[at] Ich hatte Gelegenheit, das Pedelec- Lastenrad „Load“ von Riese und Müller einen Tag probezufahren. Wie schlägt es sich, beladen und unbeladen?
Als ich morgens die hellen Räumlichkeiten des Bad Kreuznacher Pedelec-Händlers OK E-Bikes betrete herrscht emsiges Treiben: Die Saison beginnt, die Nachfrage nach Zweirädern zieht an. Und da hier neben einer beeindruckend breiten Palette von Pedelecs auch Motorräder verkauft werden, ist die Hütte voll. Gut, dass ich mit Sven Kriewald, Geschäftsführer von OK-Motorräder, einen Termin für die ausgedehnte Probefahrt des Lastenpedelec „Load“ von Riese und Müller vereinbart habe. Nach der herzlichen Begrüßung stellt er mir Timo Germann, Verkäufer E-Bikes und Motorrädern vor. Timo Germann hat das Load im Hinguckerfarbton „Limette“ schon bereit gestellt und gibt mir mit viel Sachkenntnis wichtige Basisinformationen.
Ergonomie & Komfort
Das Load ist, wie alle Räder von Riese und Müller, vollgefedert. Die Federung der Gabel (Spinner Grind 20“) lässt sich in der Federvorspannung, das Federbein (X-fusion Glyde R-PV) des Hinterrads in Vorspannung und Dämpfung an den jeweiligen Bedarf anpassen. Ebenso anpassbar ist natürlich die Sattelhöhe und über eine pfiffige Lösung sowohl Lenkerhöhe als auch -Neigung. Gerade letzteres ist sehr sinnvoll, denn so findet jeder zwischen 1,50 m und 1,95 m schnell die passende Sitzposition.
Rahmen & Ladung
Das Load verfügt über einen sorgsam verarbeiteten Gitterrohrrahmen und einen tiefen Durchstieg, was vor allem den Aufstieg im beladenen Zustand einfacher macht. Das zulässige Gesamtgewicht des Load beträgt 200kg, es kann also ordentlich was aufgeladen werden. Durch den Gitterrohrrahmen bleibt auch das Leergewicht des Cargobikes im Rahmen: Riese und Müller gibt knapp 32 kg an. Eine Besonderheit ist der teilbare Rahmen: nach dem Lösen von sieben Schrauben und einem Stecker kann man das Lasten-Pedelec in zwei Teilen verstauen. Die Hauptladung kann bis 100 kg betragen und wird klassisch zwischen Lenker und 20“-Vorderrad platziert. Zusätzlich ist am Testexemplar noch ein Gepäckträger und Seitenwände sowie eine Laderaumabdeckung aus Cordura montiert: Letzere hält zum einen Wind- und Wetter aber auch neugierige Blicke von der Ladung fern. Für einen sicheren Stand sorgt der serienmäßige Doppelständer, der sich bequem und einfach bedienen lässt.
Antrieb & Sicherheit
Das Riese und Müller Load ist mit dem Bosch Performance-Antrieb und dem PowerPack500 (13,8 AH, 500 Wh) ausgestattet. Beim Testrad kommt die Kraft über eine Kette und die nahezu wartungsfreie stufenlose Nuvinci Nfinity380-Nabe ans Hinterrad. Die Nuvinci Nfinity380 ist speziell für die hohen Drehmomente bei Pedelecs geeignet, und gerade bei einem Lastenrad sehr sinnvoll: Muss man einmal unerwartet halten kann man einfach im Stand eine passende, leichtere Übersetzung zum Anfahren wählen. Fürs kraftvolle Bremsen sorgen Tektro Dorado Scheibenbremsen, für sichere Beleuchtung vorne „Supernova E3 E-Bike“ und hinten „Supernova E3 E-Bike Tail Light 2“. Beide werden über den Akku mit Strom versorgt und über das Cockpit aktiviert.
Und los geht’s
Nach den einleitenden Worten schiebt Timo Germann das Load nach draußen und verabschiedet mich mit einem breiten Grinsen „Viel Spaß!“. Ich steige aufs Rad und obwohl das Vorderrad ungewohnt weit weg ist, klappt das Fahren auf Anhieb recht gut. Ich fahre in Richtung Hauptstraße und merke beim Handzeichen geben, dass das einhändige Fahren doch noch etwas Gewöhnung fordert. Die Straße in Richtung Bad Kreuznach hat einen abgeteilten Radweg und ist in gutem Zustand. Den Bosch-Antrieb habe ich über die Lenkertaster auf die vorletzte Stufe gestellt erreiche spielerisch die Abregelgrenze. Zunächst habe ich das Gefühl, die Nuvinci könnte etwas länger übersetzt sein. Doch kurz darauf stelle ich fest, dass ich nur mit etwas mehr Nachdruck am Griff drehen muss, und schon fährt auch der kleine Radler in der witzigen Schaltanzeige in der Ebene.
Der Radweg führt jetzt auf einen Kreisel mit „Bettelampel“ zu und hier merke ich das Erste mal wirklich, dass das Riese und Müller Load etwas länger ist als normal: Gefühlt steht das Vorderrad bereits auf der Straße bis ich an den Drücker der Ampel komme. Es wird grün, ich kreuze die Straße und bin positiv überrascht, wie wendig sich das Lastenpedelec über die nachfolgende Kurvenkombi zirkeln lässt.
Einpacken bitte!
Mein Ziel ist der nächste Discounter: Ich will dort vier Packungen Mineralwasser kaufen, immerhin bin ich ja mit einem Lastenrad unterwegs, das muss man ja ausnutzen. Die Blicke der anderen Kunden sind nicht so erstaunt, wie ich erwarte habe, als ich das Cargobike mit insgesamt rund 36 kg Wasser bepacke; scheinbar ist ein Lastenrad in Bad Kreuznach nicht ganz so unüblich.
In den Laderaum ginge noch etwas mehr rein, aber ich will es ja nicht übertreiben, ich bin auch so schon gespannt wie sich das jetzt anfühlt. Noch etwas vorsichtig klappe ich den Ständer ein, stelle die Nuvinci vorsichtshalber auf die kürzeste Übersetzung (der kleine Radler im Display steht nun fast senkrecht) und fahre vorsichtig los.
Doch bereits nach wenigen Metern stellt sich ein Vertrauen ein, mit dem ich nicht gerechnet hätte: Das Load ist weder besonders kipplig noch verwindet es sich oder fühlt sich sehr träge an. Letzeres ist definitiv dem kräftigen Bosch-Motor zuzuschreiben. Beim Überfahren der Bordsteinkante auf die Straße habe ich das Gefühl, dass die ganze Fuhre etwas schwingt, aber das ist weder besorgniserregend noch besonders unangenehm.
Nach wenigen hundert Metern weicht das konzentrierte Fahren einem entspannten Dahingleiten. Am nächsten Kreisel fällt nur auf, dass der gefahrene Bogen etwas weiter ausfällt als gedacht. Auf dem Radweg geht es jetzt an den im Stau stehenden Autos vorbei. Ich wette, kein Mensch ahnt dass ich hier mit gut 36 kg Last unterwegs bin. Dabei gingen noch etwa 64 kg mehr, aber wir wollen es mal zu Anfang nicht übertreiben.
Die folgende Strecke am Bahnhof vorbei, an der Kreuzkirche nach links und entlang der Salinenstraße kenne ich noch aus meiner Kindheit, schließlich bin ich in der Nähe aufgewachsen. Ich habe grüne Welle und freue mich darüber, dass die Autofahrer mit viel Abstand überholen. Das Load läuft gut geradeaus (klar, Länge läuft) und ich schnüre mit knapp 27 km/h dahin. Kurz kommt mir der Gedanke, das ich 30 Jahre früher hier zigmal mit dem Mofa mit 25 km/h entlang gefahren bin. Wer hätte damals gedacht, das man das mal mit der Kraft der Elektronen auf einem Lastenrad spielend schafft?
Ich bremse auch für…Enten!
Im Salinental verlasse ich die Straße und fahre entlang der berühmten Salinen von Bad Kreuznach über den Naheradweg. Näheres über die Salinen (richtiger: Gradierwerke) findet man übrigens in der Wikipedia. Außer mir ist kein Radler unterwegs und das nutze ich weidlich aus: Der Radweg ist gespickt mit Wurzelaufbrüchen und somit eine ideale Fahrwerkteststrecke. Das Load scheint völlig unbeeindruckt von dem, was der Weg an Widrigkeiten anbietet: Es schwingt sanft über die Aufbrüche hinweg, die Federung funktioniert prächtig.
Zügig ist Bad Münster erreicht und damit auch die Nahebrücke. Der Weg führt über diese elegante Konstruktion, etwa in der Mitte muss man um eine Säule herumfahren. Diese Stelle hatte ich für die problematischste der ganze Fahrt gehalten. Völlig zu unrecht, wie sich herausstellt: Selbstverständlich ist das Riese und Müller Load kein Rennrad, aber auch weit entfernt von einem störrischen, schwerfälligen Lastenrad. Zügig und handlich ist diese vermeintliche Nadelöhr sozusagen im vorbeifahren „bezwungen“ und die nachfolgende Rampe hinab hilft die Schwerkraft mit, die Fuhre spielend auf mehr als 35 km/h zu beschleunigen.
Plötzlich kreuzen von links Enten! Ein kräftiger Griff in die Bremsen verzögert das Lasten-Pedelec kräftig und zuverlässig bis zum Stand und die Wasservögel können unbehelligt weiter in Richtung Nahe watscheln.
Bergprüfung
Weiter geht’s auf dem Naheradweg, der über eine kurze Steigung, die das Load souverän nimmt, die Nahe kurz verlässt um über die ehemalige Bahnstrecke weiter naheaufwärts zu führen. Während die Federelemente die Schlaglöcher auf der jetzt wassergebundenen Wegoberfläche wegfiltern, genieße ich die Aussicht auf die mächtige Steilwand des Rotenfels, zu dem es hier in der Wikipedia näheres zu lesen gibt.
Mein Ziel Norheim erreiche ich über die Rad- und Fußgängerbrücke am Ortseingang. Zum Abbau der Geschwindigkeit schlängelt sich der Radweg in Richtung Hauptstraße, die Radien sind aber auch mit dem langen Load gut zu meistern.
Durch den Ort nähere ich mich gespannt der Schlüsselstelle der Strecke: Der „Reiterweg“ in Norheim ist eine sehr steile Straße, die fast gerade durch das Wohngebiet den Berg hinaufführt. In meiner Kindheit habe ich den mit dem Rad lieber weiträumig umfahren, statt mich hochzuqälen. Wie wird das mit einem Pedelec von 32 kg plus gut 36 kg Gepäck klappen? Um es kurz zu machen: Sehr gut! Am Fuß des Weges schalte ich den Antrieb in den Turbomodus und kann mit der stufenlosen Nuvinci die Übersetzung feinfühlig so regeln, dass ich mich mit der Kadenz wohl fühle.
Im Ergebnis radele ich mit knapp 13 km/h die Straße bergan, für mich gibt es kaum ein beeindruckenderes Szenario für das Thema Pedelec als genau dieses! Ich so begeistert, das ich oben wende und den Anstieg nochmal hochkurbele. Beim Wenden fällt dann doch auf, das ich hier mit einem Lastenrad unterwegs bin: Der Wendekreis fällt etwas größer aus.
Rückweg unbeladen
Den Rückweg zu OK E-Bikes trete ich zunächst auf der gleichen Strecke, aber unbeladen an. So kann ich das Fahrverhalten des Riese und Müller Load leer und beladen gut vergleichen. Es kommt mir vor, dass es beladen „satter“ liegt und sämiger federt. Das Vorderrad scheint im unbeladenen Zustand manchmal auf Bodenwellen etwas zu hoppeln. Das ließe sich sicher durch verringern der Federvorspannung ändern.
Vorbei am hoch an der Nahe aufragenden Rheingrafenstein in Bad Münster geht es wieder ins Salinental nach Bad Kreuznach. Auch hier federt das Load die Wurzelaufbrüche nicht ganz so sanft weg, dafür sind die Radien der Kurven enger fahrbar als noch beladen.
In Bad Kreuznach nehme ich den Weg über die Roseninsel und durchs Kurviertel. Die Nahebrücke mit den berühmten Brückenhäusern ist leider gesperrt und so wähle ich den kürzesten Weg vorbei an einem Baumarkt durch die Stadt in Richtung Bad Kreuznach-Planig. Der Radweg führt mich zunächst bergan in Richtung Bosenheim, doch bald quere ich und rausche mit bis zu 50 km/h bergab in Richtung Planig.
Auch hier zeigt das Riese und Müller Load erneut eindrucksvoll dass Länge läuft und die Darmstädter stabile, vertrauenerweckende Rahmen bauen können. Nach etwa 70 km gefahrener Strecke gebe ich das Load bei Timo Germann wieder ab. Auf seine Frage „Und, wie war’s?“ erhält er ein breites Grinsen als Antwort von mir.
Fazit: Top!
Das Riese und Müller Load hat mich begeistert! Ich hätte nicht gedacht, wie viel Dynamik und Spaß von einem Lastenrad ausgehen kann. Daran hat das gelungene Styling, das fabelhafte Fahrwerk und der tausendfach bewährte Bosch-Antrieb einen großen Anteil. Die gefahrene Konfiguration mit Nuvinci-Nabe, Gepäckträger, Seitenwänden und Laderaumabdeckung ist meiner Meinung nach eine super Wahl für den Einsatzbereich des Load.
Manch einer kauft sich ein Lastenpedelec als Zweit- oder Drittrad. In der Summe seiner Eigenschaften hat das Riese und Müller Load meiner Meinung nach durchaus das Zeug zum „Erstrad“. Eine Urlaubstour mit Zelt und Gepäck? Täglich ins Büro pendeln und unterwegs die Einkäufe erledigen oder die Kinder in den Kindergarten bringen? Ein Radausflug am Wochenende mit ausgedehntem Picknick? Das Load packts!
Mein Dank geht an Sven Kriewald und OK E-Bikes in Bad Kreuznach dafür, diesen Fahrbericht ermöglicht zu haben.
Weitere Informationen zum Riese und Müller Load sind unter www.r-m.de zu finden.
[Fotos: VeloStrom]
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