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Kargon Lasten E-Bike Lastenrad Test & Technik

Test Kargon One Prime: So bewährt sich das neue innovative Cargobike im Alltag

Lesezeit etwa 19 Minuten

[at] Lastenräder sind, auch auf Grund von „Dieselgate“, derzeit sehr gefragt. Doch sind sie im Alltag tatsächlich so nützlich? Und wie fahren sie sich überhaupt?

Das musste ich einfach selbst erfahren und zwar mit einem Kargon One Prime, versehen mit dem Pedelec-Antrieb von Continental.

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Im Frühjahr hatte ich erstmals auf der VeloBerlin Kontakt zu Kargon. Deren innovatives Lastenrad soll besonders leicht sein und bietet daneben eine innovative Seilzuglenkung.

Eine kurze Probefahrt auf dem Tempelhofer Feld zeigte schnell, dass das Kargon One Prime sich sehr handlich fuhr. Das Interesse meinerseits an einem längeren Test war geweckt und mit Johannes Rasche von Kargon dann auch schnell ein Termin ausgemacht.

Der Firmensitz von Kargon liegt in Weiterstadt bei Darmstadt und damit nur etwa 30 km von Mainz, dem Sitz von VeloStrom, entfernt. Das ist sehr praktisch, denn so konnte ich das Kargon One Prime zum Test „auf eigener Achse“ abholen. Dass Kargon bei Darmstadt beheimatet ist, ist kein Zufall: Denn die Wissenschaftsstadt Darmstadt, immerhin ist das Element „Darmstadium“ nach der Stadt in Südhessen benannt, hat eine sehr umtriebige Lastenradszene.

Erste Tuchfühlung

Ich stehe im Hof vor der Werkstatt von Kargon, das Tor ist offen und ich trete einfach mal ein und mache mich bemerkbar. Johannes kommt mir entgegen und drückt mir lächelnd die Hand. „Schön, dass du da bist! Wollen wir mal einen kurzen Gang durch die Werkstatt machen, bis dein Testrad fertig ist?“ Die Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen.

Johannes führt mich vorbei am Montageplatz in die kleine, aber feine und pieksauber aufgeräumte Werkshalle. „Wir fertigen alle Räder von Hand, nicht von ungefähr nennen wir uns Manufaktur,“ erläutert er. „Sogar die Felgen speichen wir selbst ein“ ergänzt er, als er mir das gut sortierte Lager zeigt. Beim Anblick der Gabeln, Felgen, Schaltnaben und Lenker würde ich am liebsten selbst beginnen zu schrauben.

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„Besonders stolz sind wir auf unsere Pulverungsstation“ strahlt Johannes und ergänzt „Haben wir selbst gebaut, damit wir in der Fertigung flexibel bleiben.“ In der Zwischenzeit wird die Plane noch an der Ladewannes meines Testrads befestigt. „Die Planen lassen wir von einem Spezialisten ganz in der Nähe lasern. Damit können wir auch individuelle Kundendesigns schnell verwirklichen. Doch jetzt lass uns mal nach deinem Rad schauen“.

Das Kargon One Prime steht in einer eher ungewöhlichen, aber attraktiven Farbgestaltung vor mir: Weißer Rahmen und türkisfarbene Reling um den Ladebereich. Ausgestattet ist es mit einer hohen Ladereling,  8fach Shimano-Nexus, Magura MT 4 (vorne) bzw. MT5-Bremsen (hinten), Pedelec-Antrieb von Continental (Prime 48V) mit 500-WH-Akku und natürlich der besonderen Bowdenzuglenkung. Johannes weist mich kurz in die Bedienung des Antriebs ein, schiebt das Rad nach draußen und bittet mich, aufzusteigen.

In bin gelegentlich schon das ein oder andere Lastenrad gefahren, doch zunächst bin ich noch etwas unsicher: Das ungewohnt weit weg platzierte Vorderrad irritiert. Doch auch hier hilft das Thema „Blickführung“: Dahin schauen, wo man hinfahren will und schon geht’s.

Ich drehe eine Runde durch den Hof, halte kurz an, um meinen Rucksack in der Ladewanne zu platzieren und mache mich mit dem Kargon One Prime auf den Weg nach Mainz.

Einmal waschen, bitte!

Ausfahrt aus dem Hof: Das Vorderrad steht schon gefühlt auf der Straße, bevor ich sehen kann, ob da ein Auto kommt oder nicht: Mit dem Lastenrad muss man etwas anders fahren als mit einem normalen Rad. Aber letztlich ist das eine Gewöhnung von ein paar Wegkreuzungen wie ich bald merke.

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Ich habe den Antrieb zunächst auf die schwächste Unterstützung eingestellt, erst mal sehen wie sich das Kargon verhält. Man sagt, Seilzuglenkungen seien generell sehr sensibel, was auch stimmt, das merke ich schon beim ersten Handzeichen-geben: Kleinste Bewegungen der am Lenker verbliebenen Hand lösen bereits Bewegungen am Vorderrad aus, uiuiuiui! Freihändig fahren lasse ich lieber erst einmal sein.

Die acht Gänge der Nexus-Nabe werden mittels der Schalthebel angesteuert. Für mich ist das etwas ungewohnt: „Schalthebel“ sind bei mir bisher gedanklich mit „Kettenschaltung“ verbunden, was dazu führt, dass ich beim Schalten die Trittkraft nicht unterbreche. Es dauert aber nur wenige hundert Meter, bis ich beim Schalten automatisch eine kurze Trittunterbrechung einlege und die Gänge präzise einrasten. Gefühlt ist die Übersetzung zu kurz gewählt, doch dann fällt mir ein, dass ich ja unbeladen und mit einem Cargobike unterwegs bin. Mit ordentlicher Last passt die kurze Übersetzung sicher gut.

Mittlerweile habe ich den Ortsrand erreicht, der Radweg verläuft eben und gerade, parallel zu einer Landstraße. Deshalb wechsle ich beim Continental-Antrieb auf die höchste Unterstützungsstufe und merke sofort, das er kräftig mithilft. Der leisesten einer ist er nicht, man hört ihn deutlich mahlen. Das kann aber, wie mir Johannes Rasche später bestätigt, auch an Resonanzen im Rahmen meines Vorserien-Testrades liegen.

Ich trete kräfig rein, das Kargon erreicht zügig die Unterstützungsgrenze – und das Vergnügen wird sofort zur Arbeit. Bei näherer Überlegung logisch: Denn mit der verkleideten Ladefläche ist der Luftwiderstand erheblich größer als beim herkömmlichen Pedelec. Ich entscheide mich also, keine neuen Rekorde aufstellen zu wollen und bleibe ab sofort unterhalb der Unterstützungsgrenze.

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Alfine-Nabe und Magura-Bremsen am Kargon One Prime (Klicken zum Vergrößern)

Für den Heimweg orientiere ich mich, ganz old-fashioned, an Radwegschildern und an der dräuend-schwarzen Wolkenwand, die ergiebige Regenfälle androht. Die Gemüselandwirte, an deren Feldern ich gerade vorbei fahre, freuen sich da sicher, ich würde dem Regen aber gerne aus dem Weg gehen.

Ich hätte auch die Navi-Anweisungen auf das Display des Contintenal-Antriebs spiegeln können, doch dazu später mehr.

Ein paar Kilometer kann ich mich von der Wolke fernhalten, aber schließlich erwischt es mich dann doch. Dank Regenjacke wäre das Wasser von oben nicht so schlimm gewesen. Doch die letzten paar hundert Meter muss ich über einen Radweg auf einer Autobahnbrücke: Die Wasserschleppen der LKW durchnässen mich in kürzester Zeit und überschütten das Rad mit regelrechten Brechern! Es fühlt sich an wie in einer Waschstraße.

Und ich? Nass wie ein Pudel freue mich darüber, denn einen besseren Nässetest hätte ich mir für das Kargon One Prime und vor allem den Antrieb nicht wünschen können! 🙂

Beide haben diese Wäsche übrigens mit Bravour bestanden, weder bei der Regenfahrt noch später danach gab es während der Testphase irgendwelche mechanischen oder elektrischen Probleme.

Continental-App

Zu Hause springe ich in trockene Klamotten. Und während das Kargon One Prime in der Garage abtropft, nutze ich die Zeit, um die Continental-App auf das Smartphone zu packen. 

Johannes hat mich vorgewarnt: Ich solle das besser im WLAN erledigen, denn die App hole direkt rund 700 MB (OpenStreetMap-) Kartenmaterial vom Server. Gut, dass das WLAN bis in die Garage reicht, denn der Download klappt nur, wenn das Rad auch gekoppelt ist.

Ein erstes dickes Lob an dieser Stelle an Continental: Eine so ausführliche und offene Datenschutzerklärung habe ich bisher nicht gesehen! Bis ins Detail wird erklärt, welche Daten gesammelt werden, „german Gründlichkeit“ eben.

Die App bietet einige Möglichkeiten, doch für mich besteht der Hauptnutzen weniger in der Angabe der beim Fahren verbrannten Kalorien als vielmehr in der Möglichkeit, die vom Smartphone kommenden Routingangaben auf das Display des Antriebs zu „spiegeln“. Der Vorteil: Das Smartphone bleibt in der Tasche und hält die Verbindung über Bluetooth. Kein Handy am Lenker und keine hektischen Fummeleien, wenn es plötzlich anfängt zu regnen, weil der teure Begleiter (das Smartphone, nicht das Rad!) nicht wasserdicht ist. 

Hier eine Fotostrecke mit den verschiedenen Displayanzeigen:

Nach intensivem Test kann ich sagen:  Das funktioniert gut, richtig, richtig gut! Zwar gibt es keine Kartendarstellung, doch die Richtungsangaben via Pfeil (die Älteren unter uns erinnern sich noch an die ersten Navis im Auto) verbunden mit Angabe der Straßennamen reichen mir persönlich vollkommen aus! Zumal das Umrouten, wenn man zum Beispiel an der Abzweigung vorbei gefahren ist, fix geht.

Eigentlich bin ich nicht so der App-Liebhaber, aber das ist jetzt wirklich mal ein toller Zusatznutzen, besonders für Lastenradlogistiker. Kompliment an die App-Entwickler, das ist wirklich prima gelungen! 

Continental-Antrieb

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Beim Lastenrad macht ein Pedelec-Antrieb wie gesagt besonders viel Sinn. Bei Kargon hat man sich für den recht neuen Motor von Continental entschieden, der bei einem Gewicht von etwas über 4 kg 70 NM Drehmoment aufbringen soll.

Wie bereits erwähnt, geht der Antrieb deutlich hörbar zu Werke, unterstützt aber auch kräftig. Er braucht aus dem Stand etwa eine achtel Pedalumdrehung um mitzuhelfen, das finde ich persönlich sehr angenehm: Steht man, mit leichtem Druck auf dem Pedal, an der Ampel, hat man nicht das Gefühl, dass der Motor ungeduldig losstürmen will. Wird es grün, hilft der Motor aber nach ein wenig Pedalweg sehr schnell mit.

Die Leistungsabstimmung ist den Ingenieuren bei Continental gut gelungen, das Tretgefühl ist harmonisch und nahe am „Radfahrgefühl“. 

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Das Wechseln der Unterstützungsstufen gelingt mit dem am linken Lenkerende angebrachten Schalter sehr einfach und intuitiv. 

Wie immer ist die Reichweite stark von Fahrer und Terrain abhängig, gerade beim Lastenrad kommt noch die transportierte Last dazu. Bei meinen Fahrten hatte ich keine Probleme mit der Reichweiten, ca. 60 km waren auch bei höchster Unterstützung drin. Jedoch habe ich nicht bei allen Fahrten viel Last transportiert.

Mit der gerade genannten Schaltereinheit kann man auch das Licht einschalten und sich auch durch die Menüs des Displays klicken.

Die Anzeige im monochromen Display selbst ist angenehm groß und die Helligkeit hoch genug, so dass man es auch bei Sonnenlicht noch gut ablesen kann. Alle wirklich wichtigen Informationen wie aktuelle Geschwindigkeit, Reichweite, Ladezustand des Akkus, zurückgelegte Wegstrecke usw. werden angezeigt.

Hat man das Smartphone gekoppelt, werden einige zusätzlichen Funktionen geboten (z.B. die aktuelle Temperatur und das Wetter!), durch die Vielzahl der Funktionen wirkt das zu Beginn jedoch etwas unübersichtlich.

Wenden auf der Briefmarke

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Beim Kargon One Prime kommt eine Seilzuglenkung zum Einsatz. Die dabei verwendeten Bowdenzüge bestehen aus Edelstahl und weisen einen Durchmesser von 3 mm auf. Die Züge leiten den Lenkbefehl unter der Ladefläche hinweg nach vorne zum Lenkkopf weiter.

Das Team von Kargon hat die Züge diversen Zuglasttests unterziehen lassen, um sicher zu sein, dass diese den hohen zu erwartenden Belastungen standhalten.

Das Ergebnis: Die verwendeten Züge halten eine Zuglast von mindestens 500 kg (5.000 N) aus – je Zug! Und es werden zwei verbaut. Damit sollte das Thema „Reißfestigkeit“ kein Problem mehr sein.

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Der Vorteil der Seilzuglenkung: Das Vorderrad kann sehr weit eingeschlagen werden; in beide Richtungen so weit, das es quer zur Fahrtrichtung steht. Bei einer herkömmlichen Lenkung per Stange ist das nicht möglich, weil die Lenkstange irgendwann im Weg ist.

Dieser große Einschlagwinkel ist in der Praxis sehr nützlich: Denn man kann mit dem Kargon One Prime sehr enge Kurvenradien realisieren (wie man im Video sieht), das Rad wird trotz der Länge sehr handlich, Drängelgitter sind kein großes Problem.

Der maximale Lenkeinschlag ist beim Herausrangieren, beispielsweise aus einer Garage, enorm von Vorteil, da er den Wendekreis des Kargon One Prime erheblich reduziert. Am sprichwörtlichen „Wenden auf der Briefmarke“ ist das Kargon nahe dran.

Volladen, bitte!

Ein Cargobike soll natürlich auch Lasten transportieren. Und bei der derzeit herrschenden hochsommerlichen Hitze bietet sich natürlich der Einkauf von Wasserkästen an. 

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Klappt gut: Vier volle Wasserkästen zu je 15 kg (Klicken zum Vergrößern).

In die Ladewanne passen vier Wasserkästen locker hinein, rechts, links, vor und hinten wäre jeweils noch etwas Platz für ein paar Kleinigkeiten.

Zur Vorsicht habe ich die Kästen mit zwei Zurrgurten an der Reling gesichert und los geht’s. Die Fahrt zum Getränkehandel ist entspannt, kein Wunder, sind die vier Kästen doch leer.

Beim Markt angekommen, parke ich das Kargon ein, und während ich die Zurrgurte löse, beim Ausladen der Kästen und beim Weg in den Markt, ernte ich schon die ersten erstaunten Blicke: Ein Lastenrad ist noch immer ein etwas ungewöhnlicher Anblick.

Als ich mit den vollen Kästen zurückkomme und diese nach und nach in die Ladewanne räume, frage ich mich dann selbst, ob das wohl gut geht und bin froh, die Zurrgurte dabei zu haben. Die Vorstellung von bei einem kleinen Ausweichmanöver umherpurzelnden Getränkekästen erzeugt unweigerlich eine Sondervorstellung im Kopfkino.

Ich verzurre die Kisten kreuzweise über die oberen Ränder und merke, dass kleine Laschen, an denen die Zurrgurte Halt fänden an den Ecken der Ladereling wirklich praktisch wären. Doch es geht auch so, und mit etwas Übung sicher schneller als bei diesem ersten Versuch. Die Reling ist übrigens stabil genug, ich könnte mich sogar mit meinem ganzen Gewicht drauflegen, wie mir Johannes Rasche später bei der Rückgabe demonstriert.

Als ich fertig bin, nehme ich das Kargon One Prime vorsichtig vom gasdruckgedämpften Ständer, auf dem es übrigens sehr stabil steht, schiebe es vorsichtig rückwärts aus der Parkposition und nehme mir vor, beim nächsten mal mit den leeren Kästen rückwärts am Radparkplatz einzuparken. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Unsicherheit rührt nicht etwa von einem instabilen Rahmen, sondern ist lediglich meiner mangelnden Erfahrung geschuldet.

Schließlich steht das Kargon in Fahrtrichtung und ich fühle mindestens ein Dutzend Blicke neugieriger Mitkunden auf mir ruhen: „Ob das wohl gut geht…?“ scheinen sie zu fragen.

Jetzt wird mir auch klar, warum viele Lastenräder abgesenkte Oberrohre aufweisen: Denn im Stand ist es bei beladenem Rad so viel einfacher, das Bein auf die andere Seite zu schwingen. Die Unterstützung steht auf mittlerer Stufe, die Schaltung auf dem leichtesten Gang, mit einer möglichst zuversichtlichen Miene stelle ich einen Fuß auf das Pedal, stoße mich mit dem anderen ab und….. fahre los!

Das Kargon fühlt sich, für mich erstaunlicherweise, schon knapp über Schrittgeschwindigkeit sehr stabil an, mein Grinsen wird breiter. Ein Junge, vielleicht 12 Jahre alt, reckt den Daumen nach oben: Lastenradfahren scheint cool zu sein.

Ich merke natürlich, dass die Fuhre schwerer ist als alles bisher und drehe eine zunächst vorsichtige Runde auf dem Parkplatz, bevor ich auf die Hauptstrasse fahre. 

Das Fahren klappt auch beladen bei höherem Tempo erstaunlich gut. 

Natürlich ist das Rad schwerfälliger als unbeladen, doch die rund 60 kg Mehrgewicht machen die Fahrt nur bedächtiger. Man muss sich halt vergegenwärtigen, dass man hier, verglichen mit einem normalen Rad, mit einem LKW unterwegs ist. Und mit dem fährt man ja auch nicht so zackig wie mit einem PKW. 

Jetzt,in beladenem Zustand, fühle ich auch bei Holperstellen, dass die hochwertige Gabel (Spinner 300 Air) federt, unbeladen hat das Kargon einfach zu wenig Last auf dem Vorderrad.

Ich muss an einer Ampel halten, rechts von mir kommt nach wenigen Augenblicken ein amerikanischer Pick-Up zum Stehen. Der Blick des Fahrers fällt auf meine Ladefläche, die Augen weiten sich, als er erkennt, dass die Wasserkästen voll sind … und wieder ernte ich einen nach oben gereckten Daumen, bevor die Ampel für uns beide grün wird und der Pick-Up mit grollendem V8 nach rechts in Richtung Autobahn verschwindet – seine Ladefläche ist, im Gegensatz zu meiner, leer…

Die letzten Meter geht es für mich und das Kargon vollbeladen bergauf. Seit der Ampel steht die Unterstützungsstufe auf Maximum. Der Leistungseinsatz des E-Antriebs ist sanft aber kräftig, das ist insbesondere im beladenen Zustand gut.

Jetzt will ich es wissen und halte am Berg an: Wie wird es mit dem Anfahren klappen?

Um es kurz zu machen: Sehr gut! Meine Vermutung, dass die kurze Übersetzung bei Beladung ideal ist, bestätigt sich. Dank Pedelec-Antrieb kann ich sogar vergleichsweise zügig beschleunigen und erreiche nach kurzer Zeit etwa 18 km/h, wohlgemerkt: Mit etwa 60 kg Beladung an Bord!

Ich denke, bei keiner anderen Radgattung ist eine E-Unterstützung so sinnvoll wie beim Cargobike.

Abends vor der Eisdiele erweckt das Kargon One Prime das Interesse einer jungen Familie: „Mit so einem ähnlichen habe ich heute mittag einen gesehen, der hat Wasserkästen beim Getränkemarkt geholt!“ erzählt die Frau ihrem Mann staunend. „Ja, das war ich“ meine ich grinsend, woraus sich ein interessantes Gespräch über Cargobikes und Pedelecs entwickelt.

Cargobikefahren wirkt also auch kommunikationsfördernd.

Pendeln mit dem Cargobike

Wie fühlt sich ein Lastenrad auf der täglichen Pendelstrecke an? Sehr praktisch ist erst einmal dass ich meine Arbeitstasche einfach in die Ladewanne werfen kann, toll! Zunächst komme ich mir aber trotzdem vor, als wäre ich total überdimensioniert unterwegs. Aber nur solange bis ich vom Radweg aus die im Stau stehenden Autos betrachte. Die meisten sind nur mit einer Person besetzt…

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Die Erfahrungen der letzten Tage lassen mich die Fahrt auch unbeladen geniessen. Ich bleibe ganz gelassen unter der Unterstützungsgrenze, sollen mich andere ruhig überholen. Ich könnte ja, wenn ich wollte. Und außerdem: Können die auf dem nach Hauseweg noch eben einen Wocheneinkauf auf dem Rad mitnehmen…? Eben!

Am Radparkplatz beim Büro gilt es, mit Bedacht zu parken, das Kargon One Prime ist eben etwas länger als ein normales Rad und ich will ja nicht riskieren, dass jemand drüberstoplert.

Nach Feierabend gehe ich dann noch einkaufen, doch bereits vor dem Markt fällt mir ein: Das Kargon hat ja keinen geschlossenen Laderaum! Ich müsste es also mit einem Teil der Einkäufe vor dem nächsten Supermarkt stehen lassen, und was dann von meinen bisherigen Einkäufen noch übrig sein wird, wenn ich wieder komme…?

Eine Box mit Deckel, vielleicht sogar abschließbar, wäre schon ganz praktisch. Und ist, wie ich später erfahre, bei Kargon schon in Arbeit.

Fazit

Nach dem Testzeitraum fahre ich das Kargon One Prime wieder zurück nach Weiterstadt. Im Gegensatz zur ersten Fahrt hat sich einiges geändert. Erstens bleibt das Wetter trocken, aber vor allem fahre ich mit dem Rad so, als wäre ich schon immer Lastenrad gefahren. OK, das ist vielleicht etwas übertrieben, fühlt sich aber so an.

Ja, man muss anders fahren als beispielsweise mit einem E-Mountainbike. Aber es käme auch niemand auf die Idee, mit einem Kastenwagen genauso zu fahren wie mit einem Sportwagen. Artgerecht bewegt macht das Fahren mit dem Cargobike Spaß und ist wunderbar entspannt.

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Im Testzeitraum habe ich mich daran gewöhnt, das sich Fragen wie „Kann ich das überhaupt auf dem Rad unterbringen“ von selbst erledigen. Blumenerde, Wasserkästen, Wocheneinkauf…? Kein Problem! Selbst ein Einkauf bei Ikea scheint nicht mehr abwegig zu sein.

Das Fahrverhalten des Kargon One Prime vermittelt viel Sicherheit. Es fährt sich, auch beladen, handlich und stabil, wenn man sich ein paar Kilometer Eingewöhnungszeit gibt. Die Seilzuglenkung spielt ihre Vorteile aus wenn es eng wird, also zum Beispiel bei Drängelgittern, aber vor allem auch beim Schieben aus der Garage oder dem Parkplatz.

Und mit gemessenen 33,02 kg ist das Rad unbeladen für ein Lastenrad leicht genug, um es auch einmal herumzuheben.

Der Continental-Antrieb könnte zwar akustisch etwas zurückhaltender agieren, aber damit kann ich gut leben. Die Unterstützung ist bei Bedarf kräftig und überrascht nicht mit ruckartigem Einsetzen, das Tretgefühl ist harmonisch, die Abstufung der Gänge praxisorientiert. Das Anzeigedisplay von Continental ist, gemeinsam mit den Möglichkeiten der App, einfach nur grandios wie ich finde!

Die Verarbeitung des gesamten Rades ist exquisit, die Auswahl der Komponenten zeugt vom hohen Qualitätsanspruch der Weiterstädter, auch bei scheinbaren Nebensächlichkeiten. Beispielsweise ist der Ständer gasdruckgefedert, fährt sanft und ohne „klonk“ in seine Ruheposition unter der Ladefläche und klappert auch bei Holperstrecken nicht an den Laderaumboden. 

Nützliche Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Verzurrösen an der Ladereling, könnten dank der Manufakturfertigung schnell in die Serie einfließen.

Wäre das Kargon One Prime mein persönliches Fahrrad, würde ich einen höheren Vorbau und andere Lenkergriffe montieren, aber sonst könnte es so bleiben. Wobei: Eine geschlossene Ladebox und ein Gepäckträger wären noch ganz nett.

Ein dickes Lob an Kargon in Weiterstadt, die zum Preis ab 4.590€ (Stand:08/2018) ein wirklich überzeugendes Lastenpedelec auf die Räder gestellt haben, mit dem auch ein Cargobike-Anfänger wie ich schnell klar kommt.

Danke auch für das für den Test kostenfrei zur Verfügung gestellte Rad!

Weitere Infos zu Kargon sind online unter https://kargon.de/ zu finden.

[Fotos & Video: VeloStrom]

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Alexander Theis
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