[at] Das ST2S ist das Spitzenmodell in der Modellpalette von Stromer und war für einige Wochen im Dauertesteinsatz bei VeloStrom. Wie es sich geschlagen hat könnt ihr hier nachlesen.
Das ST2S war rund sechs Wochen bei VeloStrom im Einsatz. Dabei habe ich es zum Pendeln ins Büro, aber auch zu Einkaufsfahrten und der ein oder anderen Tour genutzt.
Jetzt bin auf dem Weg zur deutschen Niederlassung von Stromer im hessischen Riedstadt, im Auto das Stromer ST2S, das ich nach dem Dauertest zurückbringe.
Und fast ist es so, als würde ich von einem guten Freund Abschied nehmen, aber der Reihe nach.
Schweizer Understatement
Der grau lackierten Rahmen mit dezenten roten Applikationen sorgt für Schweizer Understatement, man muss schon ein Kenner sein, um
das monetäre Potential dieses S-Pedelec richtig einzuschätzen. Denn das Stromer ST2S ist als Spitzenmodell mit allem ausgestattet, was gut und teuer ist: Carbon-Gabel, Supernova-Scheinwerfer (mit Fernlichtfunktion) und –Rücklicht (mit Bremslichtfunktion), Shimanos Di2-Schaltung, Magura MT05-Bremsen, Ergon-Handgriffe, integriertes Tagfahrlicht und Display im Rahmen… und das waren nur die offensichtlichen Highlights. Ebenfalls offensichtlich: Ein Gepäckträger fehlt. Dieser wird dem ST2S serienmäßig vorenthalten, wohl um die elegante Linie nicht zu stören. In Anbetracht der Positionierung des S-Pedelecs als schnelles Pendlerfahrzeug ist diese Entscheidung für mich schwer zu verstehen; als Pendler transportiere ich persönlich mein Gepäck ungern im Rucksack. Aber immerhin ist der Gepäckträger nachrüstbar.
Außerdem kann das Stromer ST2S mit der OMNI-App (für iOS und Android kostenfrei erhältlich) verbunden werden. Bei der App und bei der elektro-mechanischen Di2-Schaltung dachte ich zuerst „Braucht kein Mensch“, doch mittlerweile sehe ich das anders. Aber dazu später.
Insbesondere und erstaunlicherweise bei Rennrad-Fahrern kam das ST2S sehr gut an, ein stellvertretendes Zitat an dieser Stelle: „Na, DAS E-Bike macht ja mal wirklich was her!“ Und auch der Rennradler, dem ich unterwegs Windschatten gegeben habe war begeistert: Bei Gegenwind war er auf der Strecke noch nie mit 45 km/h unterwegs gewesen. Überhaupt: Die Neugier und Akzeptanz bei allen Radler war groß.
Sportlicher Charakter
Der Schweizer Hersteller Stromer baut ausschließlich S-Pedelec, also Pedelecs, deren Antrieb bis 45 km/h unterstützen. Dafür sorgt ein SYNO-Drive genannter Hinterradnabenmotor mit 35Nm, der das ST2S samt Fahrer und (Rucksack-) Gepäck praktisch lautlos auf 45 km/h beschleunigt. Wie bei normalen Pedelecs auch muss man natürlich mittreten, und ich hatte das Gefühl, dass ich ab 40 km/h etwas engagierter in die Pedale treten musste um die 45 km/h zu erreichen. Wirklich störend ist das nicht, denn es passt prima zum sportlich-fordernden Charakter des Bikes. Immerhin will man ja fahren und nicht gefahren werden. Dieses S-Pedelec ist vom viel zitierten „Renter-Elektrorad“ in etwa so weit entfernt wie ein Fiat 500 von einem Ferrari.
Zur sportlichen Auslegung passt dann auch das sehr steife und harte Fahrwerk des ST2S. Daran ändern auch die leicht flexende Carbongabel und die Ballonreifen von Conti (Topcontact 50) wenig. Immerhin lässt sich über die Anpassung des Luftdrucks der Reifen eine Hauch von Komfort erreichen: Mit minimalem Luftdruck gefahren erkennt man bei einer auf dem Boden liegenden Euromünze ob Kopf oder Zahl oben liegt. Ist der Luftdruck maximal erkennt man zusätzlich, in welchem Land die Euromünze geprägt wurde.
Natürlich ist der Vergleich etwas überspitzt, aber er zeigt sehr gut, dass das Stromer weniger für ondulierten Bodenbelag gemacht ist. Auf solcherlei Strecken empfiehlt es sich besonders, die Körperspannung zu halten, den Kiefer locker zu lassen und die Zunge tunlichst nicht zwischen die Zähne zu nehmen.
Auf erstklassischem Asphalt gibt es am Fahrverhalten des ST2S nichts zu kritteln: Bombenstabil zieht es seine Bahn. Da wackelt, rappelt oder zappelt nichts. Trotzdem ist es noch handlich genug um Biegungen mit breitem Grinsen zu durcheilen.
Interessantes Detail am Rande: Die hintere Steckachse ist von der rechten Seite des Bikes gesehen nicht zu sehen: Die Aufnahme ist nicht durchgebohrt.
Di2? Di2!
Die Abstimmung der 1×11-Schaltung am Stromer ST2S passt perfekt zu meiner Fahrweise: Die Gänge sind sehr angenehm abgestuft und erlauben die Nutzung jedes einzelnen Ritzels, wenngleich die Gänge 1-6 bei aktiviertem Antrieb praktisch nicht benötigt werden. Bei deaktiviertem Antrieb oder leerem Akku hingegen gelangte ich auf ebener Strecke kaum über den achten Gang hinaus.
Beim ST2S wird elektromechanisch mittels Shimanos Di2-Schaltung geschaltet: Der Gangwechsel wird über einen leichten Fingertipp auf den kleinen (kleineres Ritzel) oder den großen (größeres Ritzel) Schalter ausgelöst und per Stellmotor am Hinterrad elektrisch vorgenommen. Die Energieversorgung übernimmt ein kleiner Akku, dessen Energiestand und der gerade anliegende Gang in einem kleinen Display angezeigt wird. Dies, wohl um Strom zu sparen, jedoch nur kurz nach einem Schaltvorgang, aber daran gewöhnt man sich rasch.
Die Akkustandsanzeige wird über 5 Balken signalisiert, geladen wird über ein USB-Kabel. Während des gesamten Testzeitraums über rund sieben Wochen und mehr als 1.200 km wurden 3 von fünf Segmenten „aufgebraucht“; und ich schalte viel. Über eine zu geringe Kapazität muss man sich also keine Sorgen machen. Und selbst wenn der Akku der Di2 plötzlich leer sein sollte, sind noch für rund 250km Schaltvorgänge drin, sagt Shimano. Und im Falle des ST2S könnte man über die im Tagfahrlicht untergebrachte USB-Schnittstelle zur Not den Akku der Di2 mit dem Akku des ST2S laden. Vorausgesetzt man hat das passende Kabel dabei…
Die Gangwechsel selbst erfolgen flink, extrem präzise, vollkommen mühelos und von einem leisen „piep“ sowie dem ebenso leisen Summen des Servos begleitet. Ist das letzte Ritzel erreicht wird das durch ein „doppel-piep“ signalisiert. Natürlich: Bowdenzugschaltungen haben heute auch ein sehr hohes Maß an Präzision zu bieten. Doch an diese neue, mühelose Art der Schaltung habe ich mich sehr schnell gewöhnt.
Ein Nachteil im Zusammenhang mit dem ST2S muss aber erwähnt werden: Man sollte auf ruppigen Strecken den Finger tunlichst nicht in der Nähe der Schalter platzieren. Sonst schaltete man bei einem Schlagloch plötzlich ungewollt, weil man den Schalter flüchtig berührt hat…
Read the street!
Das Stromer ST2S ist ein sportlich-forderndes S-Pedelec. Schon beim Anfahren geht das los: Bringt der Fuß über das Pedal beim Aufsteigen nur leichten Druck auf die Kette stürmt das Bike kräftig los: Der 500-Watt-Motor schiebt kraftvoll und praktisch lautlos an, die 11 Gänge sind ruckzuck durchgeschaltet und man fliegt mit 45 km/h dahin. Gerade in der dritten Unterstützungsstufe scheint es ständig zu rufen „Na, da geht noch was!“. Deshalb war auch die dritte Stufe die von mir meist genutzte.
Doch obacht: Für andere Verkehrsteilnehmer kommt da ein Fahrrad, niemand rechnet damit, das es in der Ebene innerorts fast so schnell wie ein PKW ist!
Und das hat Folgen: Da wird mal eben schnell trotz entgegenkommendem Stromer links abgebogen oder das vermeintlich langsame Fahrrad überholt und dabei der Überholweg unterschätzt. Schnell ist der PKW-Lenker dann statt der erlaubten 50 km/h mit 70 km/h unterwegs um noch vor dem Gegenverkehr den Überholvorgang abgeschlossen zu haben. Wer Stromer fährt sollte hellwach sein.
Doch nicht nur auf den Verkehr sollte man ein waches Auge haben, auch der Straßenzustand sollte gut unter Beobachtung sein: Durch die hohe Geschwindigkeit und das harte Fahrwerk des Stromers erscheinen bekannte Schlaglöcher doppelt so tief: Das ST2S fühlt sich auf topfebenem Asphalt am wohlsten.
Insofern ist es fast zu begrüßen, das man in der Regel eh nicht auf Radwegen fahren darf, da die Straßen in Deutschland meist die bessere Qualität haben. Doch auch dort nicht immer: Eine längere Strecke habe ich auf dem ST2S meist auf den Pedalen stehend zurückgelegt, gerade auf diesem Abschnitt hätte ich mir ein Fully gewünscht.
Omni-App
Das Stromer ST2S verfügt über drei Unterstützungsstufen. Diese werden über die Parameter „Drehmoment“, „Geschwindigkeit“ und „Agilität“ definiert. Letzterer beschreibt die Art, wie sensibel der Antrieb auf wechselndes Drehmoment, sprich Zug an der Kette, reagiert. In der Unterstützungsstufe 1 stehen alle Regler auf der kleinsten Einstellung, in Stufe 2 auf der mittleren, in Stufe 3 auf der größten Einstellung. Stufe eins und drei sind von Stromer fest definiert während Stufe zwei über die OMNI-App vom Benutzer individuell eingestellt werden kann.
Was zunächst wie eine Spielerei anmutet, lernte ich schnell als nützliches Werkzeug zur Anpassung an individuelle Belange kennen. Beim Einstellen wird grafisch und einfach verständlich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Einstellungen und der erzielbaren Geschwindigkeit bzw. Reichweite visualisiert. Durch die Vielzahl der möglichen Kombinationen dauert es schon eine Weile bis die individuell beste Einstellung gefunden ist. Die Bezeichnung „Tuning“ im Menüpunkt von Omni ist allerdings etwas irreführend: Denn die Unterstützungsleistung endet gesetzeskonform immer bei 45 km/h und wird in Stufe 3 oder einer entsprechend angepassten Stufe 2 erreicht; Stufe 1 unterstützt bis ca. 30 km/h.
Ich habe mir in Stufe 2 Geschwindigkeit und Drehmoment auf etwa 2/3 und die Agilität etwa auf die Hälfte der Skala eingestellt. Diesen Modus habe ich besonders im Stadtverkehr bei wechselnden Lasten (häufiges Anfahren, Bremsen oder langsamer fahren) geschätzt, der Antrieb setzt auf diese Weise sanfter ein.
Die Unterstützungsstufen werden über Taster am Lenker gewählt und am, im Oberrohr eingebauten, Display angezeigt. Dieses Display zeigt auch u.a. die aktuell gefahrene Geschwindigkeit, die zurückgelegten Kilometer, oder die Uhrzeit an; insgesamt gibt es drei fest vorgegebene Anzeigen, zwischen denen per Wisch über das Display gewechselt werden kann.
Um das Display ablesen zu können muss der Blick etwas länger von der Straße abgewandt werden, als es bei einem Display am Lenker der Fall wäre. Jedoch sind die wirklich relevanten Anzeigen wie Geschwindigkeit, gewählte Unterstützungsstufe und Akkukapazität auch so schnell zu erfassen.
Apropos erfassen: Von der Omni-App werden auch allerlei Fahrdaten erfasst und zu Statistiken verarbeitet.
Sperren, Anti-Diebstahl- und Coming-Home-Funktion
Außerdem kann man das Stromer über die Omni-App aus der Ferne sperren oder entsperren: Beim Sperren
blockiert der Motor, das S-Pedelec kann eigentlich nur noch getragen werden. Entsperrt wird über einen Tastendruck in der App oder durch die Eingabe eines bis zu neunstelligen Zahlencodes auf dem Display.
Viele vermuten in der Kartendarstellung der App eine Navigationsfunktion. Aber dafür ist sie nicht gedacht: Wird das Stromer aktiviert oder deaktiviert, sendet es über eine fest verlötete SIM-Karte seinen Standort an die Server der Stromer AG. Über die Kartenfunktion der App wird dann erstaunlich genau der letzte Standort des ST2S angezeigt.
Sollte das Stromer gestohlen werden, kann über das über die App gemeldet werden, das ST2S macht dann mittels blinkender Beleuchtung auf sich aufmerksam.
Sollten an einer Stelle übrigens viele ST2S stehen und man möchte sehen, welche das eigene ist, kann man die Beleuchtung über die Omni-App anschalten, ein immer wieder netter Gag.
Übrigens: Die App kommuniziert nicht direkt z.B. über Bluetooth mit dem Stromer sondern nur über die Server der Stromer AG. Was Stromer mit den erhobenen Daten macht ist in einer Datenschutzerklärung dargelegt, der jeder Käufer vor Nutzung der Omni-App zustimmen muss.
Die mit Abstand meist genutzte Funktion der Omni-App war bei mir das Entsperren: Ein Klick auf eine Schaltfläche ist einfach schneller als das Eingeben einer neunstelligen Pin: Auf dem Weg von der Bürotür zum Stromer selbiges per App entsperrt musste ich dann nur noch das Faltschloß öffnen und konnte direkt losfahren.
Im Test funktionierte die Omni-App mit einem Android-Phone mit der Betriebssystemversion 5.x problemlos, während es bei einem Smartphone mit Android 4.4 in sechs von zehn Fällen zu einem Absturz der App kam. Im zweiten Anlauf klappte es dann aber immer, jedoch dauerte es bis zur Verbindungsaufnahme dann einige Sekunden. Zum schnellen Starten sollte man also die PIN am besten im Kopf oder notiert haben: Im Zweifel ist die Eingabe über das Display im Oberrohr die schnellere Wahl. Und ganz klar: Auch ohne Omni-App kann das Stromer benutzt werden.
Top Reichweite dank großem Akku
Das Stromer ST2S verfügt über den bisher größten Akku, den ich bei einem Pedelec erlebt habe: 983 Wattstunden sind eine Ansage, die Reichweitenangabe von „bis zu 180 km“ ebenfalls. Was ist davon in der Praxis zu halten?
Reichweitenangaben beim Pedelec sind eine schwierige Sache, zu viele Parameter spielen da eine Rolle: Außentemperatur, Gegenwind, Streckenbeschaffenheit, Gepäck, eigene Leistung, um nur einige zu nennen.
Das macht das Erzielen reproduzierbarer Ergebnisse im praktischen Betrieb selbst beim gleichen Fahrer fast unmöglich.
Beispielsweise waren auf meiner Pendlerstrecke über einfach rund 35 km, in der dritten Unterstützungsstufe gefahren, abends zu Hause noch zwischen 2% und 5% Restladung vorhanden. Es war aber auch kein Problem, den Akku innerhalb von 65 km leer zu fahren.
Aber es geht auch anders: Fuhr ich in der ersten Unterstützungsstufe (mit der man immer noch mit gut 30 km/h unterwegs ist) auf meiner Pendelstrecke hatte ich abends noch eine Restladung von ca. 75 %. Daraus errechnet sich eine theoretische Reichweite von über 225 km! Die Angabe von Stromer erscheint also realistisch, wenn man sich dem Rausch der bis zu 45 km/h entziehen kann.
Ist der Akku leer gefahren benötigt das Ladegerät ca. 8-9 Stunden um ihn wieder aufzuladen. Das kann per EnergyBus kompatiblem Stecker im Stromer eingebaut oder auch außerhalb des Stromer passieren.
Kurz nach Beginn bis kurz vor Ende des Ladevorgangs rauscht der Lüfter des Ladegerätes sehr laut, so dass man in am liebsten in den Keller oder einen anderen Raum verbannt. Aus meiner Sicht ein deutlicher Nachteil: Ist der Akku aus dem Stromer entnommen lässt sich der Akkudeckel nicht mehr verriegeln. Zu Hause ist das kein Problem, aber unterwegs?
Trotz des des potenten Akkus und viel Eisen im (Hinterrad-)Motor ist das ST2S vergleichsweise leicht geraten: 26,67 kg sind ein guter Wert, an dem sicher auch die Carbongabel und der Verzicht auf eine Federgabel ein gerüttelt Maß Anteil haben. Der Akku alleine bringt gut 4,8 kg auf die Waage.
Power ist nothing without control
Der Spruch gilt auch und gerade im Zusammenhang mit dem ST2S und die Ingenieure haben ihn offensichtlich bedacht.
Die Sitzposition ist gemäßigt sportlich und ermöglicht eine gute Kontrolle über das Bike. Die Ergon-Griffe sind, richtig eingestellt, wahre Handschmeichler und die Pedale bieten guten Grip. Jedoch sind die Pins für Business-Schuhe auf Dauer wohl nicht ganz optimal. Aber die Pedale kann man ja tauschen, wobei es dabei einiges zu beachten gibt.
Um dem Vorwärtstrieb des ST2S Einhalt zu gebieten sind Magura MT05-Bremsen verbaut, Vorder- und Hinterrad zieren zwei-Kolben-Sättel. Erwartungsgemäß funktionieren die Bremsen prächtig: Druckpunkt und Wirkung sind ideal und prima zu dosieren, auch kurz aufeinanderfolgende Vollbremsungen führen nicht zu spürbarem Fading. Das mag auf der Abfahrt eines Alpenpasses anders sein, aber dafür gibt es eine andere Möglichkeit, nämlich die
Rekuperation
Bei der Rekuperation wirkt der Motor als Generator, bremst das Bike ab und lädt mit der gewonnenen Energie den Akku wieder auf. Diese Funktion ist auf zweierlei Weise aktivierbar: Zum einen über einen leichten Zug am Bremshebel, bei dem die Beläge noch nicht angelegt werden. Die Stärke der auf diese Art erfolgenden Verzögerung kann über das Menü im Display im Oberrohr eingestellt werden.
Um bei einer längeren Bergab-Passage die Bremsen zu schonen, kann durch ca. 2-sekündigen Druck auf die „Minus“-Taste am rechten Lenkerende die Rekuperation in insgesamt fünf Stufen aktiviert werden. Ein nochmaliger ca. 2-sekündigen Druck hebt die Funktion wieder auf.
Doch das Aufladen des Akkus über die Rekuperation sollte nicht überschätzt werden: Über die Bremshebel ausgelöst ist zwar eine Bremswirkung deutlich zu spüren, jedoch kein sichtbarer Effekt auf den Akku. Und beim Rekuperieren auf Bergabfahrten braucht es schon längere Passagen: So konnte ich auf auf einer 1,5 km langen Strecke mit ca. 15% Gefälle den Akku um etwa 2% wieder aufladen. Auf flacheren Strecken wurde das ST2S in der stärksten Rekuperationsstufe langsam fast bis zum Stillstand gebremst.
Recht und Praxis: Geeignete Infrastruktur fehlt
Wie schon mehrfach erwähnt ist das Stromer ein S-Pedelec, und für diese Gattung gelten bestimmte Einschränkungen gegenüber einem normalen Pedelec.
Dazu zählt die Pflicht einen für S-Pedelec geeigneten Helm zu tragen, eine Versicherungspflicht und das Verbot der Nutzung von Radwegen. Letzteres zumindest, solange es nicht explizit mit dem Schild „Mofas frei“ oder mit einem „E-Bikes-frei“-Schild erlaubt ist (Stand: 10/16). Das letztere Schild habe ich noch nicht gesehen, ersteres allerdings durchaus. Übrigens ist die Radwegbenutzung auch tabu, wenn der Motor deaktiviert ist…
Aus dieser Einschränkung ergeben sich für den erfahrenen Radfahrer durchaus problematische Momente: Wege die man sonst einfach fährt sind mit dem S-Pedelec tabu. Allerdings sind Straßen, die man mit dem Auto befahren darf, auch nicht zwingend mit dem Pedelec erlaubt. So ergab sich auf einer meiner ersten Fahrten ein großer Umweg: Den Wirtschaftsweg, für Fahrräder freigegeben, durfte ich nicht nutzen; die Alternative für’s Auto wäre eine Schnellstraße gewesen, auch die ist tabu für’s S-Pedelec.
Insbesondere für Autofahrer ist es oft ein rotes Tuch, wenn ein vermeintliches Fahrrad den parallel zur Straße laufenden Radweg nicht nutzt. Mehr als einmal wurde ich lauthals durchs offene PKW-Fenster zur Ordnung gerufen, mein Hinweis auf das Nummernschild am Heck verpuffte jedesmal.
Außerorts stellte sich die Situation jedoch anders dar: Die PKW-Lenker, vor allem aber auch die LKW-Fahrer überholten mit großem seitlichem Abstand. Jedoch können die ständig überholenden Fahrzeuge schon nerven; auf dem Radweg hat man definitiv mehr Ruhe.
Konform zur Straßenverkehrsordnung bewegt, stand ich oft gemeinsam mit den Autos im Stau, da ein Durchschlängeln nicht möglich war. Mit dem Stromer ST2S war ich auf meiner Pendelstrecke ca. 15 Minuten langsamer als mit dem Auto und 15 Minuten schneller als mit dem „normalen“ Pedelec (letzteres auf Radwegen gefahren) unterwegs.
Fazit
Das Stromer ST2S ist ein unglaublich faszinierendes S-Pedelec mit sehr hohem Spaßpotential. Technisch ausgereift und sehr zuverlässig bietet es sich mit der großen Reichweite auch für längere Pendlerstrecken an. Diverse Testsiege hat sich das ST2S redlich verdient.
Dass die fehlende Infrastruktur bzw. die strenge Gesetzgebung es S-Pedelcs in Deutschland (aus meiner Sicht: unnötig) schwer macht, dafür kann das Stromer nichts. Doch ähnlich, wie man einem 18jährigen Führerscheinneuling keinen Porsche überlassen sollte, ist beim Potential des ST2S eine gewisse charakterliche Reife notwendig. Entsprechender Vor- und Umsicht vorausgesetzt, sollte auch für S-Pedelecs die Nutzung von Radwegen möglich sein.
Das Stromer ST2S ist ideal für alle erfahrenen Pedelec-Fahrer, vor allem für solche, die sich mit dem 25km/h-Limit nicht anfreunden können. Das Fahrwerk setzt auf manchen Strecken eine gewisse Leidensfähigkeit voraus, jedoch ist es auch möglich, das ST2S gegen Aufpreis mit einer Federgabel zu ordern. Letzteres würde ich für meine Strecke empfehlen.
Auch der fehlende Gepäckträger lässt sich gegen einen kleinen Obulus nachrüsten. Der stört dann zwar die elegante Linie ein wenig, bringt aber in der Praxis aus meiner Sicht gerade für Pendler erhebliche Vorteile.
Ich habe die Zeit mit dem ST2S trotz der genannten Einschränkungen sehr genossen und werde mal anfangen zu sparen…
Weitere Infos sind online unter www.stromerbike.com zu finden.
Mein Dank geht an die Stromer AG für die kostenfreie Überlassung des ST2S.
[Text:[at], Fotos: VeloStrom]
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Schöner Bericht mit guten Einblicken und Praxiserfahrungen die ich im Bezug auf S-Pedelecs teilen kann (Vor/Nachteile beim Pendeln gegenüber Auto und normalem Rad).
Ich hätte bei diesem Rad Sorge bzgl der Sicherheit der „smarten“ Funktionen per Internet. Wenn selbst Großkonzerne wie BMW oder GM grobe Sicherheitslücken in ihren Systemen haben, kann ich mir nicht vorstellen, daß eine vergleichsweise kleine Firma wie Stromer das gut abgesichert bekommt. Ich würde die Funktion jedenfalls ausstellen, damit das Rad auch beim nächsten Mal noch da ist.
Hallo Georg,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass dir der Artikel gefällt und du meine Erfahrungen bestätigen kannst.
Was die Sicherheitsproblematik bei der Connectivity angeht, denke ich dass es weniger auf die Größe eines Unternehmens ankommt, sondern darauf, dass sich die Beteiligten bewußt sind, auf was zu achten ist. Oder andersherum gesagt: Es ist nicht der Job eines Fahrrad-Ingenieurs, das System möglichst sicher zu gestalten sondern der Job eines IT-Spezialisten, der dann aber auch dazugezogen werden muss, idealerweise gemeinsam mit einem Datenschützer. Ich könnte mir vorstellen, dass da eine kleine Firma wegen kurzer Wege sogar im Vorteil ist.
Aber ganz davon abgesehen sehe ich die um sich greifende Vernetzung beim Rad oder Pedelec auch kritisch. Gegen Diebstahl hilft meiner Meinung nach ein gutes Schloß einfach noch am besten.
Gruß
Alex
Stimmt, vielleicht ist da eine kleine Firma sogar im Vorteil, weil sie nicht so streng vorgegebene Prozesse hat wie die großen und sich Leute suchen kann die wirklich Ahnung davon haben. Hoffen wir, daß sie das getan haben.
Ja, mal sehen was es bringt. Ich bin eigentlich ein großer Freund von Elektronik und Fortschritt, aber den Vorteil der Smart-Räder konnte ich bisher noch nicht erkennen. Ein Smartphone auf dem Lenker oder in der Tasche mit Kopfhörern mit guter Navigationssoftware die aktuell gehalten wird ist da für mich bisher noch der bessere, günstigere und flexiblere Weg.