Testfahrten mit der 7-Gang-Hinterrad Getriebenabe aus Norwegen – in Norwegen.
Seit einigen Monaten ist die Kindernay VII-Nabenschaltung aus Norwegen am Premium E-Bike Riese und Müller Charger3 GT im Einsatz. Fraglich war, ob die Übersetzung ausreicht, um auch wirklich steile Passagen zu fahren.
Den Test machte ich in der Heimat von Kindernay, in Norwegens Hauptstadt Oslo.
Kindernay VII für E-Bikes
Die Kindernay VII ist speziell für E-Bikes gedacht. Die Erfahrung zeigt, das E-Biker oftmals ein oder gar zwei Gangstufen überspringen. Dieses Phänomen kann ich auch bei mir beobachten. Habe ich viele Übersetzungen, wie beispielsweise 11 beim E-MTB Thok MIG-R, überspringe ich, wenn es nicht gerade sehr extrem wird, zwei, teils drei Gänge beim Schalten.
Aus dieser Überlegung entsprang wohl die Idee bei Kindernay, der ursprünglichen Schaltung mit 14 Gängen eine mit 7 Gängen zu Seite zu stellen.
Die Kindernay VII hat eine Übersetzungsbandbreite von 428% bei gleichmäßigen Gangsprüngen von 28%. Kindernay empfiehlt, die Übersetzung für die meisten E-Bikes so zu wählen, dass bei einer angenehmen Kadenz im 6. Gang 25 km/h erreicht werden.
In dieser Tabelle findet ihr die internen Übersetzungsstufen der Kindernay VII.
Gangstufe | Übersetzungsverhältnis |
1 | 0,484 |
2 | 0,616 |
3 | 0,785 |
4 | 1,0 |
5 | 1,274 |
6 | 1,623 |
7 | 2,068 |
In diesem YouTube-Video habe ich mich schon kurz mit dem Thema „Steigung auf Touren“ beschäftigt und gezeigt, das die Kindernay VII auf dieser Tour ausreichend war.
Doch was passiert, wenn es wirklich steil wird? Dieser Frage ging ich im Urlaub in Norwegen nach.
Wichtig: Kirche im Dorf lassen!
Eines vorweg: Wer in den Alpen oder auf der Alp wohnt und von der Haustür weg große Steigungen hat, der ist mit einer VII-Gang Nabenschaltung auch bei einem E-Bike möglicherweise nicht passend versorgt und sollte auf die Kindernay XVI setzen. Warum?
Die Übersetzung (besser wohl „Untersetzung“) der Kindernay VII beträgt im ersten Gang 0,484. Im Vergleich dazu erreicht die Kindernay XIV im ersten Gang 0,272! Der 5. Gang der 15-Gang Kindernay-Nabe entspricht mit 0,458 in etwa dem ersten Gang der 7-Gang-Kindernay.
Man könnte also nach dem Motto „viel hilft viel“ sicherheitshalber gleich auf die Kindernay XIV setzen. Bei einem Preisunterschied von aktuell 330€ und einem Mehrgewicht von ca. 200g gegenüber der Kindernay VII könnte man aber schon mal ins Grübeln kommen. Vor allem, wenn man eher in flacheren Gegenden zu Hause ist und nur ab und an mal wirklich steile Gefielde unter die Räder nimmt.
Für mich trifft letzteres zu: Das Rhein-Main-Gebiet hat zwar schon einige Steigungen, aber gemessen an den Alpen oder auch dem Schwarzwald ist das alles hier eher harmlos.
Doch kann im Urlaub schon mal die ein oder andere steile Stelle kommen. Sollte ich da mal schieben müssen, nun, dann ist das halt so. Aber: Muss ich wirklich schieben?
Test in Norwegen
Dieses Jahr war ich in Norwegen in Urlaub und stattete auch der Hauptstadt Oslo einen Besuch ab.
Vom Ekeberg Camping mit einer wunderbaren Sicht auf die Stadt, lotst mich Komoot bergab über eine Route in die Innenstadt, bei der ich teilweise Bedenken hatte, nach vorne über den Lenker abzugehen! Hier hat mir also der Zufall die ideale Teststrecke zugespielt.
Die Rede ist vom Ekebergvejen in Oslo, den ihr hier auf der Karten (Quelle: Google Maps) seht:
Etwas paradox: Bergab geht es im Foto von rechts unten nach links oben, im rot markierten Bereich erreicht die Steigung knapp über 16%, der Rest liegt zwischen etwa 11% und gut 14%. Berechnet habe ich die Steigung mit Hilfe von Google Maps und der Formel ((Höhe oben ./. Höhe unten)/Wegstrecke) x100.
Ich habe natürlich ein Video von der Fahrt hinab und hinauf gemacht, aber ihr wisst ja selbst: Das gibt den echten Eindruck nur vage wieder. Trotzdem will ich es euch nicht vorenthalten:
Ekebergvejen – hinunter
Die Fahrt bergab beginnt harmlos. Nach der KFZ-Sperre geht es zunächst verhalten bergab. Nach ein paar dutzend Metern sieht man auf der linken Seite eine Mauer als Stütze für die Terrasse eines Cafés. An dem Verlauf der Mauer kann man sehen, das es bergab geht.
Kurz danach geht es nach einer Linkskurve in den steilsten Bereich des Ekebergvejen hinein, nach der folgenden Kurve nach rechts wird es noch etwas steiler. Nach ein paar dutzend Metern folgt vor der nächsten Linkskurve das steilste Stück mit über 16% Gefälle. Kurz nach dem schiebenden Radler habe ich auf dem Kopfsteinpflaster das Ende der Gefällestrecke erreicht und drehe um.
Ekebergvejen – hinauf
Nach der Fahrt bergab weiß ich ja, was mich erwartet. Deshalb starte ich direkt im Turbo-Mode des Bosch Performance Line CX. Zunächst geht es im zweiten Gang der Kindernay VII bergauf. Kurz vor dem steilsten Stück wähle ich den ersten Gang. Der Motor muss ordentlich arbeiten, das hört man, doch trotz der Steigung kann ich die Kadenz hoch halten. Möglicherweise hätte ich das auch im zweiten Gang geschafft, aber so geht es meinen Knien besser.
Ein paar dutzend Meter später überhole ich mit dem Pedelec den schiebenden Radler, man kann sehen, das er sich beim Schieben auf Grund der Steigung schon anstrengen muss. Typisch für’s Schieben bei Steilstrecken: Er läuft beim Schieben nicht neben dem Rad sondern dahinter. Nach der Linkskurve kann man erkennen das es etwas flacher wird – das steilste Stück liegt hinter mir. An den Zäunen auf der linken Seite sieht man schön, das es trotzdem alles andere als flach ist. Als ich um die Rechtskurve biege, schalte ich etwa in Höhe des Cafés in den zweiten Gang, der bis zum Ende der Bergstrecke drin bleibt.
Kaum bin ich oben, fahre ich auch wieder runter. Denn ich will natürlich versuchen, das steilste Stück zu fotografieren, was nur mäßig gut gelingt.
Aber ich will auch wissen, ob ich bei mehr als 16% Steigung mit dem E-Bike noch anfahren kann. Das gelingt überraschend gut, jedoch muss ich mich weit über den Lenker beugen, damit das Vorderrad nicht steigt. Nur gut, das es warm ist und der Asphalt ordentlich Grip bietet. Auf einer Geröllstrecke sähe das, trotz der Schwalbe Al Grounder, bestimmt anders aus.
Als ich wieder nach oben kurbele kommt mir ein verwegener Gedanke: Ich stelle mir vor, das irgendwann ein Entwickler von Kindernay diesen Weg zum Testen hochgefahren ist. Sehr unwahrscheinlich, ich weiß, aber trotzdem amüsant.
Ein Besuch bei Kindernay war übrigens leider nicht möglich: in Norwegen war noch Urlaubszeit.
Durch Oslo zum Holmenkollen
Am nächsten Tag wartet ein ganz besonderes Vergnügen auf mich: Ich fahre mit dem Charger3 GT quer durch Oslo zum Holmenkollen. Wer die Auffahrt zur wohl berühmtesten Skisprungschanze der Welt kennt, weiß, dass es dort auch recht steil nach oben geht. Nach dem Erlebnis am Ekebergvejen habe ich keinerlei Zweifel, dass ich das mit dem E-Bike schaffen werde.
Einige einheimische Radrennfahrer nutzen den Anstieg zum Bergtraining, würdigen mich aber keines Blickes. Vom Holmekollen bergab wähle ich die MTB-Strecke – und bin froh, das heute Nachmittag unter der Woche keine Hardcore MTB’ler unterwegs sind. Denn so kann ich den Trail besser genießen. Komoot lotst mich über traumhafte Trails weiter zum Vigeland-Park – Strecken, die ich so als Tourist niemals gefunden hätte.
Fazit
Für mich ist der Beweis erbracht: Mit der Kindernay VII Hinterradnabe im Riese und Müller Charger 3 GT* kann man auch steile Strecken bezwingen. Die mehr als 16% am Ekebergvejen waren kein Problem – trotz der eher langen Endübersetzung des Charger3 GT. Bei längeren Strecken gibt vermutlich die Psyche eher auf als das Material – vorausgesetzt der Akku ist voll.
Sicher wird es irgendwo Steilstrecken geben, bei denen ich dann auch schieben muss. Da ich die aber nicht täglich fahren muss, ist die Kindernay VII für mich begauf ausreichend. Das ändert aber nichts daran, dass die Übersetzung auf ebener Strecke am Charger3 GT zu lang ist.
Mehr Infos zur Kindernay-Nabe gibt es online bei trail.camp.
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[Text: [at], Fotos: VeloStrom]
Transparenzhinweis: Die Kindernay-Nabe wird vom Importeur trail.camp kostenfrei und ohne Vorgabe für den Dauertest zur Verfügung gestellt.
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