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Ratgeber Test & Technik

Longtail-Lastenräder: Wichtiges zur Sicherheit

Lesezeit etwa 7 Minuten

Ernst Brust über Longtail-Lastenräder – Konstruktion, Sicherheit und Worst-Case-Betrachtungen.

Porträt Ernst Brust
Ernst Brust

Ernst Brust, Gründer der velotech GmbH, initiierte bereits vor vielen Jahren als Obmann die Normungsarbeit für die Transport- und Lastenfahrradnorm.

Er hat aktiv an der Ausarbeitung der Norm mitgewirkt und sein Expertenwissen in Hinblick auf die Produktsicherheit einfließen lassen.

In diesem Artikel beschäftigt sich der anerkannte Experte mit den Longtail-Lastenrädern. Vertreter dieser Radgattung sind beispielsweise das VELLO SUB, das Tern GSD oder das ELOPS R500E von Decathlon oder das

Was sind Longtail-Lastenräder?

Longtail-Lastenräder sind eine vielseitige und effiziente Transportlösung, die besonders in urbanen Gebieten an Beliebtheit gewonnen hat. Sie zeichnen sich durch einen verlängerten Rahmen und eine hohe Tragfähigkeit aus, die sie ideal für den Transport von Lasten und Passagieren machen.


Test Cargobike Tern GSD

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Zwei Wasserkästen auf dem Tern GSD? Geht!

Um jedoch die Sicherheit und Funktionalität dieser Fahrräder zu gewährleisten, müssen neben einer durchdachten Konstruktion auch strenge Sicherheitsstandards eingehalten werden. Dazu zählen die Einhaltung der Normen DIN 79010 und DIN EN 17860 sowie die Prüfung des gesamten Fahrzeugs, um das Zusammenspiel aller verbauten Komponenten zu gewährleisten.

Dieser Bericht behandelt die Konstruktion, Sicherheitsanforderungen, dynamische Instabilitäten und Worst-Case-Betrachtungen.

Konstruktion und Krafteinwirkungen

Die Konstruktion von Longtail-Lastenrädern unterscheidet sich von herkömmlichen Fahrrädern durch den verlängerten Rahmen und den verstärkten hinteren Gepäckträger, der für den Transport schwerer Lasten oder Passagiere ausgelegt ist.

Verlängerter Rahmen und Gepäckträger

Der verlängerte Rahmen bietet Platz für mehrere Passagiere oder sperrige Lasten. Durch die Verlängerung des hinteren Rahmenteils entsteht jedoch eine verstärkte Hebelwirkung, die zu einem erhöhten Kippverhalten führen kann. Um dieses Risiko zu minimieren, muss der Rahmen robust und stabil konstruiert sein.

Hebelwirkung und Krafteinleitung

Die Platzierung von Lasten am hinteren Ende des Gepäckträgers verstärkt die Hebelwirkung. Dies erhöht die Belastung auf das hintere Ende des Fahrrads, insbesondere auf unebenem oder abschüssigem Gelände. Ein stabiler Rahmen und ein stark konstruierter Ständer sind unerlässlich, um die entstehenden Kräfte zu kompensieren und die Stabilität zu gewährleisten.

Sicherheitsaspekte und Normen

Die Sicherheit eines Longtail-Lastenrads wird durch verschiedene Normen gewährleistet. Besonders wichtig sind hierbei die Normen DIN 79010 und DIN EN 17860, die spezifische Anforderungen an die Sicherheit und Belastbarkeit von Lastenrädern stellen.

DIN 79010 – Anforderungen an Lastenräder

Diese Norm legt Mindestanforderungen an die Rahmenfestigkeit, Bremskraft, Standsicherheit und Lenkungsstabilität von Lastenrädern fest. Sie behandelt auch die Anforderungen an die Belastbarkeit und die sichere Konstruktion der Gepäckträger.

DIN EN 17860 – Lastenfahrräder

Die DIN EN 17860 regelt zusätzliche Sicherheits- und Leistungsanforderungen, insbesondere in Bezug auf die maximale Traglast, die Stabilität des Rahmens und das Verhalten unter Belastung. Sie ergänzt die Anforderungen der DIN 79010 und stellt sicher, dass das Fahrrad auch bei maximaler Beladung sicher bleibt.

Prüfung des gesamten Fahrzeugs

Eine umfassende Prüfung des gesamten Fahrzeugs ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle Komponenten – wie Rahmen, Gepäckträger, Bremsen, Ständer und Lenkung – optimal zusammenarbeiten. Diese Prüfung gewährleistet, dass das Fahrrad den Anforderungen der Normen entspricht und das Zusammenspiel der verbauten Komponenten keine Schwachstellen aufweist. Nur so kann die Sicherheit der Nutzer unter allen Bedingungen gewährleistet werden.

Gewichtskennzeichnung

Eine klare Kennzeichnung der maximalen Lasten auf den Gepäckträgern (vorn und hinten) ist unerlässlich, um eine Überlastung zu verhindern. Darüber hinaus sollte das Typenschild des Fahrrads das zulässige Gesamtgewicht deutlich angeben, damit der Nutzer die maximale Zuladung kennt und keine gefährlichen Überlastungen entstehen.

Flattern und Pendeln: Dynamische Instabilitäten

Dynamische Instabilitäten wie Flattern und Pendeln treten häufig bei unsachgemäßer Gewichtsverteilung oder übermäßiger Last auf. Diese Phänomene beeinträchtigen die Kontrolle und Sicherheit des Fahrrads.

Flattern des Vorderrads

Dieses Phänomen tritt auf, wenn das Vorderrad bei hohen Geschwindigkeiten oder auf unebenem Terrain unkontrollierte Schwingungen ausführt. Die Hauptursache ist eine unzureichende Gewichtsbelastung des Vorderrads.

Um Flattern zu verhindern, sollte auf eine ausgewogene Lastverteilung geachtet werden. Ein Lenkungsdämpfer kann ebenfalls dazu beitragen, die Lenkung zu stabilisieren.

Pendeln des Hinterrads

Pendeln tritt auf, wenn das Fahrrad langsame seitliche Bewegungen ausführt, die durch eine hohe Hinterradbelastung und eine unausgeglichene Lastverteilung verstärkt werden. Besonders bei stark beladenen Lastenrädern tritt dieses Phänomen auf.

Um Pendeln zu minimieren, ist es wichtig, das Vorderrad zusätzlich zu belasten. Ein angepasstes Luftdruckniveau kann auch eine stabilisierende Wirkung haben. Zu hoher Luftdruck auf unebenem Untergrund, wie Kopfsteinpflaster, kann das Pendeln verstärken. Daher sollte der Luftdruck so gewählt werden, dass sowohl Stabilität als auch Komfort optimiert werden.

Worst-Case-Szenarien und Krafteinwirkungen

Extreme Bedingungen können das Kippverhalten und die Stabilität von Longtail-Lastenrädern erheblich beeinflussen. Solche Worst-Case-Szenarien müssen bei der Konstruktion und der Nutzung berücksichtigt werden.

Plötzliche Bewegungen von Passagieren

Wenn Kinder oder andere Passagiere auf dem hinteren Gepäckträger sitzen und sich unerwartet bewegen, kann das Gleichgewicht des Fahrrads schnell beeinträchtigt werden. Um das Risiko des Kippens zu verringern, sollten Sicherheitsvorrichtungen wie Gurte und Relings verwendet werden, um die Passagiere zu sichern und deren Bewegung zu kontrollieren.

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Tern GSD: Haltegriffe und Reling sichern Ladung und Passagiere

Maximale Beladung und Hebelwirkung

Eine schwere Last am äußersten Ende des hinteren Gepäckträgers verstärkt die Hebelwirkung und erhöht das Risiko des Kippens. Ein stabiler Zweibeinständer mit einer breiten Standfläche ist entscheidend, um die Stabilität des Fahrrads im Stand zu gewährleisten, insbesondere bei maximaler Beladung.

Parken auf unebenem Gelände

Das Abstellen eines Longtail-Lastenrads auf unebenem oder abschüssigem Gelände kann die Kippgefahr erheblich erhöhen. Ein breiter und stabiler Ständer sorgt für zusätzliche Sicherheit. Die Bedienungsanleitung sollte klare Anweisungen zum sicheren Parken und zur Vermeidung von Kippgefahren auf unebenem Untergrund enthalten.

Anforderungen an die Bedienungsanleitung

Die Bedienungsanleitung eines Longtail-Lastenrads spielt eine zentrale Rolle bei der sicheren Nutzung des Fahrzeugs. Sie muss detaillierte Informationen über die richtige Handhabung und Wartung enthalten.

Maximale Beladung und Lastverteilung

Klare Angaben zur maximal zulässigen Traglast der Gepäckträger und Hinweise zur richtigen Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad sind unerlässlich, um die Kippstabilität zu gewährleisten.

Sicheres Parken und Ständeranordnung

Empfehlungen zum Parken auf ebenen und unebenen Flächen sowie zur sicheren Nutzung des Ständers sollten ausführlich beschrieben werden, um ein Kippen des Fahrrads zu verhindern.

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Vermeidung von Flattern und Pendeln

Die Anleitung sollte Tipps zur Vermeidung von Flattern und Pendeln enthalten, wie etwa die Installation eines Lenkungsdämpfers, die Anpassung des Luftdrucks und die gleichmäßige Lastverteilung.

Fazit

Longtail-Lastenräder sind eine innovative Transportlösung, die jedoch sorgfältige Konstruktions- und Sicherheitsmaßnahmen erfordert. Die Einhaltung der Normen DIN 79010 und DIN EN 17860 ist von entscheidender Bedeutung, um die Belastbarkeit, Stabilität und Sicherheit dieser Fahrräder zu gewährleisten.

Eine umfassende Prüfung des gesamten Fahrzeugs ist unerlässlich, um das Zusammenspiel der verbauten Komponenten zu überprüfen und sicherzustellen, dass keine Schwachstellen auftreten. Dynamische Instabilitäten wie Flattern und Pendeln können durch die richtige Gewichtsverteilung, technische Maßnahmen und angepassten Luftdruck minimiert werden.

Durch klare Kennzeichnungen und detaillierte Informationen in der Bedienungsanleitung wird die sichere Nutzung des Fahrrads weiter unterstützt.

[Text: Ernst Brust, velotech GmbH, Fotos: VeloStrom|Ernst Brust]

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Alexander Theis