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E-MTB Fertig-Pedelecs Test & Technik Thok

E-MTB Thok MIG-R im Test

Lesezeit etwa 21 Minuten

Das vollgefederte E-MTB aus Italien bescherte mir beim Test einige überraschende Erfahrungen.

Im letzten Jahr wurde das Thok MIG-R als Weltpremiere auf der Eurobike vorgestellt. Das All-Mountain E-MTB ist mit hochwertigen Komponenten ausgestattet und bestens für die Langstrecke gerüstet. Ich hatte das E-MTB für ein paar Wochen zum Test, wie es sich schlug, das lest ihr hier.

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E-MTB Thok MIG-R

Thok E-Bikes

Thok ist relativ neu im E-Bike-Business. Gegründet wurde das Unternehmen von Stefano Migliorini, ehemaliger Downhill-Champion, und Livio Suppo, Mitverantwortlicher des Erfolges von Honda und Ducati beim Moto GP. Kein Wunder, das beim Background der beiden das Thok-Motto „Performance first“ ist.

Das Motto bezieht sich aber nicht nur auf die E-Bikes von Thok sondern auch auf die Betreuung der Kunden vor,aber auch nach dem Kauf. So werden beispielsweise die Federelemente und die Sattelhöhe vom Werk aus auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden abgestimmt. Und das spürt man, soviel vorweg.

Thok MIG-R

Das MIG-R ist als Fully eine Speerspitze im Programm der Italiener. Damit keine Missverständnisse aufkommen: „MIG“ steht für die ersten drei Buchstaben des Nachnamens von Stefano MIGliorini.

Auffälligstes Merkmal des MIG-R ist sicher der vor dem Unterrohr des E-Bikes platzierte Akku. Gerade bei einem E-MTB ist das zunächst etwas irritierend. Denn immerhin ist der Akku an dieser Stelle ziemlich exponiert untergebracht. Jedoch ergeben sich durch diese Positionierung ein tieferer Schwerpunkt und damit Vorteile bei der Fahrdynamik. Den Nachteil der exponierten Lage gleicht THOK mit einem ansprechend gestylten AkkuCover aus. Der Ladestecker ist sehr gut zugänglich, das Cover muss zum Laden des Akkus nicht abgenommen werden.

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Der Akku ist beim Thok MIG-R vor dem Unterrohr platziert.

Wo ich gerade beim Design bin: Von einem italienischen Produkt erwartet man einfach ein gutes Design. Meiner Meinung nach erfüllt das THOK MIG-R diese Erwartungen voll und ganz. Da hat Industriedesigner Luca Burzio die verschiedenen Vorstellungen zur Technik und Optik des E-Bikes sehr gut umgesetzt. Auch die Reaktionen von Passanten und Freunden, die das THOK MIG-R während des Tests sahen, waren durchweg positiv.

Ob ein E-Bike gefällt oder nicht liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Objektiver lässt sich die technische Ausstattung des THOK MIG-R beurteilen, und da ist einiges geboten:

  • Gabel FOX – RHYTHM, 36 Float 150 mm, boost 29″
  • Dämpfer FOX – DPS, THOK benutzerdefiniertes Setup 210×55
  • Laufräder MAVIC rims – 29″x30 mm vorne, 27.5″x35 mm hinten (Mullet)
  • Schaltung SRAM – NX Eagle 12S (1×12!)
  • Bremsen SRAM – GUIDE RE, 4 Kolben, hydraulische Bremsen mit 200 mm Scheiben
  • Vario-Sattelstütze THOK Teleskop mit Fernbedienung (125mm Größe S – 150mm andere Größen)
  • Shimano EP8-Antrieb (250W – 85Nm)
  • SC-E7000 Fahrradcomputer mit 1,6″ LCD-Bildschirm – Firebold-Steuerung, 3 Unterstützungsstufen (Eco, Trail, Boost und Power-Walk)
  • Akku mit 630 Wh
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Das Testbike in Rahmengröße „L“ wog 24,93 kg.

Die Ausstattungsliste liest sich wunderbar und das Bike sieht auch prima aus. Doch was bringt das alles im Fahrbetrieb?

Thok MIG-R im Test

Eines muss ich vorausschicken: Ich bin kein ausgewiesener E-MTB-Crack, deshalb werde ihr hier keinen beinharten Bike-Park-Action-Artikel lesen. Auch weil es hier in der näheren Umgebung keinen Bike-Park gibt. Trotzdem bin ich natürlich nicht (nur) mit dem Bike über 1a-asphaltierte Radwege ins Büro gefahren – weil es die hier ebenfalls kaum gibt. Stattdessen habe ich mir eine schöne 52-km-Runde durch die wunderschöne rheinhessische Landschaft gesucht, auf der von allem etwas dabei ist, für dass das THOK MIG-R gebaut ist.

Transport auf dem Fahrradträger

Alles beginnt mit – dem Verladen auf den Anhängerkupplungsfahrradträger. Das Thok MIG-R sieht nicht nur lang aus, es ist es tatsächlich auch: Der Lenkwinkel ist vergleichsweise flach, das ergibt zwangsläufig einen langen Radstand. Der ist aber nicht so extrem wie bei manchem Downhill-Boliden.

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Das MIG-R passt noch auf den Yakima-Träger „Just Click 2“, jedoch sind die Ratschgurte zur Laufradbefestigung zu kurz. Deshalb entscheide ich mich, das Hinterrad mit einem Spanngurt zu sichern. Gut gesichert macht sich das THOK auf den Weg zum

Start meiner Testrunde.

Das Abladen des MIG-R geht schneller als das Aufladen, sicher ist da auch ein gute Stück Vorfreude dabei. Zum einen natürlich auf das E-Bike. Aber auch weil das Wetter gut ist und ich mich auf die vor mir liegende Strecke freue.

Der Antrieb wird am Akku aktiviert, der große Taster ist auch durch das abnehmbare AkkuCover gut zu erreichen, benötigt aber einen kräftigen Druck. Helm und Rucksack auf und los geht’s. Das schöne beim Fahrradtesten ist, das man oftmals mehrere Sachen gemeinsam testen kann. So ist mein Helm mit dem Tocsen-Sturzsensor ausgestattet und der Rucksack ist der H.A.W.G Commute 30, ein spezieller Bike-Commuter-Rucksack von Camelbak, allerdings ohne Trinkblase im vorgesehenen Fach.

Es geht direkt mit dem Anstieg los: Wenige dutzend Meter vom Startpunkt verläuft ein Wanderweg mit grobem Kopfsteinpflaster steil bergauf. Etwa auf halben Weg kommt mir eine Wanderin auf dem Weg bergab entgegen. Natürlich halte ich an und lasse sie passieren. Mit einem E-Bike ist es ja kein Problem, am Berg anzufahren. Wir grüßen uns freundlich und tatsächlich funktioniert es sehr gut, mit dem sensibel ansprechenden Shimano EP8 am Berg anzufahren. Ich hätte sogar noch nicht einmal auf den „Rettungsring“, also den leichtesten Gang, schalten müssen

Vorteile einer Vario-Sattelstütze

Kurz nach dem Losfahren sehe ich etwas am Boden liegen. Beim Vorbeifahren erkenne ich: Da liegt ein Smartphone! Das kann nur von der Wanderin sein. Ich kurbele noch ein Stück weiter, bis der Hohlweg nicht mehr ganz so schmal ist und wende. Trotz des langen Radstands klappt das mit dem Thok MIG-R erstaunlich gut. Bergab rolle ich wieder bis zum am Boden liegenden Smartphone. Bevor ich anhalte, um das Gerät aufzuheben, senke ich die Vario-Sattelstütze per Hebel am Lenker ab: Die Sitzhöhe wurde vom Werk passend auf mich eingestellt. Aber bergab stehend käme ich mit den Fußspitzen beim Anhalten nicht auf den Boden, wenn ich auf dem Sattel sitzen bleibe. Und zudem macht ein tiefer Sattel das Aufsteigen in dieser Situation einfacher.

Das Smartphone stecke ich ein und rausche, der Wanderin nach, den Hohlweg hinab. Hier bekomme ich bereits eine erste Ahnung davon, was ein gut eingestelltes Fahrwerk bedeutet: Die Gabel bügelt gemeinsam mit dem Federbein einiges aus, den Rest erledigen die, dämpfungswirksam mit wenig Luft versehenen, Reifen.

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Als Besitzerin und Smartphone wieder glücklich vereint sind geht es für mich wieder den Hohlweg hinauf. Dank des Shimano EP8 macht das richtig Spaß! Es ist nicht so steil, dass ich die kleinste Übersetzung bräuchte und so teste ich die verschiedenen Antriebsmodi durch. Eco ist mir zu wenig, Boost zu viel. Aber Trail ist genau richtig. In dieser Einstellung regelt der Antrieb abhängig von der eingebrachten Kraft auf dem Pedal die passende Unterstützungsstufe, das klappt richtig gut und fühlt sich sehr natürlich an.

Weiter oben weitet sich der Weg und gibt einen herrlichen Blick über das Rheintal frei, drei Wanderer, die den Ausblick ebenfalls genießen, grüßen freundlich. Ob’s am eleganten und seltenen Erscheinungsbild des Thok liegt oder daran, dass aktuell noch wenige E-MTB-Fahrer auf den Wanderwegen unterwegs sind?

Nach einer kurzen Pause fahre ich weiter, irgendwie ist es ja schon cool, die Variosattelstütze elegant beim Losfahren nach oben surren zu lassen.

High-Speed geradeaus auf Asphalt

Der Weg führt über ein kurzes Stück Schotter und geht nach etwas 50 Metern in einen asphaltierten landwirtschaftlichen Weg über. An Weinreben entlang führt mich die Strecke weiter, ich suche fast jede Unebenheit, um das Fahrwerk zu testen – und jedes Mal grinse ich breit. Denn obwohl es nicht wirklich gefordert wird, ist es beeindruckend, wie sensibel die Federelemente ansprechen.

Wenn es bergauf geht, geht es irgendwann auch bergab. Ich gebe dem MIG-R die Sporen, schalte die Gänge durch. Die breiten Stollen der Reifen surren deutlich vernehmbar, der Shimano EP8 schleicht die Leistung oberhalb der Unterstützungsgrenze sanft aus und das Ende der Bergabstrecke kommt viel zu früh. Die Bremsen lassen sich gut dosieren und fangen Fahrer samt Bike punktgenau vor der Kreuzung ein.

Den Teil der Strecke, der jetzt kommt, kenne ich gut, er war lange Jahre meine Pendelstrecke. Damals mit dem Velombobil eORCA fühlte sich die leichte Steigung jedoch steiler an. Heute auf dem Thok MIG-R wird die Strecke praktisch zur Ebenen.

25 km/h auf grobem Kopfsteinpflaster

Nach etwa 2 Kilometern muss ich über einen viel befahrene Landstraße, direkt dahinter geht es auf einem leicht ansteigenden, unbefestigten Feldweg weiter, der mündet wiederum nach etwa 2 Kilometern in einen breiten, mit grobem Kopfsteinpflaster belegten Fahrweg mündet.

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Ich nenne diesen Abschnitt die „Römerstraße“, denn so stelle ich mir eine solche Straße vor. Auch hier zeigen sich die Vorzüge eines Fully-E-MTB: Mit 25 km/h fliege ich förmlich über das Pflaster, Gabel und Dämpfer halten das Gröbste von mir fern, freilich ohne mich komplett vom Untergrund zu entkoppeln. Hier oben weht ein strammer Wind, doch der macht die Fahrt fast noch vergnüglicher.

Thok MIG-R Downhill

Nach wenigen Kilometern führt die „Römerstraße“ auf einen weiteren Feldweg, den ich nach links abbiege. Kurz darauf erreiche ich einen weiteren Weg, der hinunter ins Tal führt. Diese Wegstrecke wird praktisch nur von landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt, und so sieht sie auch aus: Steil und fast schnurgerade führt sie ins Tal, nur etwa im letzten Drittel gibt es eine leichte Rechtskurve um ein niedriges, kleines Gehölz herum. Auf der linken Seite stehen die Weinreben nahe am Weg, rechts ist aber viel Platz bis zu den nächsten Reben.

Die Traktoren haben tiefe Fahrspuren auf mehreren Linien hinterlassen, seit meinem letzten Besuch hier scheinen die Auswaschungen durch den Regen noch tiefer geworden zu sein. Nur an den Rändern des Wegs ist schütteres Gras zusehen, ansonsten ist muränenähnlicher Schotter mit Steinen unterschiedlicher Größe vorherrschend.

Vor diesem Weg habe ich Respekt, wie gesagt, ich bin kein ausgewiesener Downhill-Fahrer. Doch dieses Stück und seine Beschaffenheit machen ihn zur idealen Teststrecke für Dosierbarkeit und Standfestigkeit von Bremsen. Von hier oben kann ich die gesamte Strecke einsehen. Ich warte noch einen Moment ab, denn von unten quält sich ein Gravelbiker am Rand des Weges bergauf, den will ich nicht mit eventuell herumfliegenden Kieseln gefährden. Außer ihm und mir ist weit und breit kein Mensch zu sehen.

Es geht los

Als der Gravelbiker oben ankommt rolle ich los. Die Sattelstütze habe ich ganz nach unten gefahren, so habe ich viel Platz zur Gewichtsverlagerung. Ich suche mir die erste Linie, muss aber kurz danach auf eine andere ausweichen – holla, das ging aber leicht und locker! Nochmal ein Spurwechsel, der ebenso leicht von der Hand geht. Das macht mich mutig, ich löse die Bremsen, konzentriere mich auf die Strecke vor mir, werde schneller. Ein kleiner Absatz folgt auf einen Spurwechsel, oh, da ist schon wieder Geröll, jetzt bloß nicht bremsen! Also rollen lassen, Zeit, um auf den Tacho zu schauen ist nicht, die nächsten ausgewaschenen Stufen in der Spur kommen schon. Das Fahrwerk bügelt die Schläge aus, den Rest erledigt die Körperspannung.

Der Fahrtwind saust in den Ohren, ich höre mich selbst lachen und jauchzenjetzt verstehe ich die Begeisterung von Downhill-Fahrern! Die Kurve um das Gehölz naht. Damit ich gute Sicht habe fahre ich die Rechtsbiegung möglichst weit links an. Das Thok MIG-R folgt über den breiten Lenker willig meinem Lenkbefehl, ich lege die Bremsen leicht an, als ich freie Sicht habe lasse ich sie aber wieder fahren, genieße das letzte Drittel der Abfahrt in voller Geschwindigkeit.

Bremsen!

Unten läuft der Weg auf Asphalt aus, ich nutze die rasende Geschwindigkeit für einen Bremstest. Gut dosierbar und kräftig fangen die SRAM – GUIDE RE mit ihren 4 Kolben in Zusammenarbeit mit den 200er-Scheiben Thok und Fahrer wieder ein, stabil und ohne schlingern komme ich zum Stehen.

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Filigrane 200mm durchmessende Scheibenremsen am Thok MIG-R

Nochmal?

Gut, oder vielleicht auch schade, dass mich jetzt niemand sehen kann: Schnaufend und breit grinsend stehe ich da, schaue zurück auf die Strecke, die hinter mir liegt. Erst in diesem Moment wird mir klar, was ich da gerade gemacht habe. Deshalb zappe mich durch das Menü des Displays des Antriebs und finde was ich suche: Den Vmax-Wert. Er steht bei 50,8 km/h!

So schnell, und gleichzeitig mit einem so sicheren Gefühl bin ich mit noch keinem Fahrrad vorher hier heruntergefahren. Einfach nur Wow! Am liebsten würde ich das nochmal machen, doch ich habe noch eine gute Wegstrecke vor mir.

MIG-R: Wendig trotz langem Radstand

Nach ein paar Minuten Verschnaufpause fahre ich weiter. Ich muss durch den nächsten Ort hindurch und danach wieder bergauf. Im Örtchen verfahre ich mich, finde mich unversehens an einer Rampe, die sich in zwei engen Windungen nach oben zum Bahnhof schlängelt. Das Schild zeigt eindeutig, dass das hier der Radweg ist, also los.

Zunächst bin ich skeptisch, denn die beiden Kehren sind recht eng. Der breite, konifizierte Lenker des Thok lässt aber ein gutes Dirigieren zu. Der Shimano-Antrieb reagiert sensibel auf jeden Pedaldruck und so kann ich, ein wenig in Trial-Manier, die Kehren umrunden. Oben angekommen ist kein Hinweis zu sehen, also fahre ich einfach der Nase nach.

Thok Progressve System

Nach einem Umweg über ein Stück Hauptstraße suche ich mir den Weg dann doch lieber doch durch den Ort. Oberhalb einer Schule finde ich einen breiten, komplett grasbewachsenen Weg, der bergauf in die Richtung führt, in die ich will. Kurzentschlossen nehme ich den unter die stollenbewehrten Räder des Thok MIG-R. Es ist trocken, der Boden bietet viel Halt, kräftig pedalierend fahre ich im Sitzen den Anstieg hinauf. Durch das hohe Gras kann ich Unebenheiten nicht rechtzeitig sehen, um ihnen auszuweichen, muss die Arbeit also dem sensibel ansprechenden Fahrwerk des Thok überlassen.

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Besonders im Vergleich zum Donwhill zeigt sich hier, dass THOK mit der “TPS” (Thok Progressive System) genannten Hinterrad-Kinematik genau die progressive Wirkung erreicht, die der Name beschreibt: Sensibles Ansprechen zu Beginn des Federwegs, um bei stärkeren Schlägen auf die Hinterhand den Federweg zu verhärten. Damit wird ein komfortables Fahrwerk erreicht, das trotzdem nicht durchschlägt. Sehr beeindruckend!

Oben angekommen geht es auf einem asphaltierten Stück Radweg weiter, kurz hinter einer Ampel kann ich aber in den Wald abbiegen. Ja, die Deutschen und ihr Wald! Für mich gilt das Klischee auf jeden Fall. Ich genieße die frische, kühle Waldluft, unter mir surrt der Shimano und die Maxxis-Reifen rascheln auf dem blätterbedeckten Weg. Die Streckenführung bietet hier keine Herausforderung, es ist einfach nur entspannend.

Shimano Display & Bedienung

Ein Blick auf das kleine, am Lenker nahe dem Vorbau geschützt montierte Display von Shimano zeigt, dass ich erst einen Balken Akkuladung verloren habe. Nach etwa einem Drittel der Strecke ist das sehr beruhigend. Erstaunlich ist, dass sich das Display sehr gut auch bei wechselnden Lichtverhältnissen hier im Wald ablesen lässt. Die Bedienung über die beiden Taster am linken Lenkerende ist sehr leicht und einfach während der Fahrt möglich.

Kleine Alltagsnachteile beim Thok MIG-R

Der Waldweg spuckt mich auf eine Streuobstwiese aus, die Blüten verströmen einen betörenden Duft, beim Anhalten vernehme ich ein beständiges Summen in der Luft: Die Bienen sind am Werk! Und tatsächlich sehe ich in einiger Entfernung aufgestellte Bienenstöcke. Das hier ist ein idealer Platz zum Rasten. Als Sportgerät verfügt das Thok nicht über einen Seitenständer, also muss ich es vorsichtig zu Boden legen.

Ebenso ist kein Gepäckträger vorgesehen – bei einem Fully E-MTB natürlich sinnvoll: Denn eine am Hinterbau befestigte Last erhöht die ungefederten Massen und verschlechtert damit das Ansprechverhalten der Federung.

Genau deshalb bin ich mit dem geräumigen Rucksack Commute 30 von Camelbak unterwegs. Der mich nicht nur mit dem großen Stauraum überrascht, sondern auch mit dem effizienten Trägersystem, unter dem ich kaum schwitze. Aber dazu in einem anderen Bericht mehr.

Jetzt geht es mit dem THOK MIG-R weiter. Nach der Rast führt mich der runzelige, asphaltierte Weg bergab. Ich lasse es laufen und merke schon in der ersten Kurve, dass die Reifen “gautschen”, sich anfühlen, als würden sie den Grip verlieren und wegrutschen. Ein Tribut an den geringen Luftdruck, der den Pneus zwar eine traktionsförderlich große Aufstandsfläche verschafft, aber die Seitensteifigkeit der Karkasse verringert. Das beste Mittel dagegen wäre mehr Luftdruck, ich wähle das zweitbeste und nehme in den Kurven einfach etwas Geschwindigkeit raus.

MIG-R & Singletrails

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Das Thok MIG-R auf schmalem Singletrail.

Wenig später biege ich nach links in einen sehr schmalen Waldweg ein. Hier schlängelt sich ein kleines Netz von Singletrails unter den Bäumen durch. So schmal, dass ich teilweise Bedenken habe, mit dem breiten Lenker des Thok überhaupt hindurchzupassen. Doch das klappt wunderbar, ginge sicherlich sogar schneller, doch ich will es nicht übertreiben, bin nicht auf die letzten Sekunden aus. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, macht das MIG-R hier richtig Laune. Erneut wundere ich mich, wie handlich dieses E-MTB ist.

Der Singletrails mündet auf einen breiteren Weg und das Radwegschild weist nach rechts. Ich folge der Route und sehe unvermittelt einen kurzen, aber sehr steilen, grasbewachsenen Anstieg vor mir. Ich schalte auf Boost-Unterstützung, nutze die wenigen Meter Anlauf, gehe aus dem Sattel. Das Thok unter mir baggert den Anstieg hoch, ich meine zu fühlen, wie sich jede Stolle des Hinterrads in den Untergrund verbeißt und bin auf der Kuppe froh um das hoch platzierte Tretlager des MIG-R. Wäre es tiefer hätte ich sicher aufgesetzt.

Vorteil Mullet-Prinzip

Genau hier an dieser Stelle wird mir das theoretische Prinzip der Mullet-Bereifung in der Praxis bestätigt: Das Thok MIG-R verfügt vorne über ein 29 Zoll großes Vorderrad, hinten aber über eines mit 27,5 Zoll. Während das große Vorderrad die Spurführung verbessern und leichter über große Unebenheiten rollen soll, ist das kleinere Hinterrad für mehr Traktion zuständig. Letzteres war an diesem Anstieg deutlich zu spüren, während das Vorderrad wohl einen großen Anteil am spaßigen Downhill hatte.

Ich finde mich in einer kleinen, schloßartigen Anlage wieder und schiebe deshalb das E-Bike ein paar Meter, bevor ich wieder auf einen Waldweg treffe. Der führt mich zu einer Hauptstraße und nachdem ich die überquert habe, geht es kurz danach wieder rechts ab in den Wald. Der tief eingeschnittene, sandige Pfad führt ziemlich knackig aufwärts, einige Wurzeln winden sich quer drüber. Jetzt zeigt sich besonders gut, dass gerade der Hinterreifen vom geringen Luftdruck profitiert, denn er schmiegt sich geradezu um das Holz, verbessert die Traktion deutlich spürbar.

Trail, Drop & Sand

Über die Kuppe hinweg geht es direkt wieder nach unten, doch der Trail bleibt schmal, die Kurven machen ihn unübersichtlich. Dank der gut dosierbaren und standfesten Bremsen kann ich die Geschwindigkeit gut kontrollieren und die Strecke trotzdem zügig und sicher durchfahren. Nach der letzten Kurve geht es geradeaus bergab, es ist niemand zu sehen und ich lasse die Bremsen los. Das E-Bike wird rasch schneller, mein Grinsen breiter – bis ich die Stufe einige Meter vor mir sehe.

Mir wird etwas mulmig aber zum Bremsen ist es zu spät. Rasend kommt der Absatz näher, ich lupfe das Vorderrad, verlagere mein Gewicht etwas nach hinten. Das Hinterrad ist jetzt ebenfalls in der Luft. Nach dem Sprung kommt das Bike nahezu gleichzeitig mit Hinter- und Vorderrad wieder mit dem Boden in Kontakt. Die Federelemente verrichten sämig ihre Arbeitsagenhaft wieviel Sicherheit das MIG-R vermittelt.

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Im Tiefsand erreicht das Thok MIG-R seine Grenzen.

Weiter geht es auf einem breiten und leicht sandigen Waldweg, doch der Sand wird bald deutlich tiefer werden. Hier kommt das Thok an seine Grenzen, aber bis auf ein FatBike würde in diesem Sandkasten jedes Fahrrad aufgeben müssen. Nach einigen erfolglosen Versuchen am größten Hügel mahnt mich ein Blick auf den Akkustand, den Rückweg anzutreten: Ich habe noch zwei Balken und muss einige Kilometer durch die Stadt zurück zu meinem Ausgangspunkt zurückzulegen.

Bike-Showing

Der Weg über die Radwege scheint das Thok zu langweilen, die breiten Stollen summen auf dem Pflaster, bei knapp 25 km/h ist Schluss. Kein Wunder, ich habe Gegenwind und hänge am breiten Lenker wie das berühmte Segel im Wind. Also mache ich aus der Not eine Tugend und lasse es etwas gemächlicher angehen. Am Fluss entlang führt der Radweg durch die Stadt, es sind einige Spaziergänger unterwegs und ich bemerke den ein oder anderen neugierigen Blick, den das Thok MIG-R auf sich zieht.

Auf den letzten Kilometern geht es noch einmal etwas steiler bergan und schließlich erreiche ich nach knapp 53 Kilometern und einer reinen Fahrzeit von knapp 2 Stunden 45 Minuten mit noch einem Balken Restreichweite meinen Ausgangspunkt.

Fazit Thok MIG-R

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Thok MIG-R: Wenn ein E-MTB-Fully, dann das hier!

Das THOK MIG-R hat mich begeistert! Zum einen durch das Design und die Farbgebung. Zum anderen aber durch die enorme Sicherheit, die das Bike beim Fahren vermittelt. Selten zuvor habe ich die theoretischen Vorteile von Rahmengeometrie, Schwerpunktlage und Mischbereifung in der Praxis so deutlich und buchstäblich erfahren können. Das ist zweifellos auch ein Verdienst der vom Werk vorgenommen, zu meinen Daten passenden, Fahrwerkseinstellungen. An dieser Stelle ein herzliches „grazie mille“ an Livio, den THOK-Mechaniker, der laut Dokumentation das Bike vorbereitete.

Würde ich mir ein Offroad Fully E-MTB zulegen wollen, dann das THOK MIG-R. Dabei müsste es nicht mal die exklusive Yellow Edition oder das individuelle Frame-Set sein.

Das Thok MIG-R ist nicht nur ein Bike für Cracks sondern ein E-MTB, mit dem jede und jeder Spaß haben kann. Die Sitzposition ist zwar vorderradorientiert aber nicht unbequem und durchaus langstreckentauglich. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf unbefestigten Wegen, doch auch als Pendelbike ins Büro taugt es mit ein paar Einschränkungen. Dafür ist zwar eigentlich das MIG-HT im Programm von Thok vorgesehen. Doch auch das MIG-R kann hier, je nach Beschaffenheit des Untergrunds, seine Stärke des komfortablen, sensibel ansprechenden Fahrwerk ausspielen.

Der Shimano EP 8 zeigt, das nominelle Kraft nicht alles ist. Er spricht sanft an, setzt jeden Pedaldruck sensibel um und fühlt sich sehr natürlich an. Schade, dass dieser Antrieb ein gefühltes Schattendasein führt.

Hochwertige Ausstattung, edles Finish, rassiges Styling – das alles hat seinen Preis: Aktuell (Stand 05/2022) steht das in vier Größen (S,M,L,XL) erhältliche THOK MIG-R mit 5.790 € in der Liste. Inklusive individueller Einstellung des Bikes auf die Anforderungen der neuen Besitzerin oder des neuen Besitzers, Rahmen mit Personalisierung, Transportkosten und THOKcare-Garantie.

Mehr Informationen zum Bike sind auf der Website von Thok zu finden.

[Text:[at], Fotos: VeloStrom]

Transparenzhinweis: Das Testbike wurde von THOK ohne Vorgaben kostenfrei zur Verfügung gestellt.

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Alexander Theis
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