Der Pedelec-Nachrüstantrieb Binova Flow war einige Monate zum intensiven Test bei VeloStrom zu Gast. Lest hier den ausführlichen Testbericht.
Für viele, so auch für mich, begann das Pedelec-Zeitalter mit einem Nachrüstsatz. Und das vor allem aus zwei Gründen: Zum einen stellten diese Nachrüstsätze einen relativ preiswerten Einstieg dar, da ja ein Rad schon vorhanden ist.
Zum zweiten gab es vor ein paar Jahren noch nicht diese Modellvielfalt bei den Pedelec-Modellen wie wir sie heute kennen. Aktuell haben die Radhersteller fast jede denkbare Nische mit Pedelec-Modellen besetzt,.
Doch trotzdem gibt es nach wie vor noch einen Markt für Nachrüstsysteme: Ambitionierte Radfahrer mit dem Wunsch nach einem Pedelec haben oft schon ein hochwertiges Rad im Keller, dass sie gerne behalten möchten.
Außerdem haben hochwertige Nachrüstlösungen von heute nur noch wenig mit den oft einfachen Systemen der Vergangenheit zu tun.
Um der Praxistauglichkeit des Antriebs von Binova auf den Zahn zu fühlen, habe ich eines meiner Räder umrüsten lassen und war einige Monate mit dem Rad unterwegs. Dabei wurde es als Reise-, Alltags- und Einkaufsrad mit Hängerbetrieb eingesetzt und bei Wind und Wetter bewegt.
(1) Technisches
(2) Umbau
(3) Erste Fahreindrücke
(4) Erste Fahrt im Alltag
(5) Test auf dem Candy B. Graveller
(6) Einer für alle(s): Verschiedene Nutzerprofile
(7) Ferndiagnose
(8) Nachhaltig weil Wiederverwendbar
(9) Einfache Demontage
(10) Eigene Radmarke
(11) Fazit
Technisches zum Binova Flow
Beim Binova-Flow handelt es sich um einen getriebelosen Direktläufer. Die beiden außen liegenden Rotorscheiben drehen sich um einen in der Mitte befindlichen Stator.
Alle Motorbestandteile sind durch ein spezielles Spritzgussverfahren wasser- und staubdicht miteinander verbunden und somit praktisch wartungsfrei. Der Motor besitzt einen doppelten Freilauf, bedingt dadurch und durch die Einbaulage, ist eine Rekuperation bei Bergabfahrten nicht möglich. Unter Berücksichtigung der großen Akkukapazität kann auf diese Funktion jedoch leicht verzichtet werden.
Gemeinsam mit dem speziellen Tretlager, in dem die Sensorik untergebracht ist, ersetzt die rund 6 kg schwere Antriebseinheit das Tretlager des umzurüstenden Rades. Die Rahmenanbindung ist variabel, da die Motoreinheit breiter baut als ein konventionelles Kettenblatt, ist ein spezieller Kurbelsatz mit angepasster Kröpfung im Lieferumfang enthalten. Dadurch wird der Q-Faktor den neuen Gegebenheiten angepasst.
Alle Teile werden in Deutschland entwickelt und gefertigt.
Drehmoment des Binova
Binova-Flow überträgt mehr als 65 Nm Drehmoment über die Kette oder einen Riemenantrieb auf das Hinterrad, das mit einer Ketten- oder Nabenschaltung versehen sein kann. Binova empfiehlt bei Nabenschaltungen den Einsatz des als Zubehör erhältlichen Schaltzugsensors. Dieser unterbricht beim Schaltvorgang den Kraftfluß vom Motor, um die Schaltnabe nicht zu beschädigen.
Akkus für den Binova Flow
Die Stromversorgung erfolgt über einen Akku in 36-Volt-Technologie mit unterschiedlichen Kapazitäten und Bauformen.
Die beiden Unterrohrakkus bieten 11,6 Ah und 417 Wh bzw. 16 Ah und 576 WH, der Gepäckträgerakku 12,8 Ah und 460 Wh. Binova gibt für die Unterrohrakkus eine Reichweite von bis zu 110 km (11,6 Ah) bzw. 180 km (16,0 Ah), für den Gepäckträgerakku von bis zu 120 km an.
Alle Akkus verfügen über eine integrierte Füllstandsanzeige und werden mit dem serienmäßigen Ladegerät (2A) gefüllt. Der Akku kann dabei am Rad verbleiben oder auch abgenommen werden. Letzteres ist meiner Meinung nach immer noch wichtig. Denn gerade auf Reisen ist eine Steckdose nicht immer in der Nähe des Rades zu finden.
Soll der Akku am Rad geladen werden, muss das System vorher ausgeschaltet sein. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Fehleranzeige, die sich jedoch durch Ausschalten des Systems, Abnehmen des Displays, Draufstecken desselben und Aktivieren des Systems zurücksetzen lässt.
Bedienung des Binova
Die Bedienung des Systems erfolgt über eine abgesetzt am Lenkerende montierte Bedieneinheit mit drei Tasten. Man kann sehr intuitiv sowohl die Unterstützungsstufe (vier Stück) wählen, die Schiebehilfe aktivieren oder die Anzeige des Displays ändern.
Intern wird zur Kommunikation der Komponenten untereinander der EnergyBus verwendet.
Display für den Binova
Das Display vom deutschen Hersteller Marquart wird in der Mitte des Lenkers montiert und kann mit einem Handgriff von der Haltekonsole gelöst oder auch diebstahlhemmend befestigt werden. Mit einem gummierten Taster am oberen Rand des Displays wird das System aktiviert. Das große Display ist je nach Umgebungslicht hinterleuchtet und informiert übersichtlich über alle wichtigen Parameter:
- Aktuelle Geschwindigkeit
- Durchschnittsgeschwindigkeit
- Gefahrene Strecke
- Gesamtstrecke
- Geschätzte Restreichweite
- Gewählte Unterstützungsstufe
- Uhrzeit
- Fahrzeit
- Datum
- Akkufüllstand und
- Eigenleistung des Fahrers in Watt
Zusätzlich könnte auch eine über den EnergyBus angeschlossene Beleuchtung angesteuert werden.
USB-Port mit echter Ladefunktion
Zusätzlich kann man am USB-Port am Display zum Beispiel das Smartphone laden. Dabei wird nicht lediglich nur die momentane Ladung des Geräts erhalten, sondern der Akku tatsächlich aufgefüllt. Der Akku des Binova-Flow kann also auch als gigantische Powerbank genutzt werden.
Umbau des Fahrrads zum E-Bike
Wer ein konventionelles Rad zu einem Pedelec umrüstet, gilt als Hersteller des Pedelecs und haftet bei eventuellen Schäden, die aus dem Umbau resultieren. Aus diesem Grund werden Umrüstsätze vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) eher kritisch gesehen, wie mir Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands e.V. (ZIV) im Rahmen der diesjährigen Eurobike bestätigte.
Trotzdem ist die Umrüstung zum Pedelec und der Einsatz im Straßenverkehr legal, wohingegen das Tuning an einem Pedelec bzw. der Einsatz desselben im Straßenverkehr illegal ist. Leider werden beide Begriffe in den Medien oftmals synonym verwendet.
Binova begegnet der Haftungsfrage sehr konsequent: Der Umbau eines Rades zum Pedelec mit Binova-Flow wird nur von Binova selbst vorgenommen, und das auch nur an Rädern, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Dazu erhält der Interessent im Vorfeld einen ausführlichen Fragebogen um die Eignung von Rad und Rahmen für einen Umbau zu prüfen. Im Zweifel bittet Binova, wie im Fall meines Rades, um aussagekräftige Fotos zur Beurteilung. Sind alle Zweifel an der Eignung des Rades beseitigt, kann es an den Umbau gehen.
Dafür gibt es derzeit (Stand 11/2017) zwei Möglichkeiten: Entweder man bringt das Rad bei Binova in Glashütte bei Dresden vorbei, übernachtet auf Kosten von Binova in einem Hotel in Dresden und nimmt am nächsten Tag das umgebaute Rad mit nach Hause.
Oder man schickt das Rad zu Binova und erhält das umgebaute Rad wieder per Spedition nach Hause. Bei dieser Möglichkeit übernimmt Binova die Versandkosten eines Weges.
Ich habe mich für die erste Variante entschieden und habe mir natürlich den Umbauvorgang angesehen, der alles in allem etwa eine Stunde dauert:
Ein kleines Problem gibt es bei meinem Rad aber offensichtlich mit der Kettenlinie, wie sich bei der Probefahrt zeigte: Immer wenn ich auf das größte Ritzel schaltete, fiel die Kette am Kettenblatt nach innen. Christian Kandler, Technischer Leiter bei Binova, drehte deshalb das Kettenrad um: Nun zeigte die Kröpfung in die andere Richtung, das Problem war beseitigt.
Da der Binova-Flow nur mit einem Kettenrad betrieben werden kann, müssen die Unterstützungsstufen als Ersatz für die beiden „verlorenen“ Kettenblätter herhalten.
Erste Fahreindrücke mit dem Binova Flow
Da der Umbau sehr zügig vonstattenging, konnte ich den Rest des Tages noch eine erste Tour um Glashütte machen. Wer die Gegend kennt, weiß, dass es dort einige interessante Steigungen gibt, vor allem die hoch zur Sternwarte Wempe hat es in sich.
Auf diesen Steigungen hat mich der Antrieb schon sehr positiv überrascht: Die Unterstützung ist tatsächlich nahezu lautlos und sehr kräftig, ohne dass man das Gefühl hat „gefahren zu werden“.
Nach dem Umbau tritt man etwas breitbeiniger als zuvor (jedoch nicht so wie bei einem Fatbike), woran man sich aber schnell gewöhnt.
Das Kurvenfahren bedarf etwas mehr Gewöhnung: Durch den geänderten Q-Faktor sitzen die Pedale etwas weiter außen. Dadurch setzt das kurveninnere Pedal im unteren Totpunkt früher auf als bisher. Nach den ersten Kratzern am Pedal hat man das aber auch verinnerlicht.
Trotz Pedelec-Antrieb erlebt man das gewohnte Radfahrgefühl, auch weil der Binova-Flow tatsächlich kaum zu hören ist: nur ein leises Rauschen dringt ans Ohr. Sind etwas grobstolligere Reifen montiert, ist das Laufgeräusch der Räder lauter als das des Antriebs.
Durch den doppelten Freilauf wird der Motor beim Erreichen der maximalen Unterstützungsgeschwindigkeit unmerklich ausgekuppelt, so dass man keine zusätzliche Tretleistung für den jetzt inaktiven Elektroantrieb aufbringen muss.
Beim genauen Hinhören kann man beim Treten ein leises Klickern des Freilaufs vernehmen, das mich persönlich an das Geräusch der legendären Torpedo-Dreigangnabe im dritten Gang erinnert.
Fällt die Geschwindigkeit unter die maximale Unterstützungsgeschwindigkeit, erfolgt das Einkuppeln sanft und vollkommen automatisch; der Zusatzschub setzt ohne Verzögerung ein. Prima!
Erstaunlicherweise stört das mit rund 6 kg recht hohe Gewicht des Motors nicht beim Pedalieren. Das liegt vermutlich daran, dass sich das Gewicht nah an der Tretlagerachse befindet.
Sehr interessant: Beim Schalten unterbricht der Antrieb kurz die Unterstützung, um einen möglichst verschleißarmen Gangwechsel zu ermöglichen. Und das, obwohl bei meinem Rad kein Schaltzugsensor verbaut ist!
Des Rätsels Lösung: Die Sensorik im Tretlager erkennt den für Gangwechsel typischen Drehmomentverlauf, unterbricht kurz den Vortrieb und setzt nach dem Schaltvorgang wieder ein.
Trotzdem gewöhne ich mir an, beim Schalten kurz den Druck vom Pedal zu nehmen. Ich habe den Eindruck, dass der Schaltvorgang auf diese Weise sanfter vonstattengeht. Leiser ist’s auf jeden Fall, denn der satte „Lastwechselschlag“ entfällt.
Erste Fahrt im Alltag
Wieder zu Hause stehen zunächst die alltäglichen Fahrten ins Büro an.
Bereits bei der ersten Fahrt rolle ich nach wenigen Kilometern aus: Die Kette bzw. die Vernietung hat der Kraft des Antriebs nicht widerstanden und die Lasche aufgebogen.
Gut, dass ich meinen Kettennieter dabei habe und so geht es nach wenigen Minuten weiter. Doch ein paar Kilometer weiter das gleiche Problem, vermutlich habe ich nicht sorgfältig genug gearbeitet. Die letzten fünf Kilometer ins Büro schiebe ich mein Rad und ärgere mich über mich selbst: Binova empfiehlt beim Einbau des Antriebs auch den Tausch auf eine für ein Pedelec geeignete Kette. Auf den Rat hätte ich wohl besser gehört.
Da ich den Weg nach Hause nicht schieben will, gibt mir diese Panne Gelegenheit, den Pannendienst des ADFC zu testen.
Und das klappt gut: Nach einem Anruf und Schilderung des Problems erfolgt später ein Rückruf vom ADFC. Ich habe die Wahl, das Rad zu einer Werkstatt in der Nähe zu bringen oder es von dieser abholen zu lassen. Ich entscheide mich, das Rad in der Mittagspause hinzubringen, wo man mich schon erwartet und auch eine passende Kette vorrätig hat.
Nach Feierabend kann ich dann die Fahrt mit neuer, pedelectauglicher Kette nach Hause antreten. Die Kosten für die Kette trage ich, die der Montage trägt der ADFC. Prima Sache! Und um es vorwegzunehmen: Die Kette hat ab jetzt gehalten.
In den nächsten Tagen stelle ich fest, dass die Unterstützung des Antriebs auch in der unteren Stufe für mich kräftig genug ist. Damit ist der Binova-Flow der erste Antrieb, den ich im Test nicht dauerhaft in der höchsten Unterstützungsstufe fahre, was selbstverständlich der Reichweite entgegen kommt.
Doch dafür tritt das Problem mit der abfallenden Kette beim größten Ritzel wieder auf. Ich löse es „quick & dirty“ indem ich den Umwerfer so einstelle, dass er das größte Ritzel nicht mehr erreicht. Für andere Experimente fehlt gerade die Zeit denn der
Test auf dem Candy B. Graveller
steht an. Nicht ganz zufällig fiel meine Wahl des umzurüstenden Rades auf mein „Laubfrosch“ genanntes
Reiserad, ein von mir modifiziertes Carver Pure 150. Denn erstens haben wir schon viele gemeinsame Reisekilometer gesammelt und zweitens wollte ich auf der Strecke des Candy B. Gravellers von Frankfurt am Main nach Berlin fahren, seitdem ich beim offiziellen Start ein paar Wochen zuvor dabei war.
Beim „Candy“ handelt es sich um eine Fahrt im Selbstversorgermodus über unbefestigte Wege, ideal für Gravelbikes oder, wie in meinem Fall, für Mountainbikes.
Die offizielle Tour fand Ende April statt. Doch da der Kodex nur das Fahren mit reiner Muskelkraft vorsieht, hätte ich mit dem Pedelec nicht teilnehmen dürfen. Deshalb habe ich mich mit dem Initiator des „Candy“, Gunnar Fehlau, in Verbindung gesetzt und mir sein Einverständnis geholt. Der ausführliche Bericht meiner Fahrt auf dem Candy ist im Artikel „Radreise: Abenteuer E-Bikepacking auf dem CandyBGraveller“ zu finden.
Ich habe den „Laubfrosch“ ein wenig für die Reise modifiziert: Rechts vom Display am Vorbau habe ich das Garmin Etrex montiert, auf dem der Track gespeichert ist. Zusätzlich habe ich links vom Display noch ein Smartphone montiert und teste auf der Strecke mit Finn und Rubberman gleich noch zwei Halterungen.
Damit ich die Lenkertasche trotz des Displays noch montieren kann, haben ich einen entsprechenden Adapter von Klickfix verbaut.
Zwei Trinkflaschen sind an der Gabel, eine hinter dem Sattel befestigt, außerdem rollt das Rad auf Schwalbes Racing Ralph.
Die Wald- und Wiesenwege sind teils sehr ruppig, auch manche ungewollten Drops (kleine Sprünge) sind dabei, außerdem regnet es teils viel und ausgiebig. Doch all das beeindruckt weder den Antrieb, noch das Display, die Bedieneinheit, den Akku oder dessen Befestigung. Der Binova-Motor tut zuverlässig seinen Dienst, schiebt mich kraftvoll viele Anstiege hoch und ermöglicht mir auf den Geraden auch bei Gegenwind oder bei tiefen Sandstrecken in Brandenburg das Tempo hoch zu halten.
Doch die Physik gilt auch für den Biova-Flow: Wenn es keinen Grip am Hinterrad gibt, weil es zu matschig oder zu steil (oder beides zugleich) ist, hilft auch die größte Kraft nicht weiter und ich muss schieben. In solchen Fällen freue ich mich über die Schiebehilfe, die je nach Modus unterschiedlich kräftig anschiebt.
Um eine möglichst große Reichweite zu erzielen, fahre ich, wo immer möglich, in der kleinsten Unterstützungsstufe. Das Display verrät mir dabei auch, wie viele Watt ich selbst trete, was ich als sehr praktisch empfinde.
Am Ende stehen nach acht Tagen in Berlin mehr als 650 km auf der Uhr. Die Akkureichweite betrug trotz des anstrengenden Höhenprofils maximal 125 km, was ich als wirklich seht gut empfinde. Das Nachladen bei Pausen in Restaurants war übrigens nie ein Problem. Und so kamen auf meiner längsten Tagesetappe für mich sagenhafte 175 km zusammen!
Für mich ist ganz klar: Ohne den Binova-Flow, der mich stets kraftvoll und vor allem zuverlässig unterstützt hat, hätte ich diese Strecke in der Zeit nicht bewältigen können! Diesen Teil des Tests hat der Binova-Flow mit Bravour gemeistert.
Und nur nebenbei: Mein persönlicher Energieverbrauch lag zwischen 3.500 und 5.500 kcal pro Tag! Soviel zum Thema „Pedelec-Fahrer werden gefahren“.
Die Rückfahrt von Berlin habe ich mit der Bahn erledigt und obwohl der Binova-Flow, noch dazu in meiner Version mit dem größten Akku, nicht zu den leichtesten zählt, ist das Gewicht wegen der sehr zentralen Lage um das Tretlager gut zu händeln.
Im Zug nach Hause ergaben sich dann auch ein paar nette Gespräche mit Mitreisenden, die am Antrieb sehr interessiert waren.
Verschiedene Nutzerprofile
Der Binova-Flow kann an viele verschiedene Fahrräder montiert werden, darunter auch Liege- und Lastenräder. Amazon liefert in München übrigens mit Lastenrädern aus, die mit dem Antrieb aus Glashütte ausgerüstet sind.
Seit kurzem ist auch ein Handbike mit dem Binova unterwegs, und das zur vollen Begeisterung des Fahrers, wie mir Katja Söhner-Bilo, die Geschäftsführerin von Binova, verriet.
Diese verschiedenen Nutzerszenarien sind natürlich nur sinnvoll möglich, wenn der Antrieb auch verschiedene Nutzerprofile vorsieht. Binova hat davon fünf entwickelt: „City“, „Tour“, „Hill“, „Cargo“ und „Special“.
Eines der fünf Profile ist bei Auslieferung aktiv, die weiteren können je nach Bedarf heruntergeladen und mit Hilfe eines speziellen USB-Kabels auf das System überspielt werden.
Bis auf „Special“ habe ich alle für euch durchprobiert.
Profil „City“
Im Profil „City“ setzt die Leistung des Antriebs sanft ein und steigt ebenso sanft an. Daraus ergibt sich eine gute Reichweite. Alles in allem zeigt sich der Binova-Antrieb in diesem Profil kräftig aber dennoch zurückhaltend und ist ideal für entspanntes Fahren in der Stadt. Es fühlt sich aber für den geübten Pedelec-Fahrer an wie das Fahren mit angezogener Bremse.
Profil „Tour“
Mit diesem Profil wurde mein Testexemplar ausgeliefert. Wie der Name sagt, ist das Profil auf maximale Reichweite getrimmt, ohne jedoch den Fahrspaß einzuschränken. Die Unterstützung startet kräftiger als beim City-Profil und steigt auch steiler an, das Fahren fühlte sich für mich harmonisch und kraftvoll an. Dieses Profil habe ich auf meiner Tour auf dem Candy B. Graveller genutzt und es hat sich bewährt, wie die Reichweite von bis zu 125 km eindrucksvoll zeigt.
Profil „Hill“
Hier geht die Unterstützungskurve von Beginn an steil nach oben, auf ebenen Strecken oder bei kurzen Anstiegen kommt man mit dem Schalten kaum hinterher. Dieses Profil ist richtig für alle, die lange und steile Anstiege bezwingen müssen. Natürlich geht dies zu Lasten der Reichweite.
Profil „Cargo“
Klar, hier geht’s um das Bewegen von Lasten. Und deshalb liefert der Binova gleich zu Beginn eine ordentliche Schippe Drehmoment an die Kette und zeigt was er kann. Im weiteren Verlauf steigt die Leistungskurve jedoch sanfter an als beim Profil „Hill“. Das passt aber prima beispielsweise zu Fahrten mit dem Fahrradhänger. Logischerweise geht dieses Profil nicht ganz so sparsam mit dem Akkustrom um, von nichts kommt nichts.
Die Profile „City“ und „Tour“ lassen sich prima fahren und sind fürs alltägliche Radfahren gut geeignet, wobei „Tour“ für mich im Alltag den meisten Spaß machte.
Beim Profil „Hill“ wirkt der Binova etwas ungeduldig: Kaum fällt die die Geschwindigkeit unter die Unterstützungsgrenze, „schubst“ die kräftige Unterstützung des Antriebs die Fuhre wieder über die Unterstützungsgrenze. Kann man aber, warum auch immer, diesen Speed nicht halten, wird man immer wieder drüber geschubst.
Noch auffälliger ist das im Profil „Cargo“, das aber natürlich nicht für Radfahren unter „Normalbedingungen“ gedacht ist. Beim „normalen“ Pedelec ergibt sich in diesen beiden Profilen ein recht unharmonisches Fahren im Geschwindigkeitsbereich um die Unterstützungsgrenze (und eben nur dort!) herum.
Richtig klasse wäre es, wenn die Profile im System gespeichert wären und man diese einfach per Tastendruck am Display ändern könnte. Dann würden beispielsweise Einkaufsfahrten mit Hänger gleich noch mehr Spaß machen: Ohne Hänger im Profil „Tour“, mit beladenem Hänger im Profil „Cargo“.
Ferndiagnose
Der Binova-Flow wird als Nachrüstlösung sozusagen im Direktvertrieb verkauft. Die mitgelieferte Dokumentation des Systems ist vorbildlich umfangreich und verständlich, das habe ich so noch nicht gesehen.
Sollte es trotzdem einmal zu einer Fehlfunktion kommen, können mit dem „Binova Pedelec Service Tool“ (für Windows-Rechner) und dem mitgelieferten speziellen Kabel, mit dem die Fahrprofile aufgespielt werden, auch Fehlerprotokolle ausgelesen und bei Bedarf zu Analysezwecken an Binova gemailt werden.
Die Protokolle liegen im csv-Format vor und können mit einem handelsüblichen Programm zur Tabellenkalkulation geöffnet werden. Natürlich habe ich das mal zu Testzwecken ausprobiert: Mein Testexemplar hatte über den gesamten Testzeitraum keine Fehlfunktion.
Nachhaltig weil wiederverwendbar
Ein Vorteil des Binova-Antriebs sind die langen Garantiezeiten:
- Akku: 30 Monate
- Display & Tretlager (gesetzlich): 24 Monate und auf den
- Motor: 36 Monate
jeweils gerechnet ab Verkaufsdatum. Doch da der Antrieb selbst wartungsfrei sowie hermetisch geschlossen und vor Witterungseinflüssen geschützt ist, sind sehr lange Funktionszeiten zu erwarten.
Auch die Verwendung des EnergyBus-Standards zeigt, dass Binova weiter denkt. Denn so könnte später zum Beispiel auch der Akku eines anderen Herstellers verwendet werden.
Deshalb kann der Antrieb natürlich auch beim Wechsel des Rades weiter genutzt werden. So gesehen ist die Investition in den Antrieb gut angelegt und im wahrsten Sinne nachhaltig.
Einfache Demontage
Die Demontage des Binova-Drives ist sehr leicht zu bewerkstelligen, es sind nur einige Schrauben zu lösen. Neben handelsüblichem Werkzeug werden nur eine Seegerring-Zange und der zum Tretlager passende Schlüssel benötigt. Die Arbeiten selbst sind innerhalb von etwa 30 Minuten gut erledigt.
Danach kann der Antrieb dann von Binova selbst oder einer qualifizierten Werkstatt an das neue Rad montiert werden. Oder, wie in meinem Fall, am Ende des Testzeitraums wieder per Versand zurückgeschickt werden.
Eigene Radmarke
Der Binova-Flow ist als Nachrüstlösung eine prima Sache. Doch manch einer möchte statt einer Nachrüstlösung lieber ein fertiges Pedelec erwerben.
Deshalb gibt es seit kurzem eine eigene Radmarke, die den Binova-Antrieb serienmäßig verbaut: Rethink-Bikes.
Neben dem Binova-Antrieb haben die Räder von Rethink-Bikes noch eine weitere Besonderheit zu bieten: Bei allen Rädern kommt als Rahmenmaterial Stahl zum Einsatz.
Und das passt ganz hervorragend zum Binova-Antrieb: Denn Rahmen aus Stahl sind zum einen sehr robust, langlebig und komfortabel. Zum anderen sind sie aber auch überaus nachhaltig. Denn am Ende des Lebenszyklus können Rahmen aus Stahl einfach und kostengünstig wieder in den Ressourcenkreislauf eingebracht werden.
Zum Markteintritt bietet Rethink-Bikes drei Räder:
Das City-Low ist ein Rad mit eher tiefem Einstieg und einem wirklich bemerkenswerten Rahmenlayout, das den Akku an den Seiten schützend umschließt.
Beim City-High wird ein eher traditioneller Diamant- oder Herrenrahmen verwendet. Und mit dem Longtail interpretiert Rethink-Bikes das Thema „Lastenrad“ auf eine ganz eigene Art. In Planung ist darüber hinaus noch ein Cargo-Bike.
Die Räder können auch von Firmen geleast oder auch von Endverbrauchern bis zum 31.12.2017 zu 0% finanziert werden. Nähere Informationen sind online unter www.rethink-bikes.de zu finden.
Gerade das Longtail, aber auch das City-Low mit seinem außergewöhnlichen Rahmen sind interessante Konzepte und heben sich angenehm aus der Masse hervor.
Fazit: Toller Antrieb für Alltag und Reise!
Ich habe schon einige tausend Kilometer auf zu Pedelecs nachgerüsteten Rädern zurückgelegt. Der Binova-Drive begeistert durch die vielen möglichen Einsatzmöglichkeiten. Er kann am Reiserad, aber auch am Cityrad, am Lasten- und Liegerad und sogar an einem Handbike eingesetzt werden und bietet, gerade mit dem großen Akku, eine enorme Reichweite.
Außerdem glänzt er mit einem sensiblen Ansprechverhalten und auch durch den völlig problemlosen Umgang. Die Ausführung und Qualität aller Komponenten bewegt sich auf einem sehr hohen Niveau, was kein Wunder ist: Die Wurzeln von Binova liegen im Automotive-Bereich.
Die Unterstützung des Binova-Drives erfolgt sehr harmonisch und homogen, das zum Anwendungsszenario passende Antriebsprofil vorausgesetzt. Das Fahren oberhalb der Unterstützungsgrenze ist durch den doppelten Freilauf sehr angenehm möglich.
Die zentrale Einbauposition des Motors sowie die Montage des beim Testsystem ca. 3,5 kg schweren Akkus am Oberrohr sorgen für eine ausgewogene Gewichtsverteilung.
Dadurch ist auch das mit knapp 6 kg recht hohe Gewicht des eigentlichen Antriebs beim Fahren nicht spürbar. Beim Pedalieren stört das hohe Gewicht des Motors nicht.
Auf meiner Tour auf dem Candy B Graveller waren auch teils trailartige Singletracks dabei, die Dank des guten Handlings des Rades kein Problem waren. Auf dieser Route konnte der Antrieb – und alle seine Komponenten – auch bei ruppigen Abfahrten, steilen Anstiegen und stundenlangen Regenfahrten überzeugen, es gab keinerlei Ausfälle.
Doch auch im Alltag schätzte ich die Zuverlässigkeit des Konzepts, die hohe Reichweite und die kräftige Unterstützung, beispielsweise beim Anhängerbetrieb. Bei der Umrüstung selbst sollte man jedoch dem Rat von Binova folgen und auch direkt eine neue, Pedelec-geeignete Kette montieren. Denn mehr als 65 NM in der Spitze sind für eine reguläre Fahrradkette fast zu viel der Belastung.
Wünschenswert wäre die Möglichkeit, die unterschiedlichen Fahrprofile, oder vielleicht zumindest zwei davon, direkt über das Display abrufen zu können, statt diese umständlich per PC einzuspielen. Das würde die Variabilität des Antriebs noch verbessern.
Aus meiner Sicht ist der Binova-Drive ideal für Menschen, die sich ein Pedelec wünschen, ohne auf das geliebte hochwertige Rad zu verzichten. Diese erhalten mit dem Binova-Flow ein Nachrüstsystem mit einem sehr breiten Einsatzbereich und hoher Reichweite.
Das mit Rethink-Bikes auch fertige Pedelecs mit dem Binova-Drive zur Verfügung stehen, wird all jene freuen, die ein fertiges Komplett-Pedelec bevorzugen.
Sowohl beim mit dem Binova-Drive nachgerüsteten als auch beim serienmäßig mit dem Antrieb versehenen Rad erhält der Kunde ein Pedelec, das mit dem hochwertigen Antrieb dem Tretgefühl eines „normalen“ Fahrrads sehr nahe kommt und sich bei der Unterstützungsleistung nicht vor anderen serienmäßigen Pedelecs zu verstecken braucht.
Der Binova-Flow schlägt in der Ausstattung des Testsystems mit 1.950€ zu Buche (Stand: 11/2017).
Zugegeben: das ist viel Geld. Angesichts der tollen Eigenschaften, der zu erwartenden Langlebigkeit, der Möglichkeit, den Antrieb auch zu anderen Rädern „mitnehmen“ zu können und nicht zuletzt auch des Labels „Made in Germany“ geht das meiner Meinung aber nach in Ordnung.
Mein Dank geht an Binova-Technologie dafür, dass der Antrieb für den Test kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde.
[Fotos: VeloStrom]
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Hallo Alexander,
ein wirklich toller Bericht zum Antrieb!
Du hast alle Aspekte betrachtet, von der Montage über die Nutzung bis hin zur Fehleranalyse und der Demontage. Sehr eindrucksvoll und sehr gut geschrieben – der Reisebericht übrigens auch.
Das Konzept des binova flow ist wirklich interessant, auch die verschiedenen per Software anpassbaren Apllikationen. Ich hoffe, ich werde im Pedelecmonitor auch ein paar Fahrer darstellen können, um etwas über die Langlebigkeit bzw. Robustheit aussagen zu können.
Die Fahrt nach Berlin samt Gepäck ist schon eine sehr hohe Belastung für Motor und Akku, insbesondere wenn ich mir die Mords-Steigung am Weinberg anschaue. Die ganzen 650km auch noch Pannenfrei (zumindest aus Sicht von Motor und Akku) – die beste Werbung für zuverlässige Trekkingbike-Antriebe.
Weiterhin viel Freude beim Testen, Bewerten und Schreiben!