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Interview Lastenrad

Lastenrad: Interview mit Thomas Schmitz und Frank Bramer, Gründer von VeloCarrier Mainz

Lesezeit etwa 8 Minuten

[at] Lastenräder eignen sich ideal für innerstädtische Transporte. Ich habe mit den Gründern Thomas Schmitz und Frank Bramer von VeloCarrier in Mainz gesprochen.

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Thomas Schmitz (links) und Frank Bramer (rechts), die Gründer von VeloCarrier Mainz (Klicken zum Vergrößern)

Alexander Theis: Wie kam es zur Idee, einen Radkurierdienst zu gründen?

Thomas Schmitz: Wir bezeichnen uns nicht als Radkurierdienst, sondern als nachhaltige Citylogistiker, da wir bis zu 200 kg zuladen können und einmal vollgeladen die Waren in der Stadt verteilen. Die Idee – nun dahinter verbirgt sich wie immer eine Story bzw. Vorgeschichte:

Ich war 2016 auf Geschäftsreise in Italien und habe nach einem guten Abendessen nach Lastenrädern geschaut, um mir eins anzuschaffen. Da entstand die erste grobe Idee in Mainz ein entsprechendes, nachhaltiges Unternehmen zu gründen. Jetzt setzen wir die Idee kräftig in die Tat um und treten selbst täglich in die Pedale.

Alexander Theis: Welche Lastenräder setzen Sie ein?

VeloCarrier_Letzte_MeileFrank Bramer: Es kommen im Wesentlichen nur Lastenräder zum Einsatz, die eine Zuladung von mindestens 150 kg und ein Ladevolumen deutlich über 1000 Liter haben. Entsprechend robust müssen diese sein, da sehr schnell viele Betriebsstunden zusammenkommen. Wir legen größten Wert auf einfache, robuste und gut zugängliche Technik, damit die Wartung und Reparatur schnell und einfach zu bewerkstelligen ist.

Alexander Theis: Bis zu 200 kg Nutzlast sind ja schon eine Menge. Da macht, gerade beim hügeligen Terrain in Mainz, der Pedelec-Antrieb besonders viel Sinn. Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit der Leistung der Antriebe, gerade bei der Kälte vor wenigen Tagen?

Thomas Schmitz: Vorweg, ohne elektrische Unterstützung geht es bei diesen Lasten grundsätzlich nicht, selbst, wenn wir auf dem platten Land unterwegs wären. Ich würde die Topographie von Mainz als weitestgehend problemlos bezeichnen. Die wenigen, richtigen „Hotspots“, wie die Gaustraße [A.d.R: „Mit 9,549 Prozent“ (Wikipedia) steilste Straßenbahnstrecke Deutschlands] oder der Zahlbacher Steig, können wir auch mit vollem Bike meistern.

Bezüglich der Temperaturen waren wir in den vergangenen Wochen auch bei -10°C unterwegs. Es ist eine verringerte Leistung spürbar und die Reichweite ist reduziert, aber unsere Touren konnten wie gewohnt bewerkstelligt werden.

Alexander Theis: Wie sieht denn das Dienstleistungsangebot von VeloVarrier aus?

VeloCarrier_portfolioFrank Bramer: Wir bieten eine ganze Palette an Dienstleistungen an, dazu nenne ich gerne die Schlagworte wie, „Letzte Meile“, „Erste Meile“, Lieferung am selben Tag („Same Day Delivery“), Paketannahme, -verwahrung und -lieferung zum Wunschtermin sowie Postfahrten. Damit erreichen wir gewerbliche wie auch private Kunden. Das Ziel ist natürlich die optimale, ganztägige Auslastung unserer Lastenräder. In naher Zukunft ist geplant auch Kühlware in entsprechend isolierten Koffern zu transportieren.

Alexander Theis: Das heißt Sie sehen sich nicht als Konkurrent zu Radkurieren?

Thomas Schmitz: Natürlich verschwimmen hier gelegentlich die Grenzen, aber genauso ist es. Wir dürfen sogar Kurierdienste zu unseren Kunden zählen, wobei wir hier die Lücke zwischen einem Fahrradkurier mit  Rucksack und zum Beispiel einem PKW (Kastenwagen) schließen. Wir müssen keinen Parkplatz suchen und können das Ziel immer direkt anfahren und das auch ganztägig in den Fußgängerzonen.

Alexander Theis: In welchem Gebiet bieten Sie die Same Day Delivery an, in welche Stadtteile liefern Sie?

Frank Bramer: Wir liefern in ganz Mainz, ausgenommen sind zwei außerhalb gelegene Stadtteile. Es gibt natürlich auch Fahrten, die sich mit einem Lastenrad noch nicht lohnen. Diese erledigen wir derzeit noch nachhaltig mit einem kleinen Elektro-Lieferwagen.

Alexander Theis: Bieten Sie Ihre Dienstleistung auch Privatpersonen an?

Thomas Schmitz: Selbstverständlich, hier sind vor allem die zuvor erwähnte Paketannahme, -verwahrung und Lieferung zum Wunschtermin zu nennen. Darüber hinaus transportieren wir alles, was in unsere Lastenräder passt auch für Privatpersonen. Nicht zuletzt bringen wir auch den Einkauf nach Hause. Hier kooperieren wir jetzt auch verstärkt mit einem Bio-Supermarkt. Das ist dann sozusagen doppelt nachhaltig.

Alexander Theis: Mainz hat ja nicht die beste Fahrradinfrastruktur. Passen Sie mit den Lastenrädern denn auf die Mainzer Radwege, zum Beispiel den an der Großen Bleiche?

Frank Bramer: Es gibt einige Radwege, die wir gar nicht nutzen können, so auch den auf der großen Bleiche. Hier weichen wir grundsätzlich auf die Straße aus. In Mainz wurden einige Dinge, die das Leben eines Radfahrers deutlich leichter machen konsequent umgesetzt. Hier sind in ersten Linie die Fahrrad-Piktogramme auf der den Farbahnen zu nennen und natürlich das der größte Teil der Einbahnstraßen durch Radfahrer in beide Richtungen befahren werden dürfen. Im Vergleich zu einigen anderen Städten, auch einige größere in unmittelbarer Nähe, schneidet Mainz in Summe gar nicht so schlecht ab.

Alexander Theis: Wenn Sie auf die Straße ausweichen müssen: Wie ist denn die Akzeptanz bei  anderen Verkehrsteilnehmern?

Thomas Schmitz: Hier haben wir bisher fast nur gute Erfahrungen gemacht. Im Stadtzentrum schwimmen wir in der Regel im Verkehr mit. Wir sind der Auffassung, dass das Miteinander durch gegenseitige Rücksichtnahme gut funktioniert. Jeder von uns ist schließlich nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger und/oder Radfahrer, kennt also die Situation auch aus der Perspektive des Anderen. Die Anzahl der „Rüpel“, sei es bei den Autofahrern,  Radfahren oder auch Fußgängern hält sich in Mainz in Grenzen.

Alexander Theis: Sie sind mit VeloCarrier seit 2017 in Mainz aktiv, also schon vor der Affäre um den Diesel. Hat sich die Diesel-Problematik bei Ihnen bemerkbar gemacht?

Frank Bramer: Die Problematik von verschmutzter Luft, aus welchen Gründe auch immer, ist grundsätzlich sehr ernst zu nehmen und es muss konsequent etwas dagegen getan werden. Der bloße Verdacht, dass Menschen zu Schaden kommen können muss ausreichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wir sehen uns als ein Puzzleteil bei der Verbesserung der Situation. Nur ein schlüssiges Konzept aus vielen Maßnahmen unter Einbeziehung aller Beteiligten wird die Verhältnisse nachhaltig verbessern können. Aus unternehmerischer Sicht bildet die Diesel-Problematik keine Geschäftsgrundlage, sie führt aber dazu, dass unser nachhaltiges Unternehmen von Bürgern, Unternehmen und Politik stärker wahrgenommen wird.

Alexander Theis: Wenn Sie auf Grund der Dieselproblematik mit einem Anstieg Ihres Auftragsvolumens rechnen, woher bekommen Sie die Fahrer?

VeloCarrier_theodor-heuss-brueckeThomas Schmitz: Die Steigerung des Auftragsvolumens ergibt sich aus der Qualität unserer Dienstleistung, der grundsätzlichen Verkehrssituation in der Stadt und der Bedürfnisse unserer gewerblichen und privaten Kunden, nicht ursächlich aufgrund der Dieselproblematik. Unsere Fahrer sind hauptsächlich Studenten und Schüler über 18 Jahre, die als Minijobber tätig sind.

 

Alexander Theis: Wie bewerten Sie die Förderung der Lastenräder durch die Regierung?

Frank Bramer: Schlicht und ergreifend ein überfälliger und bitter notwendiger Schritt. Die Politik hat die Thematik über Jahre ausgesessen. Alles Mögliche und Unmögliche wird gefördert und es hat lange gedauert, dass es auf Bundesebene eine solche Förderung gibt, die für jeden einleuchtend viele Vorteile bringt. Es werden auch nur Räder größer 150 kg Zuladung und mit mindestens 1 Kubikmeter Ladevolumen gefördert, so dass hier gerade die gewerblichen Nutzer adressiert werden. Die Förderung ist hochwillkommen und wird sicher Ihr Ziel erreichen.

Alexander Theis: Was war für Sie bisher die größte logistische Herausforderung?

Frank Bramer: Am letzten Valentinstag mehr als 65 Blumensträuße zusätzlich zum normalen Geschäft überall in Mainz ausfahren. Da kamen wir so richtig ins schwitzen! Aber soviel sei gesagt: Es gibt täglich neue logistische Herausforderungen.

Alexander Theis:  Nutzen Sie auch privat oft das Rad?

Thomas Schmitz: Wann immer es geht und das ist fast täglich. Jetzt auch wieder verstärkt für den Weg zur Arbeit, abseits der Straßen durch Weinberge, Wald und Felder.

Alexander Theis: Wenn Sie einen Wunsch an die Mainzer Stadtverwaltung frei hätten: Welcher wäre das?

Frank Bramer: Die Radinfrastruktur muss weiter konsequent verbessert werden. Das Ziel ist erreicht, wenn mehr Fahrräder in der Innenstadt unterwegs als Autos, so wie in Münster, Oldenburg, Kopenhagen oder Amsterdam.

Alexander Theis: Vielen Dank für das Gespräch!

[Fotos: Schmitz & Bramer GmbH]

Edit: Aus „VeloCarrier Mainz“ wurde „Radlader Urbane Logistik“, sonst blieb alles wie gewohnt.

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Alexander Theis
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