schleifstein sitzen. Die Pedale erscheinen viel zu hoch angebracht und erinnern mich sehr an die Mofas Zündapp Hai oder Hercules Prima GT. 

Doch während bei den beiden Mofas die Pedale praktisch nur der Form halber angebracht waren, haben sie beim eRockit eine zentrale, wichtige Bedeutung: Denn ohne Pedalieren tut sich beim eRockit nichts.

Also nehme ich mal Platz auf dem bequem aussehenden, ausladenden Sattel. Bei 179 cm Körpergröße komme ich mit den Füßen noch gut auf den Boden, die 120 kg Gewicht des eRockit lassen sich so gut halten. Die Sitzposition ist aufrecht, vermittelt viel Überblick. Wie von selbst fallen meine Hände auf den angenehm gekröpften Lenker. Das sieht alles aus wie bei einem Motorrad: Zwei Hebel, zwei Spiegel, ein ansehnliches Display, solide wirkende Lenkerarmaturen.

„Das sind OEM-Teile, die so auch von Harley-Davidson verwendet werden.“ erläutert Zurwehme grinsend. Was die gute Optik und Haptik erklärt und die Bedienung des Bikes angenehm vereinfacht. Der einzige Schalter mit bisher unbekannter Funktion findet sich am rechten Lenker: „Mit dem werden die drei Antriebsmodi ‚Eco‘, ‚Normal‘ und ‚Sport‘ gewechselt. Fang am besten mal mit ’normal‘ an.“ rät Zurwehme.

Die Probefahrt

Also los. Das Pedal setzt dem Fuß beim Losfahren keinerlei Widerstand entgegen, das irritiert mich zunächst. Als Radler ist man es immerhin gewohnt kraftvoll anzutreten, wenn es schwungvoll losgehen soll. Also trete ich instinktiv etwas kräftiger, was sofort deutlichen Vorschub auslöst.

erockit-armaturenAuf den nächsten paar dutzend Metern gewöhne ich mich an die Art, wie beim eRockit der Schub gesteuert wird, nämlich per Pedaldruck, der mit zunehmender Geschwindigkeit merklich höher wird. Das klappt tatsächlich intuitiv, den Gasgriff rechts vermisse ich trotz Blick auf motorradartige Instrumente und Armaturen von Beginn an nicht.

Merkwürdigerweise irritiert mich auch nicht, dass der Hebel am linken Lenkerende nicht die Kupplung, sondern die hintere Bremse betätigt. Die Wirkung dieser, als auch die des Pendants vorne, ist gut dosierbar, der lange Radstand und die Belastung des Hecks durch den weit hinten angebrachten Sattel ermöglichen das wirksame Ankern achtern. Auch hier zeigt sich der Fortschritt seit 2009, als „Motorrad“ attestierte das „hohe Handkraft mit mäßiger Wirkung“ verknüpft sei.

Seit Wochen beschäftigt mich schon die Frage, wie mit dem eRockit das Fahren am Lenkanschlag klappt. Jetzt kann ich es endlich ausprobieren und es klappt überraschenderweise sehr gut! Die Dosierung des Vorschubs mittels Pedaldruck und mit dosiertem Bremsen hinten ist das kein großes Problem.

Bei größer werdendem Radius und steigender Geschwindigkeit wird auch klar, warum die Pedale so hoch montiert sind: Die dadurch erzielte Bodenfreiheit ermöglicht auch bei Kurvenfahrt das Pedalieren. Was besonders bei langen Kurven bergauf ja auch nötig ist. Zur Erinnerung: Ohne Pedalieren kein Vortrieb.

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Der e-Antrieb des eRockit. Unten rechts sieht man das liegende Federbein.

Jetzt fühle ich mich reif für den Verkehr da draußen und verlasse den Hof der „Klassikstadt“. Die erste Übung „Einfädeln in den fließenden Verkehr meistere ich eher vorsichtig, noch kann ich den Schub des in der Spitze 16 kW (rund 22 PS!) starken Motors nicht richtig einschätzen und lasse lieber eine große Lücke.

Es ist nicht all zuviel los und ich trete auf gerade Strecke mal kräftig rein… wow! Das eRockit macht seinem Namen Ehre und katapultiert mich förmlich nach vorne! Das macht richtig Laune und zieht die Mundwinkel nach oben!

Nüchtern betrachtet ist es eine Eigenschaft des Elektromotors, der ab der ersten Umdrehung bereits das volle Drehmoment bereitstellt. Im Gegensatz zum Verbrenner, der erst bei steigender Drehzahl mehr Leistung zur Verfügung stellt. Ein weiterer Vorteil: Der Schub erfolgt ohne Rühren im Getriebe und fast lautlos! 

Der Autofahrer vor mir schaut in den Spiegel, spielt mit dem Gas. Nun, ich spiele mit und bleibe dran. An der nächsten Ampel geht die Scheibe runter. „Cool, das Bike hast du prima getunt!“


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Da liegt er aber falsch, denn das hier geht mit rechten Dingen zu: Das eRockit zählt als Leichtkraftrad. Zum Fahren benötigt man den entsprechenden Führerschein. Seit Beginn des Jahres 2020 ist es auch für Pkw-Führerscheininhaber (Klasse B) in Deutschland möglich, das eROCKIT zu fahren. Voraussetzung sind 9 Doppelstunden in einer Fahrschule (Theorie und Praxis), ein Mindestalter von 25 Jahren und 5 Jahre Fahrerfahrung mit dem Auto. 

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Alle wichtigen Anzeigen gut im Blick: Cockpit des eRockit

Ich biege links ab, nach ein paar Metern kommt ein Auto aus einer Einfahrt und – hält an! Gewohnt, als Pedelecfahrer unterschätzt zu werden bin ich erstaunt. Offensichtlich deutet die Silhouette des eRockit eher auf Motorrad statt Fahrrad – vielleicht liegt es auch am Integralhelm und der Schutzkleidung. Ob beides bei sommerlicher Hitze auf Dauer praktikabel ist müsste man mal herausfinden. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 89 km/h würde ich ungern ohne Schutzkleidung fahren. 

Mittlerweile bin ich auf einer Ausfallstraße gelandet, die zulässige Geschwindigkeit beträgt hier 70 km/h. Mit einem Tipp auf den Schalter am rechten Lenker wechsele ich zum Sportmodus und trete mal kräftig rein.  Meine Güte, diesen Schub muss man erlebt haben! Sagenhaft und höchst beeindruckend! Meine Mundwinkel ziehen sich jetzt fast von Ohr zu Ohr. Das bei ständigem Ausnutzen dieser Leistung die angegebene Reichweite von 120 km nicht erreicht wird, wird niemanden ernsthaft überraschen. Die Ladedauer wird mit 3 Stunden (von 20% bis 80%) bzw. 5 Stunden (0% bis 100%) angegeben. Wenn man im Büro laden kann und die Strecke nicht zu lang ist, verspricht das viel Spaß.

erockit-radialer-bremssattelDie Bremsen (vorne: 300 mm Bremsscheibe mit radial montiertem 4-Kolben Bremssattel, hinten 220 mm Bremsscheibe mit 2-Kolben Bremssattel. jeweils Stahlflexleitungen) bieten dem Vortrieb bei Bedarf vertrauenserweckenden Einhalt. Auf der überwiegend geraden Strecke der Testfahrt, verbunden mit den warmen Temperaturen sind die aufgezogenen Heidenau K80 Reifen (vorne 80/80, hinten 100/90 auf 17 Zoll Felgen)  nicht in Verlegenheit zu bringen. Sehr praktisches Detail: Beim Prüfen des richtigen Drucks sind die abgewinkelten Ventile sehr nützlich.

Auf dem Rückweg stehe ich alleine auf gerader Strecke an einer roten Ampel. Ideal um die Beschleunigung des eRockit mal anzutesten. Rot, orange, grün – ich kurbele los wie ein Irrer – und es tut sich erstmal wenig. Ich trete einige Momente ohne Widerstand bis der Controller merkt, dass Vorschub gewünscht ist. Nach diesen gefühlten drei, vier „Gedenksekunden“ geht es dann aber ab wie von der Sehne geschnellt. „Ja, das haben wir erkannt. An diesem Verhalten arbeitet unser Softwareentwickler aktuell noch. “ erzählt mir Andreas Zurwehme als ich wieder zurück bin. 

„Und wie war’s?“

erockit-mit-atwill er auch noch wissen -braucht es aber eigentlich nicht zu fragen, denn meine Mundwinkel sind immer noch oben.

Das eRockit macht unglaublich viel Laune! Es ist weder Fahrrad bzw. E-Bike noch (e-)Motorrad, sondern irgendwie eine eigene Gattung. Die lautlose Beschleunigung und die Geschwindigkeit, verbunden mit dem Gefühl des Pedalierens üben einen enormen Reiz aus. Die Ergonomie passt, die hoch montierten Pedale stören beim Fahren nicht. Das Bike ist überaus handlich, lässt sich spielerisch abklappen. Wie es sich in größerer Schräglage und bei längeren Kurven verhält konnte ich leider nicht testen. Der Fahrkomfort geht auch in Ordnung, zumindest auf den recht guten Straßen auf denen ich ((zu) kurz unterwegs war.

 

Während die Optik nicht jedermanns/frau Sache ist, beim Thema „Antrieb“ waren sich alle Probefahrenden in ihrer Begeisterung einig und viele wollten gleich einen Kaufvertrag unterschreiben. Das eRockit ist mit 11.850€ (Stand 07/2020) derzeit eines der günstigsten Elektromotorräder „Made in Germany“. Das aktuelle Modell wird in einer limitierten Sonderedition ausgeliefert. Im Leasing wird das eROCKIT bereits ab 99€, über eine Finanzierung ab 190€ angeboten. 

 

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Weitere Informationen

Nähere Infos gibt es unter www.erockit.de

[Text & Fotos: VeloStrom]

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Kommentar: 11.850€ sind viel Geld. Es wird aber auch viel geboten. Das eRockit ist wohl eines der faszinierendsten Fahrzeuge der E-Mobilität. Wie es sich im Spagat „Schutzkleidung contra Schwitzen“ beim Pedalieren verhält würde ich gerne mal bei einem längeren Test herausfinden.

Alexander Theis