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Furioses Saisonende: Matthias Schindler krönt Saison mit Gewinn des UCI-Gesamtworldcup!

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matthias_schindler_uci-weltcupsieger_beschriftet[at] Mit dem Gewinn des UCI-Gesamtworldcup beendet Paracycler Matthias Schindler die Straßensaison – und zeigt eindrücklich, das er zur Weltspitze zählt.

Nach einer erfolgreichen, aber auch anstrengenden Saison ging es für den Nürnberger gemeinsam mit der gesamten deutschen Mannschaft der Paracycler zum letzten World Cup des Jahres nach Montreal.

Matthias Schindler berichtet:

„Am Sonntag den 12. August habe ich am Abend mein Gepäck am Nürnberger Flughafen eingecheckt, Montag früh um 06:00 Uhr bin ich dann von Nürnberg nach Frankfurt geflogen. Dort hat sich dieNationalmannschaft getroffen und wir sind gemeinsam nach Montreal / Kanada geflogen.

In Montreal wurde unser Radsportmaterial an den Veranstalter des World Cups übergeben, der dieses mit einem
Lkw nach Baie-Comeau gebracht hat. Wir haben 5 Minivans gemietet und haben uns mit diesen auf den Weg gemacht. Da die Fahrt nur recht langsam voran ging und wir alle schon relativ am Limit waren, haben wir einen Zwischenstopp in Quebec gemacht, wo wir eine Nacht verbracht haben.

Am Dienstag früh ging es dann weiter Richtung Baie-Comeau, wo wir gegen 17:00 Uhr ankamen. Schnell wurden die Fahrräder ausgepackt und aufgebaut so dass wir am Abend noch eine kleine Runde fahren konnten, was nach dem langen Sitzen richtig gut tat. Die Wettkampfstrecke war anspruchsvoll, hatte viele Kurven und einen kleinen Anstieg/Abfahrt, vor welchen ich großen Respekt hatte. Es war auf jeden Fall die anspruchsvollste Strecke dieser Saison.

Das Zeitfahren und das Straßenrennen wurden auf dem selben Kurs ausgetragen, im Zeitfahren musste ich zwei Runden fahren, im Straßenrennen sechs Runden. Am Mittwoch war die Strecke dann erstmals für das Training gesperrt und ich konnte mit dem Zeitfahrrad den Kurs testen.

Am Freitag startete ich gleich in der Früh beim Zeitfahren.

Ich versuchte an den kurzen Flachstücken des Kurses leistungsmäßig immer etwas zu überziehen um meine Schwächen in den Kurven und am Anstieg etwas auszugleichen und hoffte, dass ich dennoch am Ende nicht zu sehr eingehen würde.

Die Taktik ging auf und ich fuhr sogar eine richtig starke, minimal schnellere zweite Runde. Am Ende reichte es für den vierten Platz, was für mich eine absolute Überraschung auf dieser Strecke war. Ich lag nur 2,5 Sekunden hinter dem Drittplatzierten Steffen Warias.

Dieser vierte Platz ist zwar die schlechteste Saisonplatzierung, da ich bisher bei jedem Zeitfahren auf dem Podium gelandet bin, von meiner Durchschnitts-Wattleistung war es aber die beste Leistung der Saison. Ich habe mich richtig gefreut, auch auf so einer anspruchsvollen Strecke schon in Medaillennähe zu liegen.

Am Samstag ist das deutsche Team gemütlich eine Runde zusammen Rad gefahren. Im Anschluss saßen wir noch im Café, waren beim Essen und in einem See schwimmen. So locker und ruhig war ich noch nie vor einem Straßenrennen. Auf diesem Kurs hatte ich für Sonntag selbst keine hohen Erwartungen an mich und spürte auf Grund der bisher überragenden Saison auch keinen Druck.

Das Straßenrennen startete Sonntag früh um 08:00 Uhr.

Um 06:15 Uhr war Abfahrt vom Hotel, auf Grund der frühen Startzeit entschloss ich mich bereits im Vorfeld das rennen „nüchtern“ zu fahren und auf ein Frühstück zu verzichten. Da ich davon ausging, dass ich nicht eine Runde am Anstieg des Kurses den Kontakt zum Feld halten kann und vermutlich abreißen würde, nahm ich mir vor direkt nach dem Start zu attackieren um einen Vorsprung vor dem Anstieg heraus zu fahren. Zu verlieren hatte ich ja nichts.

So kam es dann auch, ich attackierte bereits kurz nach dem Start direkt am Eingang der längsten Geraden auf der Strecke und konnte mich tatsächlich etwas vom Feld lösen. Am Anstieg hatte ich dann ca. 40 Sekunden Vorsprung und kam auch oben als erstes an. Dann ging ich in den „Zeitfahrmodus“ über, versuchte gleichmäßig zu fahren und das Tempo sehr hoch zu halten.

Runde um Runde konnte ich meinen Vorsprung ausbauen. Zwischenzeitlich lag ich 1:40 Minuten vor dem Feld! Als ich auch in der sechsten Runde als erstes den kleinen Anstieg bezwingen konnte und immer noch über eine Minute Vorsprung hatte, wusste ich, dass ich dieses Rennen gewinnen werde.

Erste Goldmedaille bei einem Weltcup…

Ich holte wirklich meine erste Goldmedaille bei einem Weltcup und das in einem Straßenrennen, was mir eigentlich überhaupt nicht liegt. Aber ich hatte ja auch aus dem Straßenrennen ein Zeitfahren gemacht… J Ich hatte riesigen Respekt vor dem anspruchsvollen Kurs und war mir Anfang des Jahres nicht einmal sicher, ob mich der Bundestrainer mit nach Kanada nehmen würde. Jetzt habe ich mit Platz 4 im Zeitfahren und Platz 1 im Straßenrennen mein bestes Weltcupergebnis der Saison gebracht.

..und Sieg des Gesamtweltcups!

Im Anschluss an das Rennen war noch etwas Zeit bis zu der Siegerehrung. Also wurden schon mal alle Fahrräder wieder zerlegt und verpackt, damit am Abend noch etwas Zeit zum Feiern blieb.  Während dieser Zeit begegnete ich einem belgischen Athleten aus meiner Klasse welcher mir zum Sieg des Gesamtweltcups gratulierte. Ich dachte erst, dass er sich einen Spaß erlaubte, aber er versicherte mir, dass ich durch den Sieg im Straßenrennen auch den Gesamtweltcup gewonnen hätte.

Da ich keine Ahnung von dem aktuellen Worldcup-Ranking hatte, erkundigte ich mich darüber bei der UCI. Durch meine schlechten Platzierungen bei den bisherigen Straßenrennen habe ich an den Gesamtweltcup in der bisherigen Saison keinen Gedanken verschwendet. Mein Fokus lag allein bei den Zeitfahren.

Ich konnte einen Verantwortlichen der UCI finden, welcher mir den Sieg im Gesamtweltcup bestätigte. Wahnsinn, was für ein Abschluss einer absolut verrückten Saison! Die Siegerehrung konnte ich richtig genießen, zum ersten Mal wurde die Nationalhymne für mich gespielt. Kein schlechtes Gefühl! Ein riesiges Dankeschön an das gesamte deutsche Team für das großartige Anfeuern an der Strecke. Das hat mich besonders motiviert und angetrieben. Die gesamte Unterstützung des
Deutschen Teams um Bundestrainer, Co-Trainer, Mechaniker, Physios und Arzt war mal wieder super!

Turbulente Rückreise

Montag früh um 04:00 Uhr sind wir am Hotel Richtung Flughafen Montreal aufgebrochen. Nach 11 Stunden Autofahrt haben wir den Flughafen erreicht. Dort gab`s noch ein riesiges Chaos mit unserem Sperrgepäck, auf jeden Fall waren wir wirklich alle durch, als wir pünktlich zum Boarding die Sicherheitskontrolle passierten. Wir hätten keine Minute später vom Hotel aufbrechen dürfen.
 
Am Frankfurter Flughafen hatte ich nochmal fünf Stunden Aufenthalt, bevor es weiter Richtung Nürnberg ging. Am Dienstag um 14:00 Uhr bin ich gut in Nürnberg gelandet und wurde von meiner Familie am Flughafen überrascht. Der perfekte Abschluss einer tollen Reise!

Ausblick:

Ich trainiere noch bis Anfang September weiter und werde dann meine Saisonpause machen, mal etwas abschalten und mich so richtig erholen. Ich freue mich auf viel Zeit mit meiner Frau, Familie und Freunden.
 
Anfang Oktober beginnt dann die Vorbereitung auf die Saison 2019. Da 2019 das „QualiJahr“ für die Paralympischen Spiele in Tokio 2020 ist, werde ich nochmal eine Schippe drauflegen müssen.“
 
Soweit Matthias „Matze“ Schindler zu seinem sagenhaften Straßen-Saisonfinale der Paracylcer.
 
Herzlichen Glückwunsch zu der überragenden Leistung! Und eine gute Erholung, die du dir wirklich mehr als verdient hast!
 
[Foto: Matthias Schindler]

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Alexander Theis
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