Das BZEN Brussels begeistert mit auffälliger Farbe und klassischem Rahmenlayout. Was es darüber hinaus noch zu bieten hat lest ihr in diesem Test.
“Das soll ein E-Bike sein?” Dieser Satz zeigt, das BZEN sehr viel richtig gemacht hat. Und das, obwohl die Bikes des Teams um den Belgier Pierre Detry erst seit kurzem dabei auf dem Markt sind: 2019 wurden die ersten E-Bikes der Marke ausgeliefert.
Alle E-Bikes von BZEN folgen dem gleichen Credo: Es sollen unkomplizierte, leichte Pedelecs für urbanes Terrain sein, die Dank E-Antrieb auch Steigungen nicht unüberwindlich werden lassen.
„Entscheidend für ein optimales E-Stadtrad waren für uns ein geringes Gewicht und eine hohe Systemintegration, die zudem für eine minimalistische Optik sorgt”, erläutert Pawel Matuszynski, der Designer der BZEN Bikes sowie ehemaliger polnischer Downhill-Champion.
Eine weitere Besonderheit des belgisch-polnischen Unternehmens liegt in der Fertigung: Alle Fahrräder werden in Europa entworfen und von Hand gefertigt.
Das BZEN Milano zeigte schon im Test 2019 sein Potential – aber auch noch Luft für etwas Feinschiff. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie sich das Trapezahmenmodell Brussels fahren wird.
BZEN Brussels
Das BZEN Brussles ist das sportlichere Damenrad neben dem komfortablen Amsterdam. Wie alle E-Bikes von BZEN wird auch das Brussels im Direktvertrieb vermarktet. Das bedeutet, das Pedelec wird vom Spediteur im Karton direkt vor die Haustür geliefert. Es müssen lediglich noch die Pedale montiert und der Lenker geradegestellt werden – und natürlich das Bike aus dem Karton gehoben werden.
Diese Übung gelingt beim BZEN Brussels sehr einfach: Denn das E-Bike ist mit 19,38 kg angenehm leicht geraten – und das trotz des großen Akkus, der im Testbike verbaut ist. Statt serienmäßig 252 Wh sind im BZEN Brussels in diesem Fall 360 Wh im Alu-Rahmen versteckt. Mehr Wattstunden bedeuten mehr Akkuzellen und damit auch mehr Gewicht, gleichzeitig aber auch mehr Reichweite. Soviel sei schon jetzt verraten: Der Aufpreis zum kleinen Akku lohnt sich, denn Nachrüsten dürfte schwierig werden.
Die Akkuzellen sind fest im Rahmen verbaut, können freilich jedoch im Wartungsfall durch eine Öffnung im Tretlagerbereich entfernt werden. Nachteil dieser Bauweise ist natürlich, dass das Pedelec zum Aufladen in der Nähe einer Steckdose stehen muss. Das Ladenetzteil selbst ist erfreulich klein geraten, was im Gegenzug den Einbau eines Lüfters notwendig macht.
Der Lenker beim Brussels ist schnell geradegestellt, die Montage der Pedale (passendes Werkzeug von guter Qualität wird mitgeliefert) stellt keine große Herausforderung dar: Dank der deutlichen Kennzeichnung, welches Pedal in Fahrtrichtung links bzw. rechts montiert werden muss gelingt die Montage einfach. Die Pedale des Herstellers Wellgo selbst sind mit einer Anti-Rutsch-Oberfläche versehen und somit auch Business-Schuh tauglich.
So steht das BZEN Brussels in einem wunderschönen blau auf dem Mittelständer für die erste Ausfahrt bereit. Alleine im Stand ist es schon ein Blickfang, da es mit der leuchtenden Farbe aus dem vielfachen grau-schwarzen-Einerlei heraussticht und mit feinen Details wie dem aufwendigen hinteren Ausfallende oder der Geflechtummantelung der elektrischen Kabel glänzt. Die sichtbare Federung des Sattels, der geschwungene Lenker und die ergonomischen Lenkergriffen erinnern an Tourensporträder früherer Jahre.
Das BZEN Brussels ist auch in rot, weiß, grau, grün oder schwarz erhältlich. Bei jeder Rahmenfarbe bleibt die Gabel des BZEN Brussels indes schwarz, sie weist so dezent auf das Material Carbon hin.
Etwas ungewöhnlich für ein City-Bike ist die 15mm Steckachse vorne, die man eher an sportiveren E-Bikes erwartet. Allerdings bietet die Steckachse ein deutliches Mehr an (Brems-)Stabilität, die auch einem City-Bike nicht abträglich ist.
Passend zum Einsatzzweck und sehr nervenschonend ist die Verwendung von Continental Contact City Reifen: Mit dem eingearbeiteten Pannenschutzgürtel sollten Reifenpannen nur noch sehr selten auftreten. Der integrierte Reflexstreifen sorgt natürlich für gute Sichtbarkeit im Dunkeln, unterstützt aber auch die elegante Erscheinung des BZEN Brussels, da sie die Montage von Speichenreflektoren entbehrlich machen.
Vor der ersten Fahrt bringe ich noch schnell die Reifen auf den Maximaldruck und los geht’s.
Elegantes Gute-Laune-E-Bike
Bei BZEN wird Wert auf eine gute Bedienbarkeit gelegt. Das wird besonders am Bedienteil des E-Antriebs deutlich. Am linken Lenkerende montiert verzichtet es, wie bereits beim BZEN Milano, auf den medialen Overkill. Es informiert lediglich mit LED-Leuchten über den Ladezustand des Akkus bzw. die gewählte Unterstützungsstufe. Angaben über Geschwindigkeit, zurückgelegte Strecke oder gar eine Smartphone-Anbindung sucht man vergebens. Im Gegenzug dazu verwöhnt es mit einer intuitiven Bedienung mit nur drei Tastern– und lenkt somit nicht vom Wesentlichen beim Radfahren ab: Nämlich das Erlebnis Radfahren an sich.
Auf den ersten paar hundert Metern ist das Fahren mit dem BZEN Brussles zunächst ungewohnt. Das hat nichts mit dem eleganten und für mich bequemen Sattel aus Öko-Leder mit Sprungfedern zu tun. Ebenso wenig mit dem breiten und angenehm gekröpften Lenker, der eine bequeme, leicht vorderradbetonte Sitzposition bietet.
Nein, ungewohnt ist lediglich die Härte, mit der die mit maximalem Luftdruck versehenen schmalen Reifen Unebenheiten weiterleiten! Wer an E-Bikes mit Federgabeln gewöhnt ist, muss sich da erst umgewöhnen. Das ist der Preis, den man für das geringe Gewicht und die Wartungsarmut zahlen muss, und man zahlt ihn gerne. Denn das alles liest sich schwerwiegender als es tatsächlich ist, schließlich sind Fahrräder ohne Federgabel jahrzehntelang die Regel gewesen. Es braucht nur etwas mehr Aufmerksamkeit für die Strecke und schon passt das.
Die nächste Überraschung folgt bei der ersten zügigen Biegung: Meine Kurvenlinie ist deutlich weiter als gedacht. Das Rahmenlayout ist offenbar auf guten Geradeauslauf getrimmt, das E-Bike braucht etwas Nachdruck, um bei höherem Tempo eine Richtungsänderung einzuleiten. Beides, Fahrverhalten und Sitzposition, erinnern mich an die tourensportlichen Räder von Motobecane aus den 1980iger Jahren.
Doch schon nach kurzer Zeit gewöhnt man sich an beides und kann die Fahrt mit dem BZEN Brussels in vollen Zügen genießen. Die knallige Farbe des Bikes verbreitet gute Laune selbst bei Passanten und anderen Radfahrern, die mit breitem Grinsen auf das Bike reagieren.
E-Antrieb beim BZEN Brussels
Die wenigen Kilometer zur Eingewöhnung habe ich auf der ersten Fahrt zum Supermarkt in der Nähe absolviert. Während ich das BZEN Brussels am Bügel sichere, fragt mich eine junge Frau, von welcher Marke dieses schicke Fahrrad sei. Im Gegensatz zu manch anderem Hersteller ist beim BZEN auch die Markenbezeichnung zurückhaltend gestaltet und nur an der rechten Seite des Sattelrohrs ausgeschrieben zu sehen.
Ich gebe ihr gerne Auskunft, jedoch will sie mir nicht glauben, dass es sich um ein E-Bike handelt. Erst als ich ihr die auf der linken Rahmenseite angebrachte Ladebuchse zeige und auf den schwarz lackierten Hinterrad-Nabenmotor von Bafang verweise, schenkt sie mir Glauben.
Der Bafang-Antrieb leistet laut Datenblatt ein Drehmoment von 45 Nm. Verglichen mit den 85 Nm Drehmoment und mehr der Mittelmotoren anderer Hersteller liest sich das fast ernüchternd. Jedoch gehen beim Hinterradnabenmotor keine Newtonmeter auf dem Weg von der Tretkurbel über Kette und Ritzel verloren und rein optisch ist der Hinterradnabenmotor dem Mittelmotor überlegen: Er fällt zwischen Ritzelpaket und Bremsscheibe im Hinterrad kaum auf. Damit hat er bei einem eleganten Urban-Bike nach wie vor seine Berechtigung, auch wenn er Rad und FahrerIn nicht ganz so bärig bergan schiebt wie man das von E-Bikes mit Mittelmotoren kennt.
Noch ein angenehmer Nebeneffekt ergibt sich durch den Hinterradantrieb: Im Gegensatz zum Mittelmotor muss die Trittkraft beim Schalten muss am BZEN Brussles nicht (elektronisch oder manuell) zurückgenommen werden um einen sanften, geräuschlosen und materialschonenden Gangwechsel zu erreichen.
Beim Test des BZEN Milano bemängelte ich seinerzeit, dass beim Einsetzen der Unterstützung etwas Feinschliff nötig sei. Offenbar hat BZEN genau dies getan: Konzeptionsbedingt ist das Ansprechverhalten eines Hinterradnabenmotors nicht so natürlich wie bei einem Mittelmotor, bei dem die aufgewendete Kraft direkt an der Kurbel gemessen werden kann.
Doch die Kraft des E-Motors beim BZEN Brussels setzt sanfter ein als beim Milano. Ob das an Verbesserungen bei den Drehmomentsensoren oder der Software liegt – egal, die Wirkung überzeugt.
Bzen Brussels mit praxisgerechte Ausstattung
Nach dem Einkauf hänge ich die Packtasche am stabilen Gepäckträger ein. Der Träger verfügt nicht über eine Federklappe, jedoch an jeder Seite unten in der Nähe der Aufnahme über eine kleine Strebe. Dort kann man dann einen Spannriemen einhängen, so wird der Transport auch sperriger Gegenstände möglich.
Das BZEN Brussles verfügt über ein klassischen Seitenständer mit Aufnahme am Tretlager. Das passt natürlich ganz hervorragend zur sauberen, klassischen Linie. Allerdings würde das E-Bike bei beladenem Gepäckträger mit einem Hinterbauständer stabiler stehen, der dann wieder die Optik beeinträchtigen würde – man kann eben nicht alles haben.
Mein Weg nach Hause führt mich über eine längere Strecke mit moderater Steigung aufwärts. Es ist eine dieser Steigungen, die sich “ziehen”. Die Abstufung der Shimano Alivio 9-Gangschaltung mit 11 bis 34 Zähnen beim BZEN Brussels passt jedoch gut, um auch diese Strecke zu befahren. Ohne aus der Puste zu geraten und trotzdem kurz unter der Unterstützungsgrenze unterwegs zu sein. Die Bedienbarkeit der Alivio ist gut, wer nicht den direkten Vergleich zu einer Shimano XT hat, wird diese nicht vermissen.
Später am Tag fahre ich mit dem BZEN zu einem Konzert – neben diesem besonderen Erlebnis eines Konzerts nach langer, coronabedingter Pause – brilliert das Brussels auf der Rückfahrt im Dunkeln. Denn die serienmäßige Frontleuchte Lumotec IQ-XS DC von Busch + Müller ist zwar von kompakter Bauform aber lichtstark und schaltet sich auch dank Dämmerungssensor automatisch ein – sehr praktisch!
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Weitere InformationenAuch ohne Dämmerungssensor lässt sich die Beleuchtung aktiveren: Ein langer Druck auf den Taster, der auch die Unterstützung des Antriebs (es gibt 5 Stufen) erhöht, schaltet das Licht ein oder aus. Es kann jedoch sein, dass man damit ungewollt die Unterstützungsgrenze erhöht.
Fahrstabilität & Reichweite des Brussels
Auf meinem Weg ins Büro wartet ein steile Gefällestrecke auf mich. Einseitig mir nur einer Tasche seitlich belastet, bin ich gespannt, wie fahrstabil das BZEN Brussels ist. Um es kurz zu machen: Das E-Bike überzeugt auch bei hohen Tempi mit großer Laufruhe und Stabilität. Selbst freihändig gefahren (was man natürlich nicht nachmachen sollte) kommt bei über 35 km/h keine Unruhe vom Lenkkopf, keine Spur von Rühren oder Schlingern! Das ist wirklich beeindruckend und zeigt, dass Pawel Matuszynski als ehemaliger Downhill-Champion auch beim Urban-E-Bike auf Fahrstabilität setzt.
Bei dieser Fahrt mit dem BZEN Brussles, die einige teils nur kurze Abfahrten beinhaltet, stelle ich einen besonderen Effekt fest: Beim Bergabfahren oberhalb der Unterstützungsgrenze pedalierend, setzt in der folgenden Ebene die Unterstützung des Bafang-E-Antriebs auch unterhalb der Unterstützungsgrenze erst wieder ein, wenn das Pedalieren kurz gestoppt wird. Pedaliert man jedoch bei der Bergabfahrt nicht und lässt das BZEN Brussels nur rollen, unterstützt der E-Antrieb des BZEN sofort beim Einsetzen des Tretens – natürlich vorausgesetzt, die Unterstützungsgrenze ist unterschritten.
Dieses Verhalten ist reproduzierbar, auch wenn man sich schnell daran gewöhnt, wäre es schöner, wenn es nicht aufträte. Sicher lässt sich das jedoch mit einem Eingriff in die Software des E-Antriebs seitens BZEN abstellen.
Die Akkukapazität des BZEN Brussels beträgt beim Testbike 360 Wh. Damit war es kein Problem meine rund 32 km (je 16 km einfach) lange Pendelstrecke zurückzulegen, trotz des steilen und langen Anstiegs auf dem Rückweg. Zeigt die Ladezustandsanzeige nur noch einen Balken lässt die Unterstützungsleistung in jeder der 5 Stufen allerdings rapide nach.
Fazit: Für wen ist das E-Bike BZEN Brussels am besten geeignet?
Für wen eignet sich das BZEN Brussels? Das E-Bike aus belgisch-polnischer Co-Produktion eignet sich meiner Meinung nach besonders für alle, die ein leichtes, elegantes Fahrrad fahren wollen, das erst auf den zweiten Blick als E-Bike zu erkennen ist. Mit seinen knapp über 19 kg Gewicht liegt es auf dem Niveau gängiger Tourenbikes ohne E-Antrieb und kann leicht Stufen, z.B. in den Keller, hinabgetragen werden. Dabei gleicht das Gewicht der Akkuzellen im Unterrohr das Gewicht des Bafang-Antriebs im Hinterrad aus – das BZEN Brussels ist gut austariert.
Die, fast schon klassisch zu nennende, Erscheinung des Brussels mit seinem Trapezrahmen hat gegenüber einem Tiefeinsteiger den praktischen Vorteil der höheren Rahmensteifigkeit. Frische Rahmenfarben beim BZEN Brussles machen das E-Bike zu einem Hinkucker, die Verarbeitung macht einen sehr guten Eindruck. Mit der praxisgerechte Ausstattung wie Licht, Schutzblechen von SKS und Gepäckträger ist das BZEN Brussels voll alltagstauglich. Die Bedienung des E-Bikes gibt keine Rätsel auf, die fehlende Anzeige von Fahrdaten macht den Kopf frei vom, oft selbst gemachten, Leistungsdruck (“das muss doch noch schneller gehen…”).
Das BZEN Brussels ist ein alltagstaugliches, schickes E-Bike, das ganz ohne technologischen Overkill traditionellen Fahrradbau mit E-Bike-Technologie verbindet. Ein E-Bike für all jene, die einfach nur unkompliziert und mit viel Genuss Fahrrad fahren wollen.
Aktuell ist das BZEN Brussels ab 2.690€ (Stand 09/2021) im Online-Shop von BZEN verfügbar. Die Lieferzeit beträgt 2-4 Wochen, innerhalb von 30 Tagen ist eine kostenlose Rückgabe möglich. Auf Wunsch kann direkt eine Versicherung über Hepster abgeschlossen werden.
[Text: [at] Fotos: VeloStrom]
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