Die Fachhändler: Markus Boscher, Thorsten Larschow und Reiner Probst
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Corona-Krise: Fahrradverkäufe boomen

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Während der Konsumindex einbricht, die Automobil-Lobby mit Politikern über Kaufanreize diskutiert und viele Einzelhändler über mangelnde Einnahmen klagen, bilden sich vor Fahrradgeschäften vielerorts lange Schlangen. Warum hat der Fahrradhandel die Corona-Krise besser gemeistert als andere Branchen? Der pressedienst-fahrrad hat sich umgehört.

Die Fachhändler: Markus Boscher, Thorsten Larschow und Reiner Probst
Die Fachhändler: Markus Boscher, Thorsten Larschow und Reiner Probst

[pd‑f/tg] Normalerweise würden bei Thorsten Larschow in Cuxhaven aktuell Touristen für Mieträder anstehen. Doch am Nordseestrand herrscht gähnende Leere. Ist also auch die Kasse leer? Das Frühjahrsfazit des Inhabers des Radladens Rad & Tour überrascht: „Wir haben deutlich mehr Umsatz als normal!“ Seit dem 20. April, an dem Tag durften die stationären Radläden in vielen Bundesländern wieder öffnen, werden „wie wild“ Räder verkauft. „Ohne Termin kommt man bei uns nicht mehr in den Laden. Wir sind jetzt ausgebucht von morgens bis abends, nächste freie Termine gibt es ab Mitte Mai“, so Larschow, der bis zu vier Verkäufer beschäftigt.

Ähnliches berichtet Markus Boscher von Velorado. Der Nürnberger Händler hat zwar erst seit dem 28. April geöffnet, aber in dieser Zeit einen hohen Ansturm erlebt. „Es ist richtig was los“, bekräftigt Boscher, der sich auf den Verkauf von hochwertigen E‑Bikes spezialisiert hat.

Umsatzeinbrüche noch im März

Das Gesamtbild unterstreicht der Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ). Bei vielen Mitgliedern „brennt aktuell die Hütte“, so ein Verbandssprecher; die Betriebe würden von Nachfragen überrannt. Dabei hatte es noch Anfang April schlecht ausgesehen. Händler meldeten Umsatzeinbußen bis zu 60 Prozent.

Selbst Reiner Probst, dessen Radladen Velophil in Berlin beheimatet ist und deshalb nicht vom Lockdown betroffen war, verzeichnete im März einen Umsatzrückgang. „Das konnten wir abfedern. Der Januar und Februar waren untypisch hoch. Im April lag der Umsatz dann um 30 Prozent höher als normal“, resümiert der Fachhändler. Weil die Werkstätten weiterhin deutschlandweit öffnen durften, war zumindest noch ein Teilgeschäft möglich.

Radkauf nur noch mit Termin?

Mit der Öffnung der stationären Verkaufsflächen vor rund zwei Wochen habe sich die Situation gedreht. „Der Bike-Handel kommt mit viel Einsatz und vielen geänderten Details gut aus der Krise raus und ist erstaunlicherweise sehr zufrieden“, fasst VDZ-Vorstand Dietmar Knust zusammen.

Zu diesen Details gehören beispielsweise Telefon- und Videoberatung, Hol-und-Bring-Dienste sowie feste Beratungstermine. „Die Terminvergabe ist ein Modell für die Zukunft“, ist sich Reiner Probst sicher. Um die gesteigerte Nachfrage in den Griff zu kriegen, dürfen maximal nur noch drei Kunden gleichzeitig bei ihm in den Laden. Deshalb bietet sich eine Vorab-Terminvergabe an, um lange Wartezeiten zu verhindern.


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Fachhändler mit großer Verkaufsfläche gehen hingegen einen anderen Weg, berichtet Knust: „Hier werden weniger Termine gemacht, sondern es gibt Zugangsbeschränkungen, z. B. maximal zwei Kunden pro Verkäufer.“ Kunden würden dabei Wartezeiten bis zu zwei Stunden vor dem Laden für ein Beratungsgespräch in Kauf nehmen – natürlich alles mit entsprechendem Abstand.

Der Umsatzausfall von März und April sei trotz der Maßnahmen und den wegfallenden Spontankäufen bei manchem Händler schon wieder komplett aufgeholt, bei anderen gar überholt.

Radreise ist neue Fernreise

Radfahren boomt gerade auch wegen den geltenden Reisebeschränkungen. „Die Kunden wollen sich jetzt was gönnen und es sich zu Hause schön machen“, sagt Boscher. Viele Reisewillige schwenken von einer Auslands- auf eine heimische Radreise um. Und dafür wird die passende Ausstattung gebraucht.


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Das stellt auch Reiner Probst fest. Freizeiträder für Touren oder lange Radreisen verkaufen sich sehr gut. Und auch Kinderräder stehen hoch in der Gunst, wie Thorsten Larschow bestätigt: „Die Eltern suchen nach einer Beschäftigung für die Kinder.“

Mobilitäts- statt Autoprämie

Ein weiterer Grund für die hohe Nachfrage: ein sich weiterhin veränderndes Mobilitätsverhalten. „Die Menschen suchen Alternativen zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Individualmobilität steht aktuell im Fokus“, erkennt Jörg Lange, Pressesprecher beim E‑Bike-Produzenten Riese & Müller.


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Eine Mobilitätsprämie, die nicht nur die Autobranche, sondern alle Mobilitätsbranchen unterstützt, sei deshalb zu fördern – speziell, weil sich das Fahrrad bzw. E‑Bike als ein praktischer Autoersatz jetzt in der Wahrnehmung der Bevölkerung verfestige.

Eine Abwrackprämie, wie sie die Automobillobby aktuell fordert, wäre ein Schritt in die falsche Richtung, findet auch Manfred Neun, Ehrenpräsident des europäischen Fahrradverbandes ECF. Er appelliert an die Politik: „Die Autoindustrie kriegt es nicht hin, sich als Mobilitätsanbieter für eine neue Mobilität zu etablieren. Wichtiger ist es jetzt, neue, kleine und grüne Branchen zu fördern.“

[Text & Fotos: PD-F]

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Alexander Theis
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