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Verkehrswende: Pedelecs – eine echte Alternative zum Auto?

Lesezeit etwa 13 Minuten

[at] Pedelecs sind nur dann richtig nachhaltig, wenn sie als Ersatz für das Auto genutzt werden. Aber ist ein Umstieg  tatsächlich so einfach möglich? Und wie sieht die Situation in ländlichen Gegenden aus?

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Ein Lastenrad als Auto-Ersatz? Geht!

Im Beitrag „Pedelecs und die Verkehrswende“ habe ich festgestellt, dass etwa die Hälfte aller Fahrten in deutschen Großstädten maximal eine Länge von 5 Kilometern ausmachen. Gerade für solche Fahrten könnten Pedelecs die ideale Lösung sein.

Doch wie sieht es bei längeren Strecken oder in ländlichen Gebieten aus? Wie ist’s um die Ladeinfrastruktur bestellt und wie klappt es mit der Kombination „Pedelec und Bahn“?

Reichweite

Das Thema „Reichweite“, also wie lange kann ich fahren, bevor ich den Akku nachladen muss, ist vermutlich die meist diskutierte Frage rund um das Pedelec. Die meisten Anbieter von Elektrofahrrädern geben eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern, manchmal sogar darüber hinaus an, bevor eine erneute Akku-Ladung notwendig wird.

Dieses Reichweiten kommt allerdings nur unter Idealbedingungen zu Stande. Mit dem Reichweiten-Rechner von Bosch kannst du dir ein realistischeres Bild davon machen, wie weit du mit deinem Pedelec tatsächlich kommst. Ergebnisse von unter 100 Kilometern und manchmal sogar nur 50 Kilometern auf schwierigem Gelände sind hier kein seltenes Ergebnis. In der folgenden Grafik geht es zwar primär um die Lebensdauer eines Akkus, aber die dort genannten Faktoren sind auch wesentlich für die Reichweite mit einer Ladung

 

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Allerdings sind auch 50 Kilometer, zumal in der Stadt, mehr, als die meisten Pedelecfahrer an einem Stück zurücklegen – und sowieso mehr als die meisten ohnen Pause mit dem „Bio-Rad“ fahren. 

In ländlichen Gegenden kann das aber auch mal anders aussehen, und auch in Metropolregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet können Pendelstrecken von 50 km auftreten. Meine weiteste Pendelstrecke lag bei 35 km einfacher Strecke. Die Erfahrung zeigt, das Menschen mit einem Pedelec plötzlich viel mehr und viel weiter fahren als sie selbst jemals für möglich hielten.

Der Akku muss bei längeren Strecken also eventuell zwischen geladen werden, was die Frage aufkommen lässt:

Wie gut ist das Netz von Auflade-Stellen in Deutschland ausgebaut?

Wer mit dem E-Bike zur Arbeit pendelt hat vermutlich meist eine Steckdose in der Nähe – aber Vorsicht: Es sollte immer zunächst mit dem Arbeitgeber geklärt werden, ob dieser das Aufladen des Akkus erlaubt. Besonders gut sind wohl die Arbeitnehmer dran, bei denen der Arbeitgeber eine Lademöglichkeiten am Fahrradabstellplatz anbietet.

Doch wie sieht es bei Ausflügen aus?

Fahrrad.de hat eine App entwickelt, die möglichst alle Ladestationen in Deutschland zeigen soll. Auf der Website kann man die Karte auch betrachten. Das Netz an Ladestationen scheint sehr gut aufgestellt zu sein, wenn man die Karte für ganz Deutschland betrachtet.

Bike Energy hat sich zum Ziel gesetzt, ein europaweites Ladenetz für Elektro-Fahrräder aufzubauen. Wer in den Alpen unterwegs war hat solch eine Ladestation sicher schon gesehen. Damit ist es immer besser möglich, auch weitere Strecken mit dem Pedelec zurückzulegen.

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Drei verschiedene Pedelec-Hersteller – drei verschiedene Netzteile…

Die Anzahl der Ladestellen ist aber nur eine Seite der Medaille. Denn jeder Hersteller nutzt eigene Ladestecker und -Netzteile. Das wäre in etwa so, als wenn jeder PKW-Hersteller einen anders geformten Tankstutzen verbaut: Einer rund, einer viereckig, der nächste dreieckig und so weiter. Das führt beim Pedelec dazu, dass man am besten sicherheitshalber das Ladegerät mitnimmt – sehr unpraktisch.

Wer aber das Ladegerät dabei hat, der wird, wie meine Erfahrung zeigt, fast überall bei einer Pause in einem Café oder Restaurant auch eine Lademöglichkeit finden. Vorausgesetzt natürlich man fragt freundlich – was aber eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Doch auch für das Thema „verschiedene Ladegeräte“ gibt es Hoffnung:  Energybus hat es sich zum Ziel gesetzt ein normiertes Ladekabel einzuführen. Aber bis dahin ist es leider noch ein langer Weg, denn es sind sehr viele verschiedene Interessen zu berücksichtigen.

Dennoch wird dies in Zukunft wahrscheinlich doch hauptsächlich den Freizeitverkehr betreffen. Denn wenn man Zeit hat und zum Beispiel im Biergarten sitzt, kann der Akku ruhig am Stromnetz nuckeln. Wer aber mit fast leerem Akku zu einem dringenden Meeting muss ist da sicherlich weniger entspannt. Allerdings ist das vermutlich auch nur eine Sache der Planung und der inneren Einstellung, wie es zum an Tesla-Fahrern zu sehen ist: Ich fahre täglich teils mehrmals an einer Ladestation von Tesla vorbei. Die ist immer gut besucht und die Fahrer, teils auch aus dem weiteren Ausland (einmal sogar ein Tesla aus Litauen!), fachsimpeln miteinander oder gehen einfach ins nahe Hotel zum Essen oder auf einen Kaffee.

Dass Pendler in naher Zukunft von Köln nach Frankfurt mit dem Pedelec fahren, halte ich dagegen auch bei idealster Ladeinfrastruktur für sehr unwahrscheinlich. Da ist eher eine Kombination aus (Falt-)Rad und Bahn interessant – vorausgesetzt man darf auch im ICE endlich ein Rad mitnehmen und – fast noch wichtiger – es ist ausreichend Platz dafür vorgesehen.


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Pedelec und Bahn fürs Pendeln nutzen

Gerade für Pendler, aber auch für Reisende, könnte die Kombination aus Bahn und Pedelec eine
interessante Möglichkeit sein. Laut Website der Bahn fährt diese im Jahr 2020 zu 60% klimaneutral über die Schienen. Ein Passagier verbraucht pro Kilometer nur 1 Gramm CO2. Die Bahn und das Pedelec könnten die perfekte Symbiose für den Verkehrswandel sein.

Grundsätzlich ist es erlaubt, ein Pedelec mit der Bahn zu transportieren. Das Fahrrad, meist liegt das Gewicht des E-Bikes um 25 kg, zum Bahnsteig zu transportieren kann zu einer Herausforderung werden, wenn die Aufzüge zu klein gestaltet sind. Wenn man regelmäßig das Fitnessstudio besucht, mag es leicht sein, dass Rad die Treppe hoch zu schleppen. Auf viele Menschen trifft das aber leider nicht zu. Nur auf den ersten Blick überraschend ist, das auch ein Faltpedelec nicht sehr viel leichter ist. Der Grund hierfür liegt wohl am ehesten beim Akku: Da Hersteller auf eine große  Reichweite schauen werden meist große und damit schwere Akkus verbaut. Doch wer mit der Bahn und Bike pendelt wird wohl selten 50 km am Stück zurücklegen müssen.

In Regionalzügen ist ein Transport dank Fahrradstellplätzen relativ einfach. Aber wie sieht es in einem ICE aus? In den neuen ICE soll es grundsätzlich möglich sein, ein Rad mitzunehmen. Doch aktuell muss man etwas tricksen und das (Falt-)Rad mittels Tasche als Gepäck „tarnen“.

Bei der Mitnahme des eigenen Pedelecs in der Bahn gibt es also noch einiges an Nachholbedarf. Es ist möglich und kann auch richtig gut funktionieren. Wenn ich als Pendler Bahn und Bike kombinieren möchte, würde ich mich allerdings lieber nach einer Bike-Sharing Variante umschauen.

Pedelecs, die sich selbst laden?

Die einfachste Lösung für das wäre wohl ein Pedelec, dass in der Lage ist, sich selbst zu laden. Nur eine Wunschvorstellung?

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Faltrad von Vello mit cleverem Zehus-Antrieb.

Das österreichische Unternehmen Vello bietet mit seinem faltbaren Pedelec eine Lösung zum selbständigen Aufladen an. Für ein sportliches Fahren ist das Falt-Rad unter Umständen aber nicht so gut geeignet. Aber dass das Konzept je nach Anwendungsszenario durchaus Sinn macht konnte ich in einem Test des Vello mit Zehus-Antrieb herausfinden.

Auch andere Hersteller haben sich bereits an dem Konzept versucht, beispielsweise Leaos, das den Akku über am Rahmen angebrachte Solarzellen laden soll. Doch wenn überhaupt ist das wohl eher für südlicher gelegenen Länder sinnvoll.

Das Radwegenetz

Damit ein Pedelec zu einem adäquaten Auto-Ersatz werden kann, ist ein gut ausgebautes Netz von Rad- und Radschnellwegen notwendig. Gerade in Deutschland sieht es hier aktuell noch sehr mau aus.

In diesem Beitrag habe ich bereits darüber geschrieben, dass es in Deutschland aktuell so gut wie keine Radschnellwege gibt und die normalen Radwege oft nur schmale Streifen am Straßenrand sind. Besonders sicher fühlt man sich so nicht unbedingt. Ein gut ausgebautes Radwegenetz innerhalb der Städte, was den Radfahrern im besten Fall mehr Platz einräumt als den Autofahrern, würde mehr Menschen den Umstieg erleichtern.

Als Vorzeige-Städte sind hier wieder einmal Kopenhagen oder Amsterdam zu nennen, wo die Fahrräder eine höhere Bedeutung in den Städten haben als die Autos. Städte, die nah beieinander liegen, könnten durch Radschnellwege optimal verbunden werden und so auch für Pendler zu einer interessanten Lösung werden.

Ob das im Autoland Deutschland tatsächlich einmal Realität sein wird, wage ich zu bezweifeln. Gerade der Blick auf die mäßigen Verkaufszahlen von E-Autos im Vergleich zu denen von Pedelecs sollte eigentlich dazu anregen, mehr für die Radfahrer und damit für die Verkehrswende zu tun. Vor allem in Ballungsgebieten ist das Potenzial für Pedelecs riesig.

Pedelec als Alternative zum Auto auf dem Land

Ich bin auf dem Land in der Nähe von Bad Kreuznach aufgewachsen und kann aus eigener Erfahrung sagen dass ein Leben ohne Auto dort eine große Herausforderung darstellt. Der öffentliche Nahverkehr ist meistens schlecht ausgebaut, komplett lahmgelegt oder wird zu selten bedient. 

Natürlich wäre es gerade in Städten wünschenswert, dass weniger Autos unterwegs sind. Es ist besser für die Luft und für die Lautstärke. Auf dem Land ist der Verkehr meist nicht so auffällig, aber trotzdem vorhanden. Deshalb lohnt es sich auch hier, nach Alternativen zum Auto zu schauen.

70 Prozent der Menschen in Deutschland leben in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern. Also die Mehrheit von uns. Wenn die Menschen in der Stadt nun rufen, dass das Auto weg muss, ist die Frage, ob dies für Kleinstädte und das Land überhaupt realistisch ist.

In den Großstädten gibt es zahlreiche Angebote von Bike-Sharing oder Leih-Rollern und -Autos. Am Rande der Städte nimmt das Angebot immer weiter ab und im richtig ländlichen Bereich ist es quasi nicht vorhanden.

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Auf dem Radweg zwischen Bad Münster am Stein und Norheim.

Auch auf dem Land scheint es um Radwege nicht schlecht bestellt zu sein. Während ich in meiner Kindheit noch mit dem Rad auf den Landstraßen unterwegs war (was oft kein Spaß war) kann man heute oftmals auf Radwegen fahren. Ein großer Vorteil, der meist aus der touristischen Bedeutung des Rades resultiert.

Als Radwege zählen deshalb auch unbefestigte Wege. Für den Weg zur Arbeit im Anzug sind diese wahrscheinlich nicht so gut geeignet. Man müsste sich also im Büro umziehen – womit wir wieder bei der inneren Einstellung wären. Sich mit dem Pedelec auf eine stark befahrene Bundesstraße zu trauen, ist auch nicht jedermanns Sache.

Es ist also nicht unmöglich, sich mit dem Pedelec auf dem Land fortzubewegen, aber es ist längst nicht so komfortabel möglich wie in der Stadt. Dass das Pedelec zu einer echten Auto-Alternative auf dem Land wird, bezweifle ich aus den genannten Gründen. Das sich hier langfristig E-Autos durchsetzen, halte ich für wahrscheinlicher.

Das Wetter

Für viele Menschen ist das Wetter der Hinderungsgrund Nummer eins, wenn es um den Umstieg auf ein Pedelec geht. Logisch! Wohnt man in einem Gebiet, wo es häufig regnet und stürmt, ist das Rad nicht das bevorzugte Verkehrsmittel. Gleiches gilt für den Winter. Es ist möglich, ein Pedelec bei jeder Wetterlage zu nutzen, es ist nur eine Frage der inneren Einstellung (s. oben).

Klar, der Akku benötigt bei kalten Temperaturen etwas mehr Aufmerksamkeit, zum Beispiel mittels einer  Schutzhülle. Die sorgt dafür, dass es dem Akku nicht zu kalt wird. Denn die chemische Reaktion, welche die Energie erzeugt läuft bei geringeren Temperaturen langsamer ab – die Reichweite und teils auch die Leistung sinkt.

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Paramo Ostro Windproof und Ostro Fleece

Die richtige Bekleidung erscheint oftmals als das größte Problem. Auf der Arbeit möchte man ungerne nass ankommen. Jedoch gibt es mittlerweile ein großes Angebot an Radbekleidung für nasses und kaltes Wetter.

Beispielsweise von Páramo, von denen sich gerade die Ostro UL Windproof, die Fleecejacke Ostro Fleece und Men’s Velez Jacke im Dauertest bei VeloStrom auf beeindruckende Weise bewähren. Bei Paul und Prediger gibt es auch sehr modische Radkleidung, die gar nicht danach aussieht und die teils einfach über den normalen Klamotten getragen werden kann.

So trotzt man Nässe und Kälte und sieht dabei auch noch gut aus.


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Fazit

Das Pedelec kann in Städten und nahe gelegenen Orten zu einer echten Alternative für das Auto werden – und dieses teils sogar komplett ersetzen. Leichter würde ein Umstieg fallen, wenn die Städte noch radfreundlicher werden.

In Kleinstädten und auf dem Land gestaltet sich die Situation schwieriger. Damit das Pedelec dort entscheidend zum Einsatz kommen kann, müssen noch sehr viele Voraussetzungen geschaffen werden. In beiden Fällen muss aber auch ein Umdenken in der Bevölkerung stattfinden. Denn mit der passenden Einstellung, oder auf neudeutsch dem richtigen „mindset“, geht viel mehr als man gemeinhin denkt.

[Fotos: VeloStrom, Grafik: Akku.net-Magazin]

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Alexander Theis
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