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Urlaub

Radreise: Draußen schlafen „…ist eine Trainingssache“

Lesezeit etwa 6 Minuten

Immer mehr Menschen entdecken das Bikepacking und damit auch das Draußenschlafen für sich.

„Overnighter“ nennt man Radtouren, die eine Übernachtung im Freien beinhalten, sei es auf dem Zeltplatz, in einer Schutzhütte oder einem schönen (legalen) Spot in der Natur.

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Doch bevor oder auch während man draußen den Schlafsack ausrollt, steigen manchmal Zweifel auf. Gerade Frauen fühlen sich alleine beim Übernachten draußen oft unwohl und unsicher. Der pressedienst-fahrrad hat mit den leidenschaftlichen Bikepackerinnen Marie Beulig und Sandra Schuberth über die Angst vor dem Draußenschlafen gesprochen und welche Strategien dagegen helfen.

Draußen schlafen kann man lernen.

(pd‑f/af) Die gute Nachricht zuerst: Draußen schlafen kann man lernen. „Es ist eine Trainingssache, ein Prozess“, findet Marie Beulig. Je öfter man es macht, desto sicherer fühlt man sich. „Denn nur das Unbekannte macht Angst.“

Die alleinerziehende Mutter hat sich vor sechs Jahren zum ersten Mal mit einem Trekkingrad, einem Fahrradanhänger und ihrer kleinen Tochter auf den Weg an einen See gemacht – übrigens eine sehr budgetfreundliche Art, Urlaub zu machen. „Das lief alles ganz gut“, sagt sie. „Richtig Bikepacking“ mit leichter Ausrüstung und Biwaksack betreibt sie seit etwa zwei Jahren.

Auch Sandra Schuberths erster Overnighter führte sie an einen See: „Ich wollte von Leipzig in den Harz zu einem Festival radeln und habe mir vorher diesen Platz herausgesucht, an dem ich mich dann hingelegt habe“, erzählt die 32-Jährige, die genau wie Marie Beulig zum Kollektiv „The Women all ride“ gehört, das sich für Frauen, Inter‑, Non-Binäre‑, Trans- und A‑Gender-Menschen in der Fahrradwelt einsetzt. Zunächst seien da viele Geräusche gewesen, dann kam ein Auto, „und ich musste erst mal checken, was das für Menschen sind.“ Es waren zwei Frauen mit ihrem Hund, die ebenfalls am See übernachten wollten. „Der Hund hat mir am nächsten Morgen mein Frühstück geklaut.“

Einen Plan zu haben ist wichtig

Schuberth findet es hilfreich, vorher einen Plan zu haben, wo sie schlafen wird. Zum Beispiel in einer Schutzhütte. Die findet man beispielsweise über die App Komoot, in entsprechenden Facebook-Gruppen oder über die Website Campwild.org.

Sich vorzubereiten hält auch Marie Beulig für sehr wichtig: „Man sollte sich vorher selbst einige Fragen beantworten, zum Beispiel: Wo fühle ich mich sicher? Was wäre das Worst-Case-Szenario? Wie könnte ich mich verteidigen?“

Für sich selbst hat die ebenfalls 32-Jährige festgestellt, dass sie Orte zum Übernachten bevorzugt, die nicht so stark frequentiert sind. „Ich mag auch Schutzhütten, die von drei Seiten geschlossen sind, das ist richtiger Luxus. Und seit ich Bikepacking mache, entdecke ich sie überall“, sagt sie. An Seen oder anderen beliebten Orten versucht sie abzuschätzen, ob dort viel los sein wird – ist das Gras zertrampelt, liegen Taschentücher herum?

Auch Campingplätze steuern beide Frauen immer wieder gern an. Was sich am sichersten und am wohlsten anfühlt, muss jede:r für sich selbst ausloten. Marie Beulig schläft am liebsten im Hellen ein und vermeidet so, die ganzen Schattenspiele in der Nacht mitzuerleben. Sandra Schuberth mag Hörspiele zum Einschlafen: „Das gehört auch im Alltag zu meinem Einschlafritual.“

„Ich hatte richtig Schiss“

Situationen, in denen sie sich unsicher gefühlt oder richtig Angst hatten, haben beide schon erlebt.

„Ich habe einmal in einer Schutzhütte übernachtet, die direkt an einem Radweg lag. Dort ist ein Mann mehrere Male immer wieder an mir vorbeigefahren“, sagt Marie Beulig. „Ich habe dann meinem Partner meinen Standort geschickt, danach habe ich mich sicherer gefühlt. Auch wenn gar nichts passiert ist.“ Ein anderes Mal stieg sie morgens aus ihrem Zelt und erblickte als erstes – einen nackten Mann. Der allerdings nur seine morgendliche Schwimmrunde im See im Sinn hatte und lediglich sagte: „Du kannst hier so gut dein Zelt aufschlagen, weil ich meine Badestelle immer gewissenhaft mähe.“

Eine unheimliche Erfahrung machte Sandra Schuberth mit ihrem Freund in Italien: „Es war in der Dämmerung und wir sahen den Umriss eines Menschen, eines Mannes. Er kam immer ein paar Schritte näher. Blieb stehen. Kam wieder näher, blieb wieder stehen. Irgendwann habe ich ihn dann mit meiner Fahrradlampe angeleuchtet, um zu sehen, was er macht. Er verschwand dann wieder, war am nächsten Morgen aber immer noch in der Nähe. Wir hatten unsere Messer vom Essbesteck griffbereit neben uns liegen und in dieser Nacht habe ich nicht sehr viel geschlafen. Ich hatte richtig Schiss.“

Wenn es um nächtliche Geräusche wie Rascheln geht, dann handelt es sich meistens um Tiere – so die Erfahrung der beiden Frauen, die im Sommer eine gemeinsame Bikepacking-Tour durch Deutschland planen. „Wölfe gibt es bei uns in der Gegend ja tatsächlich, auch viele, doch sie sind sehr menschenscheu“, sagt Marie Beulig, die in Leipzig wohnt. Ein Tier-Erlebnis hatte sie auch schon und achtet seitdem sehr darauf, ihre Lebensmittel sicher zu verstauen: „Mitten in der Nacht hörten wir Geräusche. Ein Waschbär – Entwarnung, wir brauchten keine Angst zu haben“, erzählt sie. Am nächsten Morgen waren jedoch sämtliche Vorräte rund um das Zelt verstreut.

Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit

Welche Strategien gibt es, um dem Draußenschlafen das Bedrohliche zu nehmen?

Tipp Nummer eins: „Nicht alleine fahren, ganz simpel“, sagt Sandra Schuberth. Außerdem ist es hilfreich, irgendwo in der Nähe zu übernachten, sodass man nachts immer noch nach Hause fahren könnte. „Das mache ich gern so, wenn ich neues Equipment teste“, sagt sie.

Weitere Strategien: Den Standort per Navi oder Handy teilen – was natürlich nur so lange funktioniert, wie man auch Akku hat. „Die hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht“, so Schuberth, die zudem unbedingt empfiehlt, jemandem zu sagen, wo man hinmöchte und wann man plant, wiederzukommen. Und zwar nicht unbedingt, weil „irgendwelche Menschen einem etwas Böses wollen“, sagt die Sportwissenschaftlerin, die in der Nähe von München lebt. „Wenn man allein im Wald unterwegs ist und liegenbleibt, sich womöglich verletzt, ist man froh über Back-up von zuhause.“

Doch die eigene Angst zu überwinden lohnt sich, da sind sich beide Frauen einig. „Draußen zu schlafen ist das Schönste, das es gibt“, schwärmt Marie Beulig. Man sei direkt in der Natur, erlebe alles viel unmittelbarer und bekomme den Tagesrhythmus, den Wind und das Wetter intensiv mit. „Am liebsten würde ich meine Wohnung kündigen und nichts anderes mehr machen.“

[Text & Fotos: PD-F]

Kommentar: Ich fühle mich mit dem Zelt auf einem Campingplatz am wohlsten. Wie sieht es bei euch aus, übernachtet ihr lieber in der freien Natur oder doch eher etwas geschützter? Schreibt’s mir einfach in die Kommentare.

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Alexander Theis
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