Jedes dritte verkaufte Rad in Deutschland ist inzwischen ein E-Bike, Tendenz weiter steigend. Viele Interessenten sind unsicher: Sind E-Bike-Akkus wirklich gefährlich?
Für immer mehr Radler ist das ganze Jahr über Saison – für alle anderen beginnt sie jetzt mit den warmen Tagen. Wie die aktuellen Zahlen des Fahrrad-Industrie-Verbands belegen, werden in diesem Jahr mehr E-Bikes auf deutschen Straßen unterwegs sein als jemals zuvor.
Viele E-Bike-Interessenten haben Fragen zu den E-Bike Akkus: Wie verhalten sich Akkus in den verschiedenen Jahreszeiten? Ist Made in Germany absolut notwendig? Was tun, wenn es brennt? Darüber und über andere Fragen haben wir mit einem gesprochen, der es wissen muss: Christian Hennig, Technikchef bei Pendix.
Der Pendix eDrive ist ein Nachrüstsystem, welches fast jedes Rad zum E-Bike machen kann.
Christian Hennig hat an der Entwicklung des Systems mitgearbeitet – natürlich auch am Akku. Er hat mit uns über die Sicherheit gesprochen, aber auch darüber, wie man Fehler erkennt und vermeidet sowie über Lieferengpässe durch Corona.
Es tauchen ja immer wieder Berichte auf, nach denen Akkus in verschiedenen Geräten plötzlich gebrannt haben. Sind das nur Horror Stories oder besteht wirklich eine ernstzunehmende Gefahr?
Christian Hennig: Es ist zumindest eine reale Gefahr. Hier verlässliche, absolute Zahlen oder Prozentsätze zu nennen, ist leider nicht möglich. Aber im Verhältnis zu den Akkus im Markt ist die Zahl der Brände super gering. Dass solche Berichte vermehrt in den Medien auftauchen, liegt vor allem an der zunehmenden Verbreitung von Lithium-Akkus in der breiten Masse – besonders in der Elektromobilität. Das Wissen um die speziellen Eigenschaften des Lithiums hat in den letzten Jahren aber auch dazu geführt, dass die Akkus sicherer geworden sind.
Wieso könnte es denn überhaupt zu einem Brand kommen?
Christian Hennig: Das in den Akkus verwendete Lithium ist ein besonders leistungsfähiger Rohstoff. Damit erreichen wir die nötigen Anforderungen, auf kleinstem Raum die nötige Kapazität und Energiedichte zu erreichen. Ansonsten müsste jeder von uns mit einem koffergroßen Akku herumlaufen, nur um sein Handy zu nutzen. Neben der Leistungsfähigkeit ist Lithium aber eben auch ein leicht brennbares Material. Technische Defekte oder Anwendungsfehler können Auslöser für eine thermische Reaktion in den Zellen sein – und dadurch kann schlimmstenfalls ein Brand entstehen.
Und wenn der Extremfall doch eintritt? Haben Sie einen Tipp?
Christian Hennig: Sollte es tatsächlich dazu kommen, entwickelt der Akku bis zu 1.000 Grad. Dafür gibt es spezielle Feuerlöscher, die Löschmittel mit hohem Kühleffekt enthalten. Auch Feuerlöschdecken bieten sich als erstes Mittel an. Laien sollten bei so einem Brand aber auf jeden Fall die Feuerwehr rufen, da eine große Menge Wasser zur Abkühlung nötig ist. Löschmittel wie etwa ABC- oder BC-Pulver, Metallbrandpulver oder Kohlendioxid (CO2) sind nicht geeignet und sollten keinesfalls verwendet werden.
Anwendungsfehler hatten Sie bereits angesprochen. Was gibt es hier zu beachten und wie kann die Lebensdauer von Akkus erhöht werden?
Christian Hennig: Ich empfehle immer, Original-Ladegeräte des Herstellers zu verwenden. Dabei ist bspw. darauf zu achten, dass das Ladegerät für den Eingangs-Spannungsbereich im jeweiligen Land, in dem ich es verwenden möchte, ausgelegt ist. Dies lässt sich in der Anleitung oder auf dem Label des Ladegerätes selbst ablesen. Außerdem rate ich, Akkus immer bei Raumtemperatur und nie unbeaufsichtigt aufzuladen – auch wenn es nur um einen kurzen Einkauf geht.
Wann macht sich der Memory-Effekt bemerkbar?
Christian Hennig: Der gehört der Vergangenheit an. Heutige Akkus können bedenkenlos mit Unterbrechungen oder nur zum Teil aufgeladen werden. Einen positiven Effekt auf die Lebensdauer bringt, den Akku nicht immer komplett zu entladen, so es die Nutzung denn erlaubt. Speziell in niedrigen Ladezuständen unter 15% altern die Zellen schneller.
Wie erkenne ich einen defekten Akku?
Christian Hennig: Hier muss zuerst der natürliche Verschleiß ausgeschlossen werden. Akkus haben nur eine begrenzte Lebensdauer, und mit der Zeit nimmt die Leistung ab – auch ohne Memory-Effekt (lacht). Ein Defekt liegt aber vermutlich vor, wenn es zu sprunghaften Kapazitätseinbrüchen kommt – das sind dann Anzeichen für einen Zelldefekt [Anm. d. Red: Ein E-Bike-Akku besteht aus vielen einzelnen kleinen Akkus, den sog. Zellen]. Sowas lässt sich von außen nur schwer feststellen, aber Fachhändler haben dafür spezielle Diagnosetools. Auch wenn der Akku beim Laden ungewöhnlich warm wird, sollte er nicht mehr benutzt werden, bis er von einem Spezialisten gecheckt wurde.
Gibt es sonst noch Faktoren, die beachtet werden müssen? Etwa was die verschiedenen Jahreszeiten angeht?
Christian Hennig: Lithium-Ionen-Akkus sind kleine Mimosen und fühlen sich bei ungefähr 25 Grad Celsius am wohlsten. Bei zu kalten Temperaturen sinkt die Leistungsfähigkeit und die Zellen altern schneller. Ist es zu heiß, können Überhitzungen mit möglichen Folgeschäden auftreten. In den Akkus ist ein Batterie-Management-System integriert, mit dem sich das System bei zu hohen oder niedrigen Temperaturen und Spannungen automatisch abschaltet, um Schäden zu vermeiden. Trotzdem sollten Akkus vor allem im Sommer nicht der prallen Sonne ausgesetzt werden.
Sie sind ja Experte für die Elektromobilität. Sind bei E-Bike und Co. spezielle Vorsichtsmaßnahmen nötig?
Christian Hennig: Wer sich an die Empfehlungen hält, ist auf jeden Fall sicher unterwegs. Wir bei Pendix freuen uns, wenn unsere Kunden ihr Rad das ganze Jahr über nutzen. Für die Hardcore-Winter-Radler haben wir deshalb ein Akku-Cover entwickelt, damit sie auch bei Schnee und Eis vorankommen. Wenn das E-Bike doch mal länger nicht genutzt wird und es in den Fahrradkeller kommt, sollte die Akkuladung zwischen 40 und 70 Prozent betragen. Unser eDrive zeigt das zum Beispiel durch einen gelben LED-Ring an. Ungefähr alle zwölf Wochen sollte der Akkustand überprüft werden, um einer Tiefenentladung vorzubeugen. Ansonsten gelten bei E-Bikes dieselben Regeln wie bei anderen Geräten. Die Akkus sind robust und auch eine Offroad-Tour macht ihnen nichts aus. Sollte es mal zu einem Unfall kommen, sollte der Akku aber gewechselt oder zumindest von einem Fachmann geprüft werden.
Müssen es eigentlich immer Akkus Made in Germany sein?
Christian Hennig: Das lässt sich pauschal nur schwer beantworten. Ich persönlich rate immer zu einem Made in Germany-Akku, weil die Qualität meist besser ist. Das heißt aber nicht, dass andere Akkus generell schlecht sind. Wer nach günstigen Modellen schaut, müsste sich aber genau über die Herkunft informieren und Hersteller vergleichen. Die Sicherheitsstandards im Ausland schwanken sehr. Neben der Herkunft spielen aber natürlich auch die verwendeten Materialien eine große Rolle, so haben wir uns bei Pendix bewusst für ein Akkugehäuse aus Aluminium entschieden, welches die Risiken bei einem möglichen Zellbrand gegenüber Kunststoffgehäusen nachweislich noch mal deutlich senkt.
Stichwort Globalisierung: Durch Corona und zuletzt durch den Stau im Suez-Kanal kommt es in vielen Branchen zu Lieferproblemen. Sind Sie auch betroffen?
Christian Hennig: Bisher konnten wir durch unsere vorausschauende Einkaufsstrategie kritische Lieferausfälle kompensieren. Wir merken auch, dass der Markt angespannt ist, gerade im Bereich der Elektronikbauteile stehen auch wir derzeit vor großen Herausforderungen, um die Lieferkette lauffähig zu halten, aber wir sind optimistisch.
Alles hat ein Ende. Wie sollten Akkus denn vernünftig entsorgt werden?
Christian Hennig: Auf keinen Fall im Hausmüll. Das bitte bloß nicht! Privatleute haben immer das Recht, den Akku dort abzugeben, wo sie ihn gekauft haben. Alternativ gibt es dafür auch spezielle Rücknahmestellen und Wertstoffhöfe.
[Text: Pendix, Fotos: Pendix (1), VeloStrom (2)]
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