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E-Bike-Tests

Fahreindrücke E-Bike Moustache „J“

Lesezeit etwa 8 Minuten

Das mit dem Gold-Award ausgezeichnete E-Bike aus Frankreich konnte ich auf der Eurobike fahren. Erste Fahreindrücke und Hintergründe zum Pedelec.

Das „J“ von Moustache wurde auf der Eurobike mit einem Award in Gold ausgezeichnet. Der Hersteller aus Frankreich baut seit mehr als 10 Jahren nur E-Bikes – ok, ein Laufrad ist auch dabei.

„Moustache“ ist französisch für „Schnurrbart“ und bezieht sich auf die Form des charakteristischen Lenkers, der viele der Fahrräder des Herstellers ziert.

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Charakteristischer Moustache-Lenker, hier an einem Samedi

Obwohl Moustache weltweit jährlich mehr als 65.000 Pedelecs in 14 (!) Kategorien (sogar ein FatBike ist dabei) baut, ist das Unternehmen in Deutschland nur wenigen bekannt. Doch das wird sich bald ändern, da bin ich sicher.

Die meisten E-Bikes von Moustache sind nach Wochentagen benannt, gefolgt von einer Zahl, die sich auf die Laufradgröße bezieht. Doch es gibt auch Ausnahmen davon, eine ist das „J“.

Moustache „J“ – Fabrikation

Das Mousache „J“ ist anders als die anderen E-Bikes. Ziel bei der Entwicklung waren unter anderem kurze Lieferketten. Der Weg des Rahmens vom Beginn der Fertigung bis zur Endmontage verkürzt sich beim „J“ von 18.500 Kilomter auf weniger als 1.000 Kilometer! Neben der CO2-Einsparung bringt das auch schnellere Reaktionszeiten bei der Entwicklung und Fertigung mit sich.

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E-Bike „J“ von Moustache

Für den Aluminiumrahmen kommt eine direkt aus dem Erz gewonnene Legierung von Herstellern aus Frankreich und Italien zum Einsatz. Bei der Produktion werden alle Abfälle und überschüssigen Materialien wiederwendet.

Der zweiteilige Rahmen wird in Vitrolles in der Nähe von Marseille gegossen. Dabei kommt ein bisher einzigartiges Verfahren zum Einsatz. Durch clever angebrachte interne Verstärkungen ist der vollgefederte Tiefeinsteigerrahmen genau so verwindungssteif wie ein Diamantrahmen.

Notwendige Fräsungen erfolgen in Poligny im französischen Jura, danach wird der Rahmen in Schirmeck im Elsass pulverbeschichtet, was den Einsatz von Lösungsmitteln in herkömmlichen Lacken überflüssig macht.

Die Endmontage erfolgt dann im Moustache-Werk in den Vogesen.

Moustache „J“ – Features

Ein weiteres Ziel der Entwicklung des Moustache „J“ war es, ein unkomliziertes E-Bike mit hohem Komfort, tollem Handling, cleaner Optik und für praktisch jeden Einsatzzweck und jede Anatomie zu schaffen.

Für den Komfort sorgt unter anderem der Antriebsstrang, bei dem der Bosch-Performance Line Mittelmotor und das Hinterrad auf einer Art Triebsatzschwinge montiert sind. Diese ist durch eine Achse sowie 2 überdimensionierte Lager mit dem Hauptrahmen verbunden und stützt sich über einen einstellbaren Dämpfer an diesem ab. Das Vorderrad wird durch eine hochwertige Luft-Federgabel von Suntour geführt.

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Der Tiefeinsteiger-Rahmen erlaubt einen einfachen Aufstieg, die vom Lenker fernbedienbare Teleskop-Sattelstütze (-> Was ist eine Teleskop-Sattelstütze/ Dropper-Seatpost?] ermöglicht es, die Füße auch bei hoch positioniertem Tretlager beim Anhalten sicher auf den Boden zu bekommen.

Der ergonomische Moustache-Lenker mit verstellbarem Vorbau [-> Was ist ein Vorbau?], in den auch der Trelock-Lighthammer Frontscheinwerfer formschön integriert ist, bringt eine aufrechte, natürliche Sitzposition. Alle Züge sind, soweit sinnvoll möglich, im Rahmen verlegt.

Ebenfalls in den Rahmen verlegt ist der Akku. Optional besteht die Möglichkeit, durch einen Bosch Power-More-Akku die Reichtweite zu steigern.

Je nach Version des Moustache „J“ steht es auf 2,4 Zoll breiten Schwalbe Super Moto X, 2,6 Zoll breiten Johnny Watts oder 29-Zöller Maxxis Rekon in 2,4 Zoll Breite.

Moustache „J“ – Fahren

Genug der Theorie, wie fährt sich das preisgekrönte E-Bike aus Frankreich?

Vom „J“ gibt es drei Versionen: Eine mit einem rahmenfest angebrachten Gepäckträger; eine weitere, etwas sportlicher anmutende Version mit Schutzblechen und integriertem Gepäckträger; und eine Version ohne Schutzbleche und Gepäckträger, sozusagen ein Tiefeinsteiger E-MTB für den Einsatz in Wald und Flur. Gerade diese Version zeigt das Vertrauen, dass die Franzosen in die Stabilität ihres Rahmens setzen.

Für die Probefahrt auf der Eurobike 2023 stand mir die sportlichere Version zur Verfügung. Die grobstolligen Reifen zeigen: Hier stehe ein SUV-EBike. Also ein All-Rounder, der sich auch auf unbefestigten Wegen wohlfühlt, solange sie nicht zu schlammig sind. Diese Radgattung ist nicht ohne Grund so erfolgreich und populär – eben weil sie so vielseitig ist.

Der rahmenfest montierte Gepäckträger ist bei diesem Exemplars nicht montiert, dafür statt der Enviolo Nabeschaltung [->Was ist eine stufenlose Nabenschaltung?] eine Kettenschaltung [-> Was ist eine Kettenschaltung?]

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Die Sattelhöhe ist schnell passend eingestellt, meine Hände fallen wie selbstverständlich auf die Lenkerenden, Schalthebel und Bedienung des Bosch-Antriebs sind vertraut. Also los.

Ich fädele mich in den Testparcours, auf dem viel Betrieb herrscht. An der ersten engen Kehre biege ich zackig auf die innere Linie: Ich will ausprobieren wie das E-Bike auf schnelle Richtungsänderungen reagiert. Das Pedelec aus Frankreich folgt willig den Lenkimpulsen, es kommt keinerlei Unruhe auf. Sehr gut.

Auf der anschließenden Geraden beschleunige ich auf 25 km/h – Dank des bekannt guten Bosch Performance Line ist das kein Problem – und bringe bewusst Unruhe ins Fahrwerk ein. Die Unruhen klingen schnell wieder ab, ein Zeichen für einen stabilen und verwindungssteifen Rahmen. Allerdings: Ich habe kein Gepäck am Träger befestigt, das müsste man also noch einmal mit Last am Heck ausprobieren.

Am Ende der Geraden folgt eine Bremszone, die das Moustache vor keine Herausforderung stellt. Beim danach folgenden, langsamen Umrunden der Pylonen, um in Richtung Parkhausschleife abzubiegen, ist langsam fahren angesagt. Das funktioniert prima und zeigt, wie gut das Moustache „J“ ausbalanciert ist.

Ein paar Meter weiter muss ich Absteigen und Schieben: Hier queren Fußgänger von einer Halle in die andere. Das folgenden Aufsteigen ist auch mit Schuhgröße 46 komfortabel möglich, der Durchstieg ist groß genug. Bei montiertem Zusatzakku könnte das naturgemäß anders ein.

Auf dem Messegelände in Frankfurt am Main gibt es keine natürliche Steigung. Zum Testen muss daher die Einfahrt ins Parkhaus herhalten. Das Moustache „J“ bewältigt die Steigung wie erwartet problemlos. Auch in Schräglage kann man beim Befahren der Parkhausschnecke noch treten ohne dass die Pedale aufsetzen, Richtungswechsel sind ebenfalls möglich.

Oben angekommen geht es schnurgeradeaus auf die andere Seite des Parkhauses. Es ist hier dunkler, doch das Licht des lenkerfest montierten Scheinwerfers wird vor keine echte Herausforderung gestellt.

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Auf der Abfahrt, ebenfalls eine Schnecke, zeigt sich das Moustache „J“ sehr fahrstabil, der Lenker vermittelt viel Vertrauen zum Vorderrad. Danach geht es auf griffigem Asphalt auf eine lange Gerade. Ich versuche, möglichst jede Unebenheit mitzunehmen, um den Federungskomfort beurteilen zu können.

Gabel und Hinterhand sprechen sensibel an und bieten viel Komfort. Beim langsamen Überfahren größerer Unebenheiten schwingt das Heck einmal sanft nach und ist sofort wieder stabil. Das beeindruckt mich vor allem deshalb, weil die Federung nicht auf mich justiert wurde. Auch längere Wellen werden mit sanftem Wiegen glattgebügelt.

Das Fahrverhalten erinnert mich an den legendären Citroen CX mit Hydropneumatik – was als Lob zu verstehen ist. Freilich ist das Moustache „J“, soweit auf dem eher ebenen, kurvenarmen Testparcour der Eurobike feststellbar, deutlich fahraktiver.

Moustache „J“ – Fazit

„Fahren wie Gott in Frankreich“: Aus meiner Sicht hat das Moustache „J“ das Zeug zum Gamechanger.

Es ist einfach und sicher zu bedienen, komfortabel zu fahren, gut ausgestattet und wertig verarbeitet. Der innovative, in Frankreich gefertigte Rahmen ist, trotz tiefem Einstieg, stabil und verwindungssteif, die Federung komfortabel ohne schwammig zu sein.

Schon die ersten, kurzen Fahreindrücke auf dem Testparcours der Eurobike zeigen: Das Pedelec wurde zu recht mit dem Eurobbike Award in Gold ausgezeichnet.

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E-Bike Moustache „J“, hier mit rahmenfestem Gepäckträger

Mit dem „J“ wird es Moustache sicher gelingen, in Deutschland bekannter zu werden.

Mehr zu Moustache gibt es unter https://moustachebikes.com

[Text:[at], Fotos: VeloStrom]

Alexander Theis
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