Interview mit den jugendlichen Gründern von otinga und Erfindern der cleveren Packtasche „flip“.
Seit April letzten Jahres ist die Packtasche „flip“, vormals „2bag“ bei VeloStrom nahezu täglich im Einsatz. Nachdem ich mich an der Crowdfunding-Kampagne für die clevere Packtasche im August 2021 beteiligt habe ist einiges passiert: Erfolgreicher Auftritt in „Die Höhle der Löwen“, Abmahnung, Namenswechsel…
Karl und Leander haben in der kurzen Zeit seit der Gründung Ihres Unternehmens schon einiges erlebt. Ich hatte die Gelegenheit, den beiden einige Fragen zu stellen
Die Inspiration für den Flip kam euch im Urlaub, die Idee habt ihr dann zu Hause weiterentwickelt. Was hat euch inspiriert, praktisch noch in der Schule ein Unternehmen zu gründen?
Am Anfang hatten wir zwar schon die Idee, dass da eines Tages ein Unternehmen sich draus entwickeln kann. Erstmal war es aber nur ein Projekt für uns, an dem wir als Hobby gearbeitet haben. Das wir an dem so lange drangeblieben sind, lag daran, dass wir einfach extrem überzeugt von der Idee waren.
Wie habt ihr das nötige Know-how und die Ressourcen aufgebracht, um otinga zu gründen?
Unser Wissen haben wir uns im gesamten Prozess einfach selbst angeeignet. Häufig war es einfach mal eine Sache antesten und dann sehen ob es funkioniert, also Try and Error. Außerdem haben wir das Glück schon früh von vielen erfahrenden Unternehmer*innen umgeben zu sein.
Die Ressourcen haben wir am Anfang selbst aufbringen können, da wir auf das Geld zugreifen konnten, was unsere Eltern für unser Studium zurückgelegt hatten. Später haben wir durch das Crowdfunding, Geld von der Bank und das Investment von Nils (unserem Investor), ausreichend Geld gehabt, um den Flip auf den Markt zu bringen.
otinga flip:Hält der Rucksack fürs Fahrrad was er verspricht?
Ein Unternehmen zu gründen ist ja schon an sich eine Herausforderung. Hattet ihr auf Grund eures jungen Alters besondere Herausforderungen während des Gründungsprozesses bewältigen müssen?
Wir hatten insofern einen Nachteil, dass wir nicht zu dem Zeitpunkt Gründen konnten, an dem wir ursprünglich gründen wollten. Es ist als Minderjähriger nur mit großen Hürden möglich zu gründen. Im Nachhinein betrachtet, war das aber garnicht so schlecht. Sobald man ein Unternehmen hat, kommen natürlich direkt Verantwortungen und Kosten auf einen zu, die wir als Schüler nur schwierig hätten stemmen können.
Wir sehen das als eine große Chance schon früh zu gründen. Man bekommt zu manchen Dingen leichteren Zugang und hat noch nicht so viele Verpflichtungen, auf die man Rücksicht nehmen muss. Das ändert sich im Alter definitiv.
Ihr habt schon sehr früh Deuter als Produktionspartner gewinnen können. Kam da nie der Gedanke auf, die Idee zu Flip Deuter zu verkaufen?
Wir wollten von Anfang an eine eigenständige Marke aufbauen. Deuter hat uns in der Entwicklung extrem geholfen und wir wären nicht an diesem Punkt ohne deren Hilfe. Da sind wir sehr dankbar. Wir freuen uns auch, dass wir die Zukunft von otinga selbst in den Händen haben und entscheiden können, wo es hingehen soll.
Nach dem Crowdfunding ging es ja erst richtig los. Die Produktion musste gestartet und die Lieferfrist Anfang April 2022 sollte eingehalten werden. Vielen Crowdfunding-Projekten gelingt das, meiner Erfahrung nach, nicht so gut. Bei euch hat es, trotz der Corona-Einschränkungen, auf den Tag geklappt: Am 06.04.2022 kam mein Flip an. Wie habt ihr das geschafft?
Mit viel Glück! Die Corona-Einschränkungen haben auch wir sehr gespürt, denn die Produktion stand monatelang still und auch die Fracht Zeit war deutlich länger als normal. Wir wussten aber auch von Anfang an, dass am 4. April die Ausstrahlung von Die Höhle der Löwen ansteht. Deshalb hatten wir mit 6 Monaten genug Vorlauf gelassen und die Produktion unserer Taschen wurde auch stark priorisiert. Anders hätte es nicht klappen können.
Euer Auftritt in „Die Höhle der Löwen“ war ein voller Erfolg! Wie habt ihr die ersten zwei Tage nach der Sendung erlebt?
Die Zeit um die Sendung herum war definitiv die intensivste Zeit letztes Jahr. Die Tage vorher waren mit viel Stress verbunden. Die Tage danach auch! Der Abend der Ausstrahlung aber war für uns einfach super schön. Alle unsere Freunde und unsere Familien waren da und sogar Nils, unser Investor hat die Reise auf sich genommen. Glücklicherweise kam der Flip so gut bei den Kund*innen an, sodass wir zwei Tage nach der Ausstrahlung bereits komplett ausverkauft waren. Der Stress dann begann damit, schnell neue Taschen zu besorgen.
Nach der Sendung kam ja bald mit der Abmahnung eine neue Herausforderung. Wie geht ihr mit solchen Rückschlägen um und wie behaltet ihr eine positive Einstellung?
Die Abmahnung hat uns schon sehr mitgenommen. Wir waren immer noch auf dem Hoch der Ausstrahlung und wurden dann sehr heruntergezogen. Wir beide sind aber sehr gut darin in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Wir haben uns bewusst gemacht, dass wir auf unserem Weg bereits viele Situationen hatten, bei denen man im ersten Moment das Gefühl hat: Jetzt ist es vorbei. Diese Situationen sind aber mit etwas Abstand immer lösbare Probleme auf die schnell genug schon das nächste scheinbare Ende folgt.
Wie seht ihr die Rolle eures Unternehmens in der Branche und wie unterscheidet es sich von anderen Unternehmen?
Wir sind Riesenfans der Fahrradbranche. Aber wir wollen dabei helfen ihr einen neuen Anstrich zu geben. Das Fahrrad gewinnt zurecht in unserer Gesellschaft immer mehr Bedeutung. Das bedeutet, dass eine ganz neue Art von Menschen fahren Fahrrad. Es wird immer wichtiger, dass sich das Fahrrad mehr in den Alltag einschmiegt, sowohl optisch als auch von der Funktionalität. Genau diesen Wandel wollen wir vorantreiben und das erstmal im Bereich der Taschen.
Mit Nils Glagau habt ihr einen Investor gewählt, der euren Ideen und Plänen des nachhaltigen Wachstums am besten entspricht. Wie schwierig ist es, nachhaltiges Wachstum und schnelles ROI unter einen Hut zu bringen?
Nils denkt wie wir nicht an den schnellen Profit, sondern hat eine langfristige Vision für otinga. Natürlich denken wir alle wirtschaftlich, sodass wir eine gute und stabile Marke aufbauen können. Das Investment in kürzester Zeit mit Gewinn zu liquidieren ist kein Ziel, was die Beteiligten der Firma haben. Daher haben wir gar keinen Konflikt zu lösen.
Welche Ziele habt ihr für otinga in den nächsten 5 Jahren?
In 5 Jahren wollen eine relevante Marke im europäischen Fahrradmarkt sein. Das sind große Ambitionen, aber wir haben das Selbstvertrauen, dass wir noch viele weitere Produktinnovationen auf den Markt bringen werden, die auch gebraucht werden.
Welche besonderen Herausforderungen seht ihr für otinga in Zukunft?
Erstmal werden wir mit denselben Herausforderungen konfrontiert, die alle Marken spüren. Wir haben das Glück in einem Markt zu sein, der sowohl durch Corona als auch der momentanen Lage weniger betroffen ist als andere.
Explizierte Herausforderungen, für unsere Marke werden vor allem sein den Wandel von einem „zwei-Mann- Startup“ zu einem richtigen Unternehmen zu schaffen. Unsere Rollen und Aufgaben werden sich ändern, was schwierig werden kann. Wir haben aber das Glück von vielen Erfahrenen Menschen umgeben zu sein, die uns bei Problemen immer zur Seite stehen.
Welche Pläne habt ihr für eure Zukunft und wie werdet ihr das Wachstum eures Unternehmens weiter vorantreiben?
Etwas habe ich das bereits angedeutet. Unser kurzfristiges Ziel ist es erstmal den Flip bekannter zu machen. Es ist unserer Meinung nach die beste Option, die es momentan auf dem Fahrradmarkt gibt.
Durch das Reflective Cover, welches am 09. Februar rauskommt, wird der Flip nochmal aufgewertet und noch attraktiver. Um mehr Leute davon wissen zu lassen, werden wir dieses Jahr auf mehreren Messen, wie bspw. der Cycling World in Düsseldorf auftreten. Zusätzlich arbeiten wir daran, dass es den Flip noch in mehr Läden gibt.
Langfristig werden wir stark über die Erweiterung unserer Produktpalette wachsen. Es gibt noch sehr viele Produkte im Kosmos des Fahrrads die noch nicht im Punkt Design und einfacher Handhabung zu Ende gedacht wurden. Natürlich planen wir auch in neue spannende Märkte zu gehen, wie die Niederlande und die Skandinavischen Länder. Aber bis dahin haben wir noch viel vor in Deutschland!
Was gefällt euch besonders daran, Unternehmer zu sein und was ist eher nicht so toll?
Wir sind glücklich und dankbar Unternehmer zu sein. Wir kommen dadurch einfach viel herum, sei es nach Serbien oder zu Events in ganz Deutschland. Wir können eigenständig sein und unsere Zeit komplett selbst einteilen, was im Vergleich zur Schulzeit neu ist. Manchmal ermöglicht es uns auch uns einen kleinen Luxus zu gönnen, den wir vielleicht als Studenten nicht hätten.
Die Nachteile sind, dass es einen immer begleitet und man immer da sein muss. Auch wenn es einem Privat schlecht geht oder man gerade im Urlaub ist, kann man die Arbeit nie komplett ausblenden. Das nehmen wir aber gerne hin, denn die Vorteile überwiegen schon sehr.
Welche Tipps würdet ihr an andere Jugendliche geben, die ein Unternehmen gründen möchten?
Unsere 3 Tipps an andere jugendliche Gründer sind:
- Hol dir von Anfang an Rat von anderen erfahrenen Unternehmer*innen!
Sie kennen deine Lage und können dir meistens besser weiterhelfen als die Eltern oder Freunde. - Gründe erst wenn es nötig ist!
Bevor die ersten Umsätze nicht in absehbarer Zeit zu erwarten sind, dann Gründe noch nicht. Du hast noch kein Geld, was du einnimmst und als gegründetes Unternehmen entstehen immer Kosten, die du dir aber nicht leisten kannst. - Fang einfach an!
Leg einfach los und bau deinen ersten Prototypen, egal ob ein haptisches Produkt oder bei Software. Halt es am Anfang simpel! Häufig hören wir, dass Gründer*innen einen Betrag X benötigen um anzufangen. Unserer Meinung nach kannst du jeden ersten Prototypen für unter 100€ bauen.
Falls du wirklich eine junger Gründerin oder ein junger Gründer bist und Hilfe brauchst, dann melde dich bei Leander: [email protected]
Mehr Infos zu otinga gibt es online unter: www.otinga.de
Karl und Leander, vielen Dank für euer Zeit!
[Text: [at] & Karl Fischer, Leander Mellies, Fotos: VeloStrom, otinga]
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