Marco-Klimt
Interview Lastenrad

Themenwoche Lastenrad: Interview mit Marco Klimmt, Leiter der Business-Unit Cargo bei der Sachsenring Bike Manufaktur

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[at] Bald wird es Cargobikes aus Sangerhausen geben: Die Sachsenring Bike Manufaktur beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Ich sprach mit Marco Klimmt, dem Leiter der Business-Unit Cargo bei der Sachsenring Bike Manufaktur.

Alexander Theis: Herr Klimmt, Sie sind Leiter der Business-Unit Cargo bei der Sachsenring Bike Manufaktur. Wie kommt es, dass sich die Sachsenring Bike Manufaktur mit dem Thema Lastenrad befasst?

Marco-Klimmt
Marco Klimmt, Leiter der Business-Unit Cargo bei der Sachsenring Bike Manufaktur.

Marco Klimmt: Das Thema Lastenrad ist, gerade auch jetzt im Zeichen der Dieselaffäre, eines der wichtigsten Themen, um insbesondere in Ballungsräumen die Verkehrswende voranzutreiben. Die Sachsenring Bike Manufaktur hat eine lange Tradition im Bau von Lastenrädern, das wissen aber die wenigsten: Viele Jahre haben wir die Zustellräder der Post gebaut. Wir haben uns dazu entschlossen, das große Know-How aus diesem Bereich wiederzubeleben und mit unserer Expertise den Lastenradbereich weiterzuentwickeln.

Alexander Theis: Die Lieferräder der Post sind ja ganz besonderen Belastungen ausgesetzt.

Marco Klimmt: Ja, das stimmt allerdings. Zum einen natürlich, was die Lasten angeht, zum anderen aber auch die reine Nutzungszeit. Diese Cargobikes müssen vor allem robust, langlebig und wartungsarm sein.

Alexander Theis: Das sind Anforderungen, die grundsätzlich auch viele Privatanwender an ein Lastenrad stellen. Werden Sie Ihre Lastenräder nur an das professionelle Umfeld oder auch an den Endverbraucher wenden?

Marco Klimmt: Grundsätzlich planen wir auch Modelle für den Endverbraucher anzubieten. Priorität hat jedoch derzeit die Entwicklung der Modellreihe für den gewerblichen Einsatz. Wir verfolgen eine Plattformstrategie. Ähnlich wie es bei Autoherstellern eine robuste Van-Linie für den Handwerker und eine eher komfortorientiere Linie für den Consumer-Bereich gibt, so wird es auch bei uns zwei Modell-Linien geben. Die Basis ist identisch, die Ausstattung anwendungsbezogen unterschiedlich.

Alexander Theis: Eine solche Plattformstrategie hilft natürlich dabei, die Kosten niedrig zu halten.

Marco Klimmt: Das ist aber nur einer der Punkte. Diese Strategie hilft auch dabei, die Qualität und Zuverlässigkeit zu erhöhen. Schließlich ist es auch für die Kundenzufriedenheit besser, wenn es bedarfsgerechte Versionen gibt. Beispielsweise ist das Gewicht des Rades für einen professionellen Logistiker weniger von Bedeutung. Er legt sicherlich mehr Wert auf eine besonders robuste Konstruktion und belastbarere, langlebigere Komponenten, die dafür etwas schwerer sind. Bei einer Familie, die das Rad möglicherweise täglich in den Keller tragen muss sieht das anders aus. Wir wollen den Bedarf beider Kundengruppen erfüllen, ohne der einen oder anderen zu große Kompromisse aufzuerlegen.

Alexander Theis: Bei Gesprächen mit Radlogistikern wird immer wieder die Frage der Zuverlässigkeit von Komponenten angesprochen. Es vergeht bei vielen praktisch kein Tag, wo nicht mindestens eine Felge neu eingespeicht werden muss. Und auch die Bremsen sind stark verschleißanfällig.

Marco Klimmt: Genau das meine ich. Die meisten Lastenräder sind zurzeit für den Endverbraucher gebaut. Jedoch ist es ein Unterschied, ob nur ein oder zweimal die Woche die volle Zuladung des Rades ausgenutzt wird, oder ob das Rad an jedem Tag mehrfach voll beladen wird. Wenn das Lastenrad eine ernstzunehmende Alternative für die derzeitigen Lieferwagen sein soll, dann müssen die Bauteile der Räder auch den Belastungen entsprechend dimensioniert sein. Gerade hier kommt uns unsere Erfahrung mit den Lastenrädern der Post enorm zu Gute. Ich denke aber auch, dass sich die Komponenten-Hersteller entsprechende Produkte entwickeln müssen. Etwa standfestere Bremsen oder robustere Laufräder, die aber dafür etwas schwerer sind.

Alexander Theis: Planen Sie denn ein mehr- oder einspuriges Lastenrad?

Marco Klimmt: Zurzeit verfolgen wir die Idee, sowohl ein einspuriges als auch ein mehrspuriges Modell zu entwickeln. Beide Bauarten haben ihre eigenen, teils sehr spezifischen Vor- und Nachteile.

Alexander Theis: Gerade beim Lastenrad macht eine Motorunterstützung besonders viel Sinn. Wird es ein Cargopedelec geben?

Marco Klimmt: Selbstverständlich. Wie Sie schon sagen bietet die E-Unterstützung gerade beim Cargobike enormes Potential.

Haben Sie da einen bestimmten Antrieb im Blick?

Marco Klimmt: Nein, noch sind alle Optionen offen und wir reden mit verschiedenen Anbietern. Die Post setzte in der Vergangenheit ja schon Pedelecs ein und aus dieser Erfahrung heraus können wir recht genau sagen, welche Anforderungen der Antrieb für unser Cargopedelec erfüllen muss.

Alexander Theis: Neben der Zuverlässigkeit der Komponenten ist bei den Logistikern mit Pedelec-Einsatz auch die Reichweite ein großes Thema. Wie sehen Sie das?

Marco Klimmt: Das ist auch für uns eine große Herausforderung. Deshalb steht das Thema „Effizienz“ sehr weit oben im Pflichtenheft. Es gibt verschiedene Ansätze, die Reichweite zu steigern. Etwa über Akkus mit höherer Kapazität oder Akku-Wechselsysteme. Ich denke, das Lastenpedelec steht da noch am Anfang der Entwicklung.

Alexander Theis: Apropos Entwicklung: Wie weit ist denn Ihre Entwicklung gediehen, wann ist die Markteinführung geplant?

Marco Klimmt: Wir haben bisher eine ausführliche Bedarfs- und Kundenanalyse durchgeführt. Derzeit sind
wir in der Designphase; vermutlich werden wir im letzten Quartal diesen Jahres erste Ergebnisse präsentieren können. Wir sehen, sowohl beim Cargobike für den professionellen als auch beim Lastenrad für den Verbraucher, die Notwendigkeit, ein auch optisch attraktives Produkt zu bauen. Das mag auf den ersten Blick überraschen. Aber aus unserer Sicht ist auch die Mitarbeitermotivation wichtig: Der Mitarbeiter eines Radlogistikers wird umso lieber mit seinem Arbeitsgerät unterwegs sein, je attraktiver es gestaltet ist.

Alexander Theis: Das sind vielversprechende Aussichten! Eine letzte Frage: Werden Sie die Räder in Sangerhausen fertigen?

Marco Klimmt:  Ein klares „Ja“. Wir haben hier in Sangerhausen sowohl die Fertigungskapazitäten als auch motivierte und engagierte Mitarbeiter. Gerade auch im professionellen Umfeld ist es wichtig, kurze Lieferketten und -wege bieten zu können. Die Erfahrungen vieler Hersteller mit Lieferanten aus dem asiatischen Raum zeigen, dass dies bei dieser Konstellation kaum oder gar nicht möglich ist. Deshalb werden unsere Cargobikes „Made in Germany“ sein.

Alexander Theis: Herr Klimmt, vielen Dank für das Gespräch!

[Foto: Sachsenring Bike Manufaktur GmbH]

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