[at] Paracylcer Matthias Schindler aus Nürnberg wurde bei der WM in Maniago/Italien Vizeweltmeister im Zeitfahren!
Mit einer grandiosen Leistung wurde Matthias Schindler im italienischen Maniago bei glühender Hitze Vize-Weltmeister im Zeitfahren! Ein weiterer, wichtiger Schritt zur Teilnahme an den Paralympics in Tokio 2020. Doch lassen wir den sympathischen Nürnberger einfach selbst erzählen:
„Am Dienstag bin ich relativ locker auf der Zeitfahrstrecke gefahren, um die lange Anfahrt aus den Beinen zu bekommen und die Strecke kennen zu lernen. Am Mittwoch war ich dann erneut mit niedriger Intensität auf der Zeitfahrstrecke unterwegs, dieses Mal mit meinem Zeitfahrrad.
Donnerstag stand dann die Vorbelastung auf dem Programm und ich bin komplett im Wettkampfsetup ein paar Minuten in Renngeschwindigkeit auf der Strecke gefahren. Dies war für mich auch nochmal wichtig, da ich nicht wusste wie sich 36 Grad Außentemperatur mit einem Langarm-Zeitfahranzug und einem geschlossenen Aerohelm so anfühlen.
Auch die Vorbelastung verlief richtig gut und ich war relativ ruhig, was das anstehende Zeitfahren bei der WM betraf. Mein Start am Freitag war erst um 16:59 Uhr, daher bin ich am Vormittag noch ganz locker eine Stunde KB (Kompensations-Bereich, hilft bei der Regeneration, Anm. d. R.) gefahren.
Die UCI hatte aus Sicherheitsgründen kurzfristig die Durchfahrt durch einen Kreisverkehr auf der Rennstrecke geändert. Diese Änderung habe ich mir auch lieber nochmal live angesehen, ich wollte die Strecke wirklich zu 100% kennen und auf alles perfekt vorbereitet sein.
Das Warmfahren direkt vor dem Rennen war bei den Temperaturen eine neue Erfahrung. Meinen Körper habe ich mit geeisten Handtüchern gekühlt, während die Beine schnell auf Temperatur kamen. Insgesamt verlief die Rennvorbereitung nach Plan.
Das Rennen
Ich stand am Start und wusste, dass ich mich bestmöglich vorbereitet hatte und in den letzten Wochen und Monaten viel für diesen Tag investiert hatte. Ich fühlte mich sehr gut auf der Startrampe und startete selbstbewusst in das Rennen.
Bundestrainer Patrick Kromer verfolgte mich im Rennen mit dem Auto, hatte Reservematerial dabei und feuerte mich lautstark an. Keine Ahnung, ob er heute noch Stimme hat… Das hat mich natürlich nochmal zusätzlich motiviert.
Ich bin gut in das Rennen gestartet und habe schnell meinen Rhythmus gefunden. Ich konnte die erhofften Wattwerte treten und bin die Linie so flüssig gefahren, wie ich sie mir im Training vorgenommen hatte. Nach der ersten 14km-Runde wusste ich, dass ich relativ schnell unterwegs war.
Die zweite Runde wurde dann wie erwartet zur Qual. Ich hatte 199 Puls, dieser ging auch nicht mehr runter und es tat einfach nur weh. Die Hitze konnte ich ganz gut ausblenden. Überraschenderweise konnte ich mich nach wie vor auf eine flüssige Linie konzentrieren, machte keine Fahrfehler und konnte auch auf den letzten Kilometern noch die Wattleistung sehr hoch halten.
Das Überqueren der Ziellinie war wie eine Erlösung. Jetzt bemerkte ich die Hitze so richtig, konnte mich kaum mehr auf den Beinen halten und versuchte irgendwie meine Atmung in den Griff zu bekommen. Zuschauer kümmerten sich um mich, jemand kam mit einer Gießkanne Wasser, langsam normalisierte sich mein Kreislauf wieder. Einen Durchnittspuls von 193 hatte ich im Rennen, nicht wirklich gesund, aber ausbelastet hatte ich mich wohl.
Das Ergebnis
Ich wusste, dass ich meine bestmögliche Leistung gebracht hatte und auf dieser Strecke nicht hätte schneller fahren können. Langsam rollte ich Richtung Start/Ziel um mein Ergebnis zu erfragen. Am Start warteten Teamkollegen auf mich. Da bereits alle Starter meiner Klasse im Ziel waren, stand das Ergebnis schon fest.
Sie riefen mir zu, dass ich Vizeweltmeister geworden bin. Krass, diesen Moment kann ich nicht wirklich beschreiben. Mein Zimmerkollege Erich Winkler kam zu mir, ich konnte mit den Emotionen nicht wirklich umgehen. Es entstand für mich das Foto der WM:
Das Jahr ist für meine Frau und mich nicht wirklich schön gestartet. Der private Rückschlag, die Bahn WM welche nicht gut verlief, all die harte Arbeit der letzten Monate, die viele Zeit die ich nicht daheim sein konnte, alle Disziplin, aller Verzicht, aller Fokus, alle Leidenschaft, alles kam in diesem Moment irgendwie hoch.
Ich bin Vizeweltmeister im Zeitfahren hinter Michael Sametz aus Kanada und nur 4 Sekunden vor Ben Watson aus Großbritannien. Unglaublich!
Die Siegerehrung habe ich dann richtig genießen können. Ich hatte ja etwas Zeit dazwischen um etwas runter zu kommen.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meiner Frau, meinen Freunden, meiner Familie, dem PP Mittelfranken, meiner Dienststelle und den Kollegen, meinen Sponsoren, Ausrüstern, Förderern, dem BVS Bayern und dem DBS sowie dem gesamten Team des Paracycling Team Germany für die super Unterstützung in diesem Jahr. Alleine wäre dieser Erfolg niemals möglich gewesen!
Das Straßenrennen
Das Straßenrennen der WM wurde auf demselben Kurs wie das Zeitfahren ausgetragen. Zu fahren waren 5 Runden. Es ging gleich nach dem Start richtig zur Sache. Das Tempo war extrem hoch und an dem kleinen Anstieg auf dem Kurs konnte ich mich schon nicht mehr im Feld halten und musste reißen lassen.
Glücklicherweise ging es dem Zeitfahrweltmeister Michael Sametz aus Kanada genauso wie mir. Wir konnten zusammenarbeiten und am folgenden Flachstück der Strecke gemeinsam wieder zum Feld aufschließen. Das mussten wir dann leider jede Runde so machen, da wir an dem Anstieg nie mithalten konnten.
Auf den letzten Kilometern des Rennens war das Feld dann geschlossen zusammen. Das Tempo war sehr hoch und ich zu platt um irgendeine Aktion zu setzen. Es ging also in den Zielsprint und ich wurde Zehnter.
Das ist mein bestes Ergebnis bei einem Straßenrennen einer WM. Im Vorjahr in Südafrika war ich noch gestürzt, daher war ich auch froh, am Sonntag in Maniago gut ins Ziel gekommen zu sein.
In der Weltspitze
Mit Platz 2 im Zeitfahren und Platz 10 im Straßenrennen kann ich auf eine sehr erfolgreiche WM zurückblicken. Ich habe den nächste Schritt Richtung Tokio2020 gemacht und den A-Kader Status erreicht.
Im Zeitfahren gehöre ich nach zwei Weltcup Medaillen in diesem Jahr und dem Vizeweltmeistertitel mittlerweile zur Weltspitze in meiner Klasse. Darauf werde ich mich nicht ausruhen, darauf werde ich aufbauen!
World Cup in Kanada
Am nächsten Montag, früh um 06:00 Uhr geht es dann nach Kanada zum letzten World Cup der Saison. Ich möchte dort natürlich nochmal eine gute Leistung zeigen. Allerdings merke ich auch langsam, dass ich dringend etwas Ruhe benötige. Ich freue mich auf die Zeit in Kanada und werde mich bis dahin noch bestmöglich auf die Wettkämpfe vorbereiten.
Am 21.08. werde ich zurück nach Nürnberg kommen. Dann brauche ich dringend mal ne Pause. Den September möchte ich etwas zum Regenerieren nutzen. Mit meiner Frau sind auch ein paar Tage ohne Fahrrad geplant. Einfach mal das Leben genießen. Anfang Oktober starte ich dann in die Vorbereitung für die nächste Bahn-Saison“
Soweit der frisch gebackene Vize-Weltmeister im Zeitfahren der Paracycler. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle zu diesem sagenhaften Erfolg! Und Hut ab vor dieser großartigen und beeindruckenden Leistung!
[Text: VeloStrom/Matthias Schindler, Fotos: Oliver Kremer]
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