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E-Bike-Tests HP-Velotechnik Liegerad Test & Technik

Test Liegerad HP Velotechnik Scorpion Plus 26 Pedelec

Lesezeit etwa 21 Minuten

Komfortable Sitzhöhe, E-Antrieb STEPS E6100 mit Automatikschaltung von Shimano: Das Trike Scorpion Plus 26 ist was für Genießer.

Die Manufaktur von HP Velotechnik im hessischen Kriftel ist seit vielen Jahren bekannt für Liegeräder und Trikes in höchster Qualität. Mit dem Scorpion Plus 26 stellt der Hersteller ein besonders komfortables Liegerad auf die drei Räder. Ich bin das Trike für euch gefahren.

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Trike Scorpion Plus 26 von HP Velotechnik

Was ist ein Liegerad?

Ein Liegerad gehört noch immer eher zu den exotischen Gefährten auf dem Radweg. Beim Liegerad sitzt man, oftmals in einer fast liegenden Position (daher der Name) deutlich niedriger als auf einem sogenannten Aufrechtrad. Dadurch ergibt sich eine bessere Aerodynamik. Deshalb liegen die Ursprünge auch im Radrennsport.

Während man sich bei einem sogenannten „Einspurer“ bei einer Begegnung fragt, ob man da nicht bei langsamer Fahrt umfällt, ist das bei einem Liegedreirad natürlich nicht zu befürchten. Beim Trike steht meist der Sitzkomfort mehr im Mittelpunkt als die bessere Aerodynamik. Durch die besonderes Sitzposition ist der Bandscheibendruck deutlich geringer und auch der Schambereich wird, besonders bei langen Touren entlastet.

Liegeräder von HP Velotechnik

Die tiefen Liege(drei)räder von HP Velotechnik wenden sich an die sportlichen Biker – es ist erstaunlich welche Geschwindigkeiten damit fast mühelos erreicht werden können. Doch nicht jeder möchte maximal schnell mit dem Rad unterwegs sein, viele wollen einfach nur komfortabel reisen.

Das hat man in Kriftel schon früh erkannt und Liegeräder mit einer Federung auf automobilem Niveau ausgestattet. Denn gerade durch die Sitzposition ist ein Liegerad gut für viele Kilometer am Stück: Statt eines harten Sattels gibt es einen bequemen, auf Wunsch individuell anpassbaren Sitz. Für viele Menschen der hauptsächliche Kaufgrund für ein Liegerad.

Da ein Liegerad deutlich tiefer als ein herkömmliches Rad ist, stellt sich oftmals die Frage: Wie komme ich rein – und vor allem wieder raus?  Um diese Bedenken zu entkräften und das Liegerad für einen größeren Interessentenkreis attraktiv zu machen, hat man bei HP Velotechnik das Scorpion Plus 26 Pedelec entwickelt.

Scorpion Plus 26 Pedelec

Das Scorpion Plus 26 Pedelec basiert auf dem bewährten Scorpion fs 26, ist aber eine komplette Neukonstruktion. Denn einfach nur einen höheren Sitz montieren, das entspricht nicht dem ingenieurstechnischen Anspruch von HP Velotechnik. Schließlich soll das Scorpion Plus 26 Pedelec trotz höherem Schwerpunkt, genauso sicher zu fahren sein, wie alle anderen Liegeräder des Unternehmens.

Also ging es mit Konstruktionssoftware und Schweißgerät an die Umsetzung des Planes: Wie breit muss das Fahrwerk sein, um den hohen Schwerpunkt auszugleichen? Wie müssen Lenkkinematik und Federung angepasst werden?

Der große Vorteil bei HP Velotechnik: Konstruktion und Umsetzung kann im eigenen Gebäude in Kriftel erfolgen. So stellt sich schnell heraus, was zwar in der Theorie funktioniert, sich aber in der Praxis aber ganz anders anfühlt. Diese kurzen Wege beschleunigen die Entwicklung neuer Produkte enorm.

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Das Scorpion Plus 26 ist eine komplette Neuentwicklung.

So ist das Scorpion Plus 26 Pedelec viel mehr als nur ein Scorpion mit höherem Sitz, sondern ein eigenständiges Liegerad im Modellangebot von HP Velotechnik geworden. Eines, dass die Werte von HP Velotechnik atmet ohne die Kernprinzipien des Unternehmens zu verraten? Ein Test wird es zeigen.

Besuch bei HP Velotechnik

Selten kommt es vor, doch es ist immer ein ganz besonderes Vergnügen, ein Testrad nicht per Spedition im Karton geliefert zu bekommen, sondern es auf Achse persönlich abholen zu können. Zuletzt war das beim Test des Lastenrads Kargon der Fall, dieses Mal ist die Strecke sogar noch deutlich kürzer: Von der VeloStrom-Redaktion nach Kriftel sind es kaum 15 km Strecke.

In Kriftel werde ich vom HP Velotechnik Pressesprecher Alexander Kraft in Empfang genommen, der mir zunächst das Gebäude zeigt. Begeisternd ist die räumliche Nähe: Vom Konstruktionsarbeitsplatz bis zum Schweißgerät sind es nur zwei Treppen und vielleicht 5 Minuten Fußweg. Auch die einzelnen Produktionsplätze sind offen und genauso einfach und schnell zu erreichen wie das Lager. Beim Blick in die einzelnen Regale leuchten einem Radbegeisterten schon mal die Augen.

Beeindruckend ist die fast schon an Akribie grenzende Sorfalt, mit der ein Mitarbeiter die Aufkleber auf den griffbereit liegenden Rahmen anbringt, es gibt sogar eine speziell dafür angefertigte Schablone. „Wir legen Wert darauf, dass auch die Aufkleber akkurat angebracht sind. Stellen Sie sich mal vor, sie schauen bei jeder Fahrt ständig auf ein schief angebrachtes Dekorelement!“ erklärt Alexander Kraft.

Er führt mich weiter zu zwei Montageplätzen, an denen, im Kreis drehbar angeordnet, von je einem Mitarbeiter die Rahmen von Trikes mit den Kabelbäumen versehen werden. „Auch hier“ führt Alexander Kraft aus „haben wir eine spezielle Vorrichtung zur Montage geschaffen, um unseren Kabelbaum akkurat im verschiebbaren Tretlagermast montieren zu können. Denn es darf kein Kabel bei der Längenverstellung abgeschert werden.“ Die so vorbereiteten Rahmen werden danach an die Decke gehängt, wo sie bei Bedarf zur weiteren Montage bereitstehen.

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Der Trelagermast ist beim Trike von HP Velotechnik einfach verstellbar.

„Eine unserer Spezialitäten ist der hohe Grad der Individualisierbarkeit. Deshalb wird die Endmontage eines Liegerades eigentlich erst bei der Bestellung in Angriff genommen. Natürlich haben wir aber auch ein paar Trikes mit Standard-Konfigurationen parat, für den Fall, dass ein Kunde eine schnelle Lieferung vorzieht.“ erklärt Kraft, während wir durch den Sozialraum nach draußen in den Hof gehen. Dort wartet das Testbike auf mich.

Was zeichnet ein Scorpion Plus 26 Pedelec aus?

Auf den ersten Blick fällt die hohe Sitzposition auf, besonders im Vergleich zum Velomobil eines Mitarbeiters, das in der Nähe steht.

Ergomesh Premium Sitz

Das Testbike ist mit dem Ergomesh Premium Sitz von HP Velotechnik ausgestattet. Kernstück der Sitzinnovation ist die Seat-O-Flex-Technologie. Dieses Drehgelenk im äußerst aufwändig 3D-geformten Rahmen sorgt für bisher nicht gekannte Flexibilität: Erstmals lassen sich damit bei einem Netzsitz die Winkel von Sitzfläche und Lehne unabhängig voneinander verändern. Der Fahrer kann die ergonomisch geformten Gewebeflächen mit ihrer hoch atmungsaktiven und zugleich anschmiegsamen Polsterung optimal nach seinen Wünschen ausrichten.

Der Sitz zeichnet sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit an die körperlichen Belange von Fahrerin oder Fahrer aus. Denn die Ingenieure haben außer dem beweglichen Rahmen auch der Polsterung ein flexibles Innenleben verpasst. Dazu haben sie die OrthoFlex®-Technologie integriert, die zusammen mit Orthopädie-Experten für einen ganz anderen Sitztyp entwickelt worden war.

Je zwei Einschübe seitlich an der Lehnenkante und der Sitzfläche nehmen Polsterelemente aus hoch atmungsaktivem Material auf. Diese vier Zuschnitte können herausgenommen oder in den Taschen verschoben werden – und zwar auch noch, nachdem der Fahrer auf dem ErgoMesh Premium Platz genommen hat!

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Ergomesh Premium-Sitz

Das ermöglicht es, den Sitz ganz direkt an individuelle Wünsche anzupassen. Gerade auf längeren Fahrten spürt man, wie viel Komfort eine perfekt an die eigene Körperform angepasste Abstützung ausmacht.Was die verschiedenen Polstertaschen nicht ausgleichen, kann ein Orthopädie-Techniker noch weiter verfeinern.

Besonders wichtig war uns bei der Entwicklung auch eine gute Belüftung des Sitzes“ erläutert Alexander Kraft weiter. „Außerdem“, er zeigt auf den Verstellmechanismus der Lehne, “ kann die Lehnenneigung des Sitzes sehr einfach eingestellt und auch sicher fixiert werden. Nehmen sie doch mal Platz!“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.

Bequemer Zustieg

Ein Bein links vom Tretlagermast, eines rechts davon platziert, setze ich mich. Es fühlt sich an, als würde ich in einem Sessel Platz nehmen, die Beine sind angenehmen angewinkelt, die Füße stehen sicher auf dem Boden. Die Sitzneigung passt, ich sitze aufrecht und sehr bequem.

Komfortable Sitzposition

Wie von selbst fallen meine Hände auf die Handballenauflage der beiden Handgriffe. „Panzerlenkung“ heißt diese Art der Lenkung in Liegeradkreisen. Was martialisch klingt ist alles andere als das: Will man nach rechts fahren zieht man am rechten Griff, geht es nach links zieht man am linken Griff. Das funktioniert sehr intuitiv und gestattet eine sehr komfortable Sitzposition mit leicht angewinkelten Armen.

Gebremst wird nur an der Vorderachse und dort getrennt links und rechts. Mit ein wenig Übung, das kenne ich vom Velomobil-Fahren, kann man so auch die Kurvenfahrt unterstützen.

Verschiebbarer Tretlagermast

Ich nehme die Füße hoch und stelle sie auf die Pedale. Ein weiterer Vorteil eines Liegerades: Man kann nicht umfallen! Der Kniewinkel ist mir zu eng, aber das ist schnell korrigiert: Alexander Kraft löst die beiden Schnellverschlüsse am Tretlagermast und zieht ihn langsam aus um den Kniewikel anzupassen. Auf dem Mast sind Markierungen angebracht, so kann man das Scorpion Plus 26 auch schnell für verschiedene Personen anpassen.

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Diese Schnellverschlüsse müssen gelöst werden um den Tretlagermast zu verstellen.

Während ich ihm zusehe, wird mir klar, was vorhin mit dem Kabelbaum gemeint war: Am Tretlagermast sitzt vorne der Shimano-E-Bike-Antrieb STEPS E6100, außerdem die Lampe und auf Wunsch noch Blinker. Diese müssen alle mit Steuersignalen und Strom versorgt werden, egal ob der Mast komplett, halb oder gar nicht ausgefahren ist, kein Kabel darf abknicken oder eingeklemmt werden. Außerdem muss die Kettenlänge den gesamten Verstellbereich abdecken!

Das alles hat HP Velotechnik so clever gelöst, dass sich Besitzerin oder Besitzer keine Gedanken drum machen müssen. Einfach die Schnellverschlüsse öffnen, Länge anpassen, Verschlüsse wieder schließen – fertig. Eine Sache von wenigen Augenblicken, die aber sicher viel Entwicklungszeit gekostet hat.

Cockpit

Am linken Lenkerende findet sich, wie bereits gesagt, der Bremshebel für die linke Bremse, die Klingel, der Spiegel und der Hebel für die Feststellbremse. Letztere wirkt auf das Hinterrad und ist nicht nur beim Zusteigen und Parken, sondern auch beim längeren Stehen an einer Steigung oder während einer Pause sehr nützlich.

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Cockpit des Scorpion Plus 26

Am rechten Lenkerende ist optisch etwas mehr geboten: Neben dem Bremshebel findet sich das große Display des Shimano-Steps-Antriebs – aber keine Schalthebel! Dafür aber griffgünstig angebrachte Taster.

Shimano Di2

Denn das Scorpion+ ist mit der elektro-mechanischen Di2-Schaltung ausgerüstet. Die schaltet auf Knopfdruck die 8 Gänge der Shimano Nexus-Nabe hoch oder runter, die Knöpfe sind griffgünstig links unterhalb des Displays angebracht.

Doch man muss nicht unbedingt selbst schalten: Die Di2 erledigt das auf Wunsch vollautomatisch! Darauf bin ich besonders gespannt. Rechts unterhalb des Displays findet man ebenfalls zwei Knöpfe, über die man die Unterstützungsstufen des Antriebes wählen kann.

Platz für viel Gepäck

Nach einer kurzen Einweisung durch Alexander Kraft drehe ich ein paar Runden durch den Hof, alles passt, es gibt keine Fragen. Bevor ich jetzt mit dem Scorpion Plus 26 Pedelec nach Hause fahre, packe ich das Ladegerät ein und hänge die 2bag im Packtaschenmodus an den Gepäckträger links hinter dem Sitz ein.

Noch eine Besonderheit: Das Scorpion Plus 26 Pedelec bietet Platz für bis zu vier Packtaschen hinter dem Sitz, die schwerpunktgünstig weit unten eingehängt werden. Das, und die mögliche Zuladung von bis zu 150 kg, reicht auch für eine lange Urlaubsreise.

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Schwerpungünstig Gepäckunterbringung

Doch heute geht es erst einmal zurück in die Redaktion.

Erste Eindrücke vom Scorpion Plus 26

Der erste richtige Eindruck kommt schon beim Verlassen des Betriebsgeländes von HP Velotechnik in Kriftel. Vom Velomobil bin ich gewohnt in einer Karosserie zu sitzen, hier sitze ich luftig, bekomme alles viel besser mit, was um mich herum geschieht. Obwohl mein eOrca dank der Spiegel eine gute Rundumsicht bietet, habe ich hier auf dem Scorpion Plus 26 Pedelec eine unbehinderte Sicht nach allen Seiten, kann den Verkehr besser beobachten.

Shimano Steps mit Di2

Als sich eine Lücke im Feierabendverehr auftut, biege ich auf die Hauptstraße ab. Beim Überqueren des niedrigen Bordsteins bemerke ich schon den guten Federungskomfort des Trikes. Ich habe die Shimano Di2 auf Automatik stehen und bin überrascht, wie gut das funktioniert. Man hört den Schaltvorgang und spürt ihn auch ein wenig, aber es ist nicht nötig, rechtzeitig Druck vom Pedal zu nehmen, das regelt alles die Elektronik. Jedoch ist die Kadenz, also die Kurbeldrehzahl, an der das System schaltet, gefühlt für mich zu niedrig.

Was mich auch überrascht: Im Spiegel kann ich die Autoschlange hinter mir gut erkennen, jedoch überholt niemand. Warum das so ist, sehe ich nach kurzer Zeit: Ich befinde mich in einer 30er Zone, ein Blick auf den Tacho zeigt, dass ich mit knapp 27 km/h unterwegs bin, Tendenz steigend, denn es geht in einer Unterführung leicht begrab.

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Großer Spiegel am Trike von HP Velotechnik.

Nach der Unterführung muss ich an einer Ampel halten, die Automatik schaltet selbsttägig zurück in den zweiten Gang. Das ist praktisch! Es wird grün, ich überquere die Straße und biege auf den Radweg ein, dass alles, ohne ein einziges Mal die Schaltung manuell zu betätigen. Ich bin begeistert!

Um die Schaltkadenz zu ermitteln, halte ich das Trike an und wähle im Display des Shimano Steps-Antrieb die Kadenzanzeige aus. Im – wieder automatisch eingelegten – zweiten Gang fahre ich mühelos an, die Geschwindigkeit steigt, die Automatik legt den dritten Gang bei ca. 56 Kurbelumdrehungen ein, die Kadenz sinkt, steigt wieder bis 56 und das System legt den vierten Gang ein. Die Anzeige bestätigt meinen Eindruck: Meine Wohlfühlkadenz liegt etwa 20 Zähler höher.

Shimano bietet die Möglichkeit, den Wert systemseitig zu verändern. Jedoch soll das nicht nötig sein, denn durch einen selbstlernenden Algorithmus soll aus den manuellen Schaltvorgängen die bevorzuge Kadenz in die Automatikfunktion übernehmen. Um es vorwegzunehmen: Der Testzeitraum hat nicht ausgereicht, das zu überprüfen, vielleicht auch deshalb, weil ich immer wieder zwischen Automatik- und manuellem Modus gewechselt habe. Denn das problemlos möglich, genauso wie man durch manuelle Eingriffe jederzeit die Automatik „überstimmen“ kann.

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Gut zu sehen: Die Di2 wechselt bei einer Trittfrequenz von 56 gerade vom 2. in den 3. Gang (Rahmen wird gerade eingeblendet).

Das nutze ich jetzt an einer Steigung, denn die Drehzahl ist mir viel zu tief: Ich tippe auf den Taster, die Di2 wechselt in einen leichteren Gang – und die Automatik schaltet nach kurzer Zeit wieder zurück. Also schalte ich die Automatik mit einem Tipp ab, wechsle in den für mich passenden Gang und überlasse der Automatik nach der kurzen Steigung wieder die Arbeit. Passt. Etwas erinnert mich das Vorgehen an frühere Automatikgetriebe im PKW. Ich bin mir sicher, dass die Entwicklung der Di2 da auch noch weitergeht.

Herausforderung: „Bettelampel“

Der Radweg führt mich auf eine „Bettelampel“ zu: Ich muss eine Taste drücken, um grün zu erhalten. Was mit dem Velomobil auf Grund der tiefen Sitzposition und der Karosserie oft mühsam ist, funktioniert hier beim Scorpion Plus 26 Pedelec dank der hohen Sitzposition prima: Ich parke neben der Ampel und kann bequem die Taste der Ampel drücken.

Bei den vorbeifahrenden Autos fällt mir auf, dass ich den meisten auf Augenhöhe begegne. Nach der Ampel steht am Radweg ein Opel Astra, ideal um den Eindruck von eben zu testen. Und tatsächlich: Dank der Sitzhöhe von rund 57cm auf dem Scorpion Plus 26 Pedelec sitze ich etwa in Augenhöhe des Fahrers.

Im weiteren Verlauf des Radwegs genieße ich, dank der guten Übersicht, den weiten Blick über die Felder, freue mich an der Natur.

Komfortables Fahrwerk

Ein Blick auf den Tacho zeigt mir, dass ich mit etwa 23 km/h unterwegs bin, und das ohne große Anstrengung. Das Scorpion Plus 26 Pedelec verführt zum Genießen: Geschwindigkeit wird zweitrangig, das Gefühl der Bewegung, die leisen Abrollgeräusche, das Rauschen des Windes, die gute Rundumsicht – es macht einfach Spaß mit dem Trike zu fahren.

Auch, wenn die Strecke etwas ruppiger wird: Der Radweg führt durch einen dunklen Tunnel unter der Autobahn hindurch, der Fahrbahnbelag ist von minderer Güte – der des Tunnels. Vorderräder und Hinterrad des Scorpion Plus 26 Pedelec federn und dämpfen prächtig und komfortabel. Das ist besonders bei einem Trike wichtig, da man ja nicht mal eben aus dem Sattel gehen kann.

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Mit einem Tipp auf den gut erreichbaren Taster am Bediendisplay schalte ich die helle Lampe des Trikes ein, die vorne auf dem Tretlagermast den Weg erhellt. Die Rückleuchte hinten sitzt hoch, kurz unter der Kopfstütze, damit man auch von hinten gut gesehen wird.

Fahrdynamik & Fahrsicherheit

Nach dem Tunnel geht es kurz bergauf und dann in einer langen Rechtskurve bergab. Das Scorpion Plus 26 Pedelec nimmt zügig Fahrt auf, im letzten Gang kann ich noch gut wirksam mittreten, lasse es bei gut 35 km/h aber gut sein, denn am Ende der Gefällestrecke geht es in eine Linkskurve.

Die mechanischen Scheibenbremsen des Liegerads verzögern die Geschwindigkeit gut dosierbar, ein Unterschied zu hydraulischen Scheibenbremsen ist kaum auszumachen. Ich habe sogar den Eindruck, dass die Dosierbarkeit der mechanischen Bremsen besser ist.

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Fahrwerk des Scorpion Plus 26

Hier in dieser Kurve merke ich das erste Mal, das sich die hohe Sitzposition etwas auf die Fahrdynamik auswirkt. Beim Velomobil wäre die Kurvengeschwindigkeit kein Problem, hier auf dem hohen Trike fühlt es sich etwas unruhiger an. Lichtjahre weit entfernt davon, unsicher oder gar kippelig zu sein. Der Scorpion Plus 26 zeigt aber, dass es eine gemächlichere Art der Fortbewegung bevorzugt.

Herausforderung „Drängelgitter“

Die nächste Drückampel nähert sich, verbunden mit einer weiteren Herausforderung – die Ampel steht hinter einem Drängelgitter. Hier kommt mir die Erfahrung mit dem Velomobil entgegen: Ich hole etwas weiter aus, als man es mit einem normalen Fahrrad machen würde und kann mit dem Scorpion Plus 26 Pedelec ohne Mühe durch die beiden aufgestellten Gitter zur Ampel fahren.

Das Trike steht bergab und ich weiß, dass diese Ampelphase etwas länger dauern kann. Deshalb aktiviere ich mit dem griffgünstig angebrachten Hebel am linken Lenkerende die Feststellbremse, damit ich nicht ständig die Hände an den Bremshebeln lassen muss. Stattdessen greife ich nach hinten, öffne im Sitzen die Packtasche und angele nach meiner Wasserflasche. So etwas geht nur auf einem Trike!

Steigungen mit dem Scorpion Plus 26

Die Flasche ist wieder verstaut und es geht weiter auf dem Weg, der nach zwei, drei Kilometern rechts ab eine lange Bergaufstrecke bereithält. Nicht sehr steil, aber eben lang. Hier bemerke ich deutlich zweierlei:

1: Die Automatik ist hier überfordert. Sie wechselt ständig zwischen den Gängen hin und her. Also schalte ich auf den manuellen Modus und wähle den Gang selbst.

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Mit den beiden grauen Taster links wechselt man die Gangstufen.

2: Mit einem E-Bike bin ich gewohnt, die Steigung mit gut 22-25 km/h fahren zu können. Mit dem Scorpion plus 26 gehts langsamer bergauf, sind maximal 14-16 km/h drin. Das ist sicherlich dem hohen Gewicht (ca. 35 kg inkl. Antrieb & Akku) und vielleicht auch etwas den höheren Fahrwiderständen der 3 Räder geschuldet. Jedoch ist der Scorpion Plus 26 nicht als Renngerät konzipiert, sondern als bequemer Tourer -und das ist er, das merke ich schon auf dieser recht kurzen Strecke von rund 15 Kilometern.

Austeigen bitte!

Am Ziel angekommen steige, nein besser: Erhebe ich mich mühelos vom Scorpion+: Die Feststellbremse arretiert, Füße auf den Boden gestellt fühlt es sich an, als würde ich aus einem Fernsehsessel aufstehen und nicht von einem Liegerad!

Das ist schon ein besonderer Komfort, den das Scorpion plus 26 bietet. Ich schiebe das Trike rückwärts in die Garage, so kann ich den schwerpunktgünstig tief auf der rechten Seite montierten Akku laden, ohne ihn abnehmen zu müssen.

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Eine Garage oder ein eben gelegener Aufstellort ist für Besitzer der Scorpion wichtig. Denn obwohl sich das Trike von HP Velotechnik falten lässt, möchte man das nicht jeden Tag tun, nur um das Trike in den Keller zu tragen.

Erste Eindrücke bestätigen sich

An den nächsten Tagen stehen viele Fahrten mit dem Trike von HP Velotechnik an, unter anderem meine Teststrecke. Die ersten Eindrücke des Scorpion plus 26 bestätigen sich dabei:

An Steigungen erreicht er nicht die Geschwindigkeit, die ich von „Aufrechträdern“ gewohnt bin. Die Teststeigung bezwinge ich an der steilsten Stelle mit knapp 10 km/h. Doch auch hier zeigt das Trike seinen Vorteil: Denn egal wie langsam ich fahre, ich kann nicht unkippen! Auch eine Pause in der Steigung ist problemlos möglich. Die Feststellbremse hält das Trike sicher und der Shimano Steps ermöglicht das sichere Anfahren.

Dafür ist der Fahrkomfort dank des hervorragenden Fahrwerks und des ausgezeichneten Sitzes weit besser als auf den meisten herkömmlichen E-Bikes.

Bergab wird das Trike richtig schnell, ist aber dank der gut dosierbaren und kräftigen Bremsen jederzeit sicher wieder zu verzögern. Die Fahrstabilität ist wirklich beeindruckend.

Beeindruckend ist auch das Erscheinungsbild des Scorpion plus 26: Wird es auf dem Radweg eng, sind entgegenkommende Radler zunächst etwas verunsichert, weil das Liegerad mit seinen 91 cm Breite sehr bullig wirkt. Jedoch ist es an den Stellen breit, wo Aufrechträder schmal sind. Deshalb war das Vorbeifahren nie ein Problem.

Fazit Test Scorpion Plus 26

Das Scorpion plus 26 von HP Velotechnik ist ein ganz besonderes Trike mit E-Bike-Antrieb. Es ist sowohl vom Fahrwerk und vor allem auch der hohen Sitzposition sehr sicher, bequem und komfortabel. Besonders die hohe Sitzposition macht das Zu- und Aussteigen, auch für Ältere oder Menschen mit Handicab, einfach und sicher.

Die Di2-Automatik von Shimano funktioniert in Zusammenarbeit mit dem STEPS E6100 E-Bike Antrieb und der Shimano Nexus 8-Gang-Schaltung auf ebener Strecke sehr gut, an Steigungen ist oft ein manueller Eingriff nötig. Das ist aber dank der einfachen und ergonomisch sinnvoll bedienbaren Tasten einfach.

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Shimano Nexus 8 mit Di2 am Liegerad Scorpion Plus 26

Besonders auf langen Strecken begeistern Fahrkomfort und Panoramablick, durch die hohe Sitzposition ist man zudem auf Augenhöhe mit den meisten Autos. Ein weiterer Vorteil: Muss man an einer besonders steilen Stelle mal eine kurze Pause einlegen, bleibt man einfach sitzen und aktiviert die Feststellbremse. Da man nicht umkippen kann ist auch das Anfahren einfach.

Das Scorpion Plus 26 wurde mit viel Sachverstand für komfortorientierte oder auch ältere Menschen entwickelt. Daraus aber zu schließen, das Trike sei langweilig, ist falsch!

Es bietet Fahrspaß für alle, die bereit sind, auch einmal etwas Ungewohntes auszuprobieren. Das Scorpion plus 26 ermöglicht, Dank der großen Erfahrung von HP Velotechnik im Reha-Bereich, Menschen ein Stück persönliche Mobilität (zurückzu)gewinnen, die es bisher vielleicht nicht mehr für unmöglich hielten. Beispielsweise, indem man das Trike mit einer Aufstehhilfe oder Gehilfenhalter ausstattet. Beides ist gegen Aufpreis ab Werk erhältlich.

Trikes sind immer noch Exoten im großen Fahrradmarkt, die Stückzahlen gering. Gleichzeitig wurde das Scorpion plus 26 von HP Velotechnik mit viel Sorgfalt entwickelt und wird in hoher Qualität und mit Premium-Komponenten aufgebaut.

Das schlägt sich auch im Preis nieder. Aktuell (Stand 06/2022) werden für das Scorpion plus 26 als „Special Edition Pedelec“ in Serienausstattung ab 9.965€ fällig.

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Zugegeben, viel Geld, dem aber ein großes Plus an Lebensqualität gegenübersteht! Eine Probefahrt ist sehr zu empfehlen, entweder bei einem der zahlreichen Vertragshändler oder an den Publikumstagen der Eurobike 2022 in Frankfurt am Main.

Mehr Infos zum Trike gibt es auf www.hpvelotechnik.com

[Text: [at], Fotos: VeloStrom]

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Alexander Theis
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