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Alltag Fahrradinfrastruktur

Verkehrswende: Pedelecs in Europa und weltweit!

Lesezeit etwa 8 Minuten

[at] Nachdem ich im letzten Beitrag auf Pedelecs und die Verkehrswende im Allgemeinen beziehungsweise in Deutschland eingegangen bin, will ich in diesem Beitrag einen Blick in Richtung Ausland werfen. Was tun andere Länder um die Verkehrswende durch Radfahrer und im speziellen Pedelecs zu fördern?

Bei der Verkehrs- und Mobilitätswende wird in der EU vordergründig nur an E-Autos gedacht. Den Möglichkeiten der Förderung von anderen Formen der Mobilität wie dem Pedelec wird kaum Beachtung geschenkt und findet, wenn überhaupt, nur auf regionaler oder lokaler Ebene statt. 

fischer_eth1607_skyline_frankfurt1_2Förderung von Elektro-Fahrrädern

Das bei Förderprogrammen zur Mobilitätswende oft zu kurz gedacht wird, zeigt das Beispiel Deutschland. In die Förderung von E-Autos werden Milliarden gesteckt, was deren Absatz allerdings nicht ankurbelt. Zugelassen sind noch nicht einmal 100.000 E-Autos.

Dagegen fahren über 2 Millionen Elektro-Fahrräder auf den Straßen in Deutschland. Und das ganz ohne Förderung beziehungsweise ausschließlich über kleinere regionale Förderprojekte, vor allem für Lastenpedelecs.

Wie viel größer könnte dieser Anteil sein, wenn es attraktive landesweite Förderungen gäbe?

Ein gutes Beispiel stellen an dieser Stelle Österreich und Belgien dar. Hier gab es in den letzten Jahren zahlreiche Programme mit finanziellen Förderungen, die den Absatz von Pedelecs gesteigert haben. In Belgien wurden im Jahr 2015 pro Einwohner 12,5  Elektro-Fahrräder, knapp hinter den Niederlanden (16,1). Österreich folgt mit 9 verkauften Pedelecs pro Einwohner auf auf Platz 3 (Quelle: Bericht des ECF „Electromobility for all“).

Diese Zahlen zeigen, das Förder-Programme ein gutes Hilfsmittel sein können um den Umstieg auf das Pedelec zu
erleichtern und das Auto öfters stehen zu lassen. 

Wer ist bereit, auf ein Pedelec umzusteigen?

In einer Studie von Shimano Steps wurden 12.000 Menschen in 10 europäischen Ländern befragt, wie bereitwillig sie sind, auf ein Pedelec für den Arbeitsweg umzusteigen. Ganz vorne an der Spitze sind die Niederlande mit 47%. Das verwundert nicht, da die Niederlande als fahrradfreundliches Land bekannt sind. Das Schlusslicht bei der Befragung ist Großbritannien mit einer Bereitschaft von nur 11 %.

Grund Nummer eins für den Umstieg ist der Gedanke der Steigerung der persönlichen Fitness (34%), dicht gefolgt vom Schutz der Umwelt (30%) und der Geldersparnis (30%). Dagegen spricht für die Befragten vor allem die Möglichkeit von schlechtem Wetter (37%), und das ein Pedelec zu teuer in der Anschaffung ist (34%).

Am schlechten Wetter kann man nichts ändern, aber Förderprogramme könnten den Punkt „Pedelec zu teuer in der Anschaffung“ deutlich entschärfen.

Wie fahrradfreundlich sind einzelne Länder?

Nachdem wir uns mit Förderungen von Pedelecs und der Bereitwilligkeit des Umstiegs auf ein solches beschäftigt haben, möchte ich einige Länder der Liste nun genauer unter die Lupe nehmen: Wo ist das Radnetz am besten ausgebaut?

Niederlande

In den Niederlanden gab es bereits einige Förderprogramme für Pedelecs. Bereits früh nach dem zweiten Weltkrieg wurde konsequent auf das Fahrrad als Verkehrsmittel gesetzt. Nach der ersten Ölkrise in den 1970-er Jahren wurde noch mehr für eine emissionsfreie Zukunft getan. Diese Bewegung entstand vor allem durch die Bürger, aber auch der starke Rad-Interessenverband „Fietserbond“ hat seinen Anteil an der Entwicklung.

Heute finden in den Niederlanden keine Diskussionen mehr darüber statt, ob Parkplätze für Radwege geopfert werden sollten. Vielmehr wird hier darüber diskutiert, warum überhaupt noch Autos in den Innenstädten fahren sollten. Das ist ein meilenweiter Unterschied zu der Situation in Deutschland.

Vier von zehn neuen Fahrrädern werden in den Niederlanden mittlerweile elektrisch angetrieben, das Pedelec war in 2018 mit 409.400 Einheiten (38% Anstieg gegenüber dem Vorjahr) sogar der meistverkaufte Radtyp! 
Außerdem glänzen die Niederlande mit einem gut ausgebauten Netz an Radschnellwegen, die aktuell über 300 Kilometer Länge ausmachen. Von Arnhem aus kann man auf einem solchen Radschnellweg bequem und schnell über rund 17 km nach Nijmegen fahren und viele weitere sind im Bau. Das Ziel hier ist ganz klar, Fahrradfahrer zu bevorzugen, was letztendlich zur Mobilitätswende beiträgt beziehungsweise dies längst schon getan hat.

Der Radverkehr hat in den Niederlanden ganz klar Priorität. Ganz besonders deutlich wird das in Almere, wo besonders darauf geachtet wurde, dass alle Verkehrswege getrennt voneinander verlaufen, mit klarer Bevorzugung des Rades. Allerdings gab es bei Almere einen besonderen Vorteil: Die Stadt wurde am Reißbrett geplant und existiert erst seit den 70iger Jahren des letzten Jahrtausends.

Doch auch im Rest der Niederlanden werden werden hier diverse Maßnahmen zur Verbesserung der Fahrradinfrastruktur ergriffen – beispielsweise breite Radwege (in der Gegend am Amsterdamer Hauptbahnhof sind diese 4,5 Meter breit) oder auch eine sichere Gestaltung von Kreuzungen mit Hilfe von Temposchwellen für Autos.

Heute legen die Niederländer mehr als ein Viertel ihrer Wege mit dem Rad zurück. Unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben. Das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Verkehrspolitik, die wie bereits erwähnt in den 1970-er Jahren begann.

Dänemark

In Dänemark hatte das Fahrrad auch schon früh einen hohen Stellenwert. Ich erinnere mich noch gut an Urlaube in den frühen 90iger Jahren des letzten Jahrtausends: Während man in Deutschland als Radfahrer oft zu kämpfen hatte, wunderte ich mich wie umsichtige die dänischen Autofahrer damals schon überholten. 

Copenhagen - Donkey Bike bridge
Fast schon legendärer Fahrradweg in Kopenhagen.

In Kopenhagen gar ist das Rad zum Verkehrsmittel Nummer eins geworden. Auch hier hat bereits seit den 1970-er Jahren ein Umdenken in der Verkehrsplanung stattgefunden. So wurde beispielsweise der Parkraum für Autos sukzessive abgebaut und dem Fahrrad mehr Platz eingeräumt. Die Stadt hat es damit sogar geschafft, einen Fachterminus zu erfinden: „to copenhagenize“ meint, nicht nur unter Stadtplanern, eine Stadt fahrradgerecht zu gestalten. Und der „Copenhagenize Index“ benotet Städten für deren Bemühungen, das Fahrrad als Verkehrsform zu etablieren.

Wer genau nachlesen will, wie Kopenhagen sich zu einer solch Fahrrad-freundlichen Stadt entwickelt hat, kann dies in diesem ausführlichen Beitrag tun: https://www.diamantrad.com/blog/fahrradstadt-kopenhagen.

Großbritannien

Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf Großbritannien. Bei den Förderprogrammen wie auch bei der Bereitwilligkeit eines Umstiegs auf ein Pedelec liegen die Briten auf den unteren Plätzen der Rankings. Doch wird tatsächlich so wenig für die Mobilitätswende in Großbritannien getan?

Irgendwann einmal war Großbritannien ein Land mit einer großen Fahrradkultur und war lange Innovationsführer beim Fahrradbau. Nach dem zweiten Weltkrieg verschob sich das dann leider zugunsten von Autos und anderen Vierrädern. Es wurde wohl irgendwie einfach davon ausgegangen, dass das Radfahren ausstirbt. Als Folge wurde ein Straßennetz geschaffen, das mehr oder weniger nur den Autos diente. Also das komplette Gegenteil zu den oben genannten Ländern – und irgendwie so ähnlich wie in Deutschland.

Heute fordern vor allem die Bewohner der Metropolen, dass wieder Platz für Radfahrer geschaffen werden muss, und in den letzten Jahren wurde dafür auch schon einiges getan. Großbritannien ist ein schönes Beispiel dafür, wie eine „falsche“ Verkehrspolitik langfristig für Probleme sorgen kann. Wer schon einmal in London war, stellt schnell fest, wie schwierig es ist, dort wirklich sicher mit dem Rad unterwegs zu sein. Was exemplarisch für viele andere
europäische Großstädte ist. Das zu ändern erfordert einen enormen Aufwand an Umbaumaßnahmen  beziehungsweise ein konsequentes Verdrängen der vielen Autos aus den Innenstädten.

Außerhalb Europas

Der Verkauf von Pedelecs ist weltweit steigend. Laut einer indischen Studie wurden weltweit im Jahr 2018 Pedelecs im Wert von 14,775 Milliarden Dollar verkauft. Am stärksten wächst der asiatische Markt.

In den USA scheinen E-Fahrräder noch nicht so richtig angekommen zu sein. Im Jahr 2015 wurden hier lediglich 300.000 Pedelecs verkauft. Im Vergleich dazu waren es in Europa 2,318 Millionen und in China unglaubliche 36,8 Millionen Pedelecs! In China fahren heute mehr Pedelecs als Autos, sicherlich auch eine Folge der sehr restriktiven Zulassungsvorschriften für PKW. Die Schlussfolgerung daraus zu ziehen überlasse ich der Leserin/ dem Leser. 😉


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Fazit

Die Niederlande und Dänemark zeigen, dass es möglich ist, den Umstieg vom Auto aufs Fahrrad zu erleichtern. Natürlich liegt dem eine jahrzehntelange Arbeit zugrunde. Aber gerade das zeigt: Wenn es politisch und vor allem auch gesellschaftlich gewollt ist, lässt sich dieses System auch auf deutsche Städte übertragen. Neben Investitionen in die Infrastruktur können solche in Förderprogramme den Verkehrs- und Mobilitätswandel deutlich beschleunigen, wie das beispielsweise Belgien oder Österreich gezeigt haben.

Man könnte also sagen: Wo ein (politischer und gesellschaftlicher) Wille ist, ist auch ein Radweg!

 [Fotos: VeloStrom (2), Donkey Republic (1), Shimano (1)]

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Alexander Theis
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