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Markt & Hersteller

Stecker gezogen: Ist der E-Bike-Boom beendet?

Lesezeit etwa 5 Minuten

Was sagen hochrangige Kenner der Fahrradbranche zu den Gerüchten?

Die Fahrradbranche startet mit viel Zuversicht in das neue Fahrradjahr 2023. Eine hohe Zahl an neuen Modellen, Leasing und die Themen Klimawandel, Verkehrswende sowie Gesundheit geben dem Fahrradmarkt mittel- bis langfristig weiterhin Schwung.

Ein Ende des Fahrradbooms ist deshalb nicht in Sicht, eher wird von einer Rückkehr zur Normalität nach drei abwechslungsreichen Jahren gesprochen, wie Verbands- und Industrievertreter in einer Presserunde des pressedienst-fahrrad herausstellten.

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Gute Prognose zu Saisonbeginn

Für 2023 sind die Prognosen für eine erfolgreiche Fahrradsaison äußerst gut. „Der Handel ist noch im Winterschlaf, aber es zeichnet sich ab, dass die Nachfrage nicht schlechter sein wird als in den letzten Jahren. Wir rechnen mit verkauften Stückzahlen auf einem ähnlichen Niveau wie 2022“, sagt Tobias Hempelmann, Stellvertretender Vorsitzender des Verbands des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) und selbst Fahrradhändler.

Bereits jetzt würden sich Kaufinteressierte für die Neuheiten in den Läden interessieren und dort ein großes Angebot vorfinden. „Wir hatten Ende letzten Jahres aufgrund der allgemeinen Situation Probleme mit Kaufzurückhaltung wie in vielen anderen Branchen auch. Aber viele Kaufentscheidungen sind auf den Jahresanfang vertagt. Der Handel ist mit Ware gut bestückt, interessierte Kund:innen finden ein breites Sortiment vor – auch zu guten Preisen“, so Reiner Kolberg, Pressesprecher beim Zweirad-Industrie-Verband (ZIV).

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Die Lager, hier beim B.W. Vertrieb, dem deutschen Distributor der Totem-E-Bikes

Gesunde Entwicklung der Branche

Für Werkstattarbeiten, die in den letzten drei Jahren ja oft mit langen Wartezeiten auf Ersatzteile verbunden waren, scheint sich die Situation ebenfalls in diesem Jahr zu verbessern:

„Die Ersatzteilversorgung hat sich deutlich entspannt. Wochenlange Wartezeiten sind eher die Seltenheit und auch die Bestände sind erhöht worden“, sagt Martin Stenske, verantwortlich für die OEM-Betreuung beim Zulieferer Universal Transmission, bekannt für die Carbonriemen von Gates.

Viele Zulieferer und Komponentenhersteller hätten ihre Lagerflächen vergrößert und so für eine Normalisierung der Lieferzeiten gesorgt. „Die Marktentwicklung ist aktuell etwas gedämpfter, aber dergestalt, dass man nicht mehr drei Jahre im Voraus plant, sondern den Bedarf für das Jahr abschätzt. Das ist eine gesunde Entwicklung“, so Stenske weiter.

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Gates-Riemen, hier kombiniert mit der Kindernay Getriebenabe.

Innovationsschub steht bevor

Ein Ende des E-Bike und Fahrrad-Booms, wie es bereits in einigen Medien angekündigt wurde, können die Experten deshalb nicht erkennen. Vielmehr sei es eine Rückkehr zur Normalität nach drei anstrengenden, abwechslungsreichen Corona-Jahren.

Die Fahrradbranche profitiere dabei von der gesellschaftlichen Debatte rund um Klimawandel und Verkehrswende und deshalb sei mittel- bis langfristig kein Abschwung zu sehen, vielmehr das Gegenteil: „Wir werden in Zukunft eine Zunahme an E‑Bikes und Fahrrädern haben“, prognostiziert Kolberg.

Während die Hersteller in den letzten drei Jahren aufgrund der Lieferproblematik eher auf Bewährtes setzten, um überhaupt Räder verkaufen zu können, ist jetzt eine technische Innovationskraft zu spüren. „Es wird spätestens 2025 einen hohen Innovationsschub geben“, vermutet Stenske.

Von einer Marktsättigung, wie sie aufgrund der hohen E‑Bike-Verkäufe bereits vorhergesagt wurde, sei man deshalb weit entfernt. Technische Innovationen und neue Zielgruppen geben dem Thema Radfahren in den nächsten Jahren weiteren Schwung.

„Leasing hat noch ein enormes Potenzial“, bringt Hempelmann einen weiteren Wachstumsmarkt ins Spiel. Cargobikes seien ein zusätzliches stark hinzugewinnendes Feld – sowohl für Unternehmen als auch für Familien. Kolberg ergänzt deshalb süffisant: „Der Markt an Kaffeemaschinen ist ja auch nicht gesättigt.“

Kleine Probleme gilt es noch zu meistern

Trotz aller positiven Signale und Prognosen gibt es jedoch, wie in vielen anderen Branchen auch, brancheninterne Probleme.

„Das Problem ist nicht die Nachfrage von den Endverbraucher:innen, sondern die Liquidität bei Handel und Herstellern. Die Lager wurden voll, als es im Herbst und Winter weniger Verkäufe gab“, erklärt Ingo Kahnt vom Großhändler RTI Sports, der für die Ergonomiemarke Ergon sowie die Lastenräder von Ca Go bekannt ist. Ein großes Herstellersterben sowie eine Insolvenzwelle sieht er aber nicht auf die Branche zukommen, sondern rechnet eher mit einer Normalisierung des Marktes in diesem Jahr, spätestens 2024.

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Stefan Stiener, Geschäftsführer von Velotraum

Ähnlich äußerst sich Stefan Stiener, Geschäftsführer des Fahrradherstellers Velotraum: „Meistens handelt es sich im Fahrradbereich um kleine und mittelständische Unternehmen, die solide wirtschaften, nicht dem Super-Hype verfallen und Krisen überstehen. Wer jetzt aus der Kurve fliegt, der hatte schon vorher Probleme.“

Stiener, der als Custom-made-Hersteller mit einem ausgewählten Fachhändlernetz zu den kleineren, aber hochwertigen Fahrradproduzenten am Markt gehört, ärgert sich eher über die Monopol-Stellung mancher Zulieferer, die noch immer für Lieferprobleme sorgt.

Während er bei manchen Partnern ein Überangebot feststellt und bereits erste Preise zu bröckeln anfangen, herrscht bei anderen Teilen noch immer ein Mangel. „Wir können noch immer Räder nicht ausliefern, weil ein bestimmtes Teil fehlt“, so Stiener. Dennoch überwiegen bei ihm, so wie den anderen Branchenteilnehmern, die positiven Vorzeichen für die Saison 2023.

[Text: PD-F | Fotos: PD-F, VeloStrom, https://de.depositphotos.com/ ]

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Alexander Theis
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