Foto von Mann, der mit dem Armadillo von Velove eine Linkskurve fährt
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Fahrbericht: Lasten-Pedelec Velove Armadillo

Lesezeit etwa 8 Minuten

[at] Auf dem Internationalen Cargo-Bike Festival hatte das Velove Armadillo einen vielbeachteten Auftritt. Ich habe mir dieses ganz spezielle Lastenrad mal für euch angesehen.

Foto eine Mannes auf dem Armadillo-Lastenrad von Velove aus Schweden
Auf dem ICBF konnte ich das Armadillo von Velove probefahren

 

Im Januar hatte ich auf Velostrom schon über das besondere Lastenradkonzept von Velove aus Schweden berichtet. Als klar war, dass Johan Erlandsson das Rad in Nijmegen präsentieren würde, konnte ich natürlich nicht widerstehen. OK, ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht. 🙂

Prototyp und seriennahes Modell

Fot des Fahrwerks des Lastenrades Armadillo
Sauberes Finish beim „seriennahen“ Modell des Armadillo (Klicken zum Vergrößern)

Auf dem ICBF standen sowohl der letzte Prototyp als auch ein seriennahes Modell zu Probefahrten bereit. Beide glänzten mit einem sauberem Finish und einer Perfektion in der Verarbeitung, die auch von einem Serienmodell schwer zu übertreffen sein wird.

Und das, obwohl man dem „DHL-Kasten“ schon deutliche Gebrauchsspuren ansah. „Der Kasten ist noch nicht fertig entwickelt, da suchen wir noch nach einer Lösung die zum einen leicht ist, aber gleichzeitig auch einen sicheren Diebstahlschutz für die auszuliefernden Waren bietet“ erklärt Erlandsson im Gespräch und fügt hinzu: „Gerade heute habe ich auf dem ICBF schon erste erfolgversprechende Gespräche zu dem Thema geführt.“

Foto von vier Menschen auf der Aufliegerversion des Armadillo von Velove
Länge läuft, geht aber in dem Fall auch gut ums Eck: Der Armadillo in der Auflieger-Version

Dem optischen Nachteil des hoch bauenden Transportkastens begegnet das seriennahe Modell des Armadillo mit seiner schieren Länge: An der „Zugmaschine“ hängt ein Auflieger, der auch den Transport längerer Güter möglich macht.

Um die Manövrierfähigkeit und einen kleinen Wendekreis zu ermöglichen, lenkt die Hinterachse des „Zugfahrzeuges“ mit!

Das sieht bei der Präsentation beeindruckend aus, funktioniert während der Fahrt aber extrem unauffällig bei verblüffender Wirkung.

Pedelec mit der Kraft der zwei Akkus

Beim Armadillo kommt ein Bosch-Motor zum Einsatz, der schwerpunktgünstig fast mittig unter der Ladefläche montiert ist. Der Kettenweg von der Kurbel bis zum Antrieb und von dort über die Rohloff-Nabe sieht schon recht verschlungen aus. Da muss sicherlich gerade im Winter oder bei Schmuddelwetter ordentlich geschmiert werden. Der Antrieb erhält seine Energie von gleich zwei Akkus, die griffgünstig rechts und links hinter dem Sitz montiert sind.

Als Sitz wird der Mesh-Sitz von Flevobike verwendet, der sich schon auf der Greenmachine und im Orca bewährt hat. Der Sitz kann schnell und einfach über eine mittig unterhalb der Sitzfläche montierte Arretierung bedient werden. Jeder der jemals einen Autositz verstellt hat, greift fast intuitiv an die richtige Stelle. Die Neigung de Sitzfläche kann ebenfalls verstellt werden. Wie auch beim Orca greifen die Hände fast wie von selbst zu den senkrecht montierten Lenkhebeln, auf der rechten Seite ist die Schaltung der Rohloff-Nabe montiert, am linken Hebel befindet sich ein Rückspiegel.

Foto eines Rades des Armadillo bei dem man die beiden Bremssättel sieht.
Gut zu sehen: Links der mechanische Bremssattel für die Parkbremse, rechts der hydraulische Sattel für den Fahrbetrieb.

Bei beiden Modellen sind sowohl rechts als auch links Bremshebel montiert. Während am „DHL-Kasten“ mit dem rechten Hebel hydraulisch und mit dem linken mechanisch gebremst wird, ist beim „Auflieger-Armadillo“

ein komplett hydraulisches Bremssystem verbaut. „Die Kombination von mechanischen und hydraulischem Bremssystem hat sich nicht bewährt“ erläutert Arjan Vrielink von Flevobike „deshalb haben wir später nur noch hydraulische Bremsen montiert. Allerdings mit Ausnahme der Parkbremse, die ist mechanisch“. Flevobike aus dem niederländischen Dronten ist bei diesem Projekt Entwicklungspartner von Velove aus Schweden.

Jetzt geht’s los

Foto von der Ladefläche des Armadillo auf das drehende Vorderrad
Aufwendige und sehr effektive Radaufhängung beim Armadillo (Klicken zum Vergrößern)

Doch genug geredet, jetzt geht es an die Probefahrt. Der „DHL-Kastenwagen“ ist schon wieder unterwegs und so schwinge ich mich mit zwei weiteren Besuchern kurzerhand auf die Ladefläche des langen Armadillo, während sich ein dritter in den Fahrersitz schwingt, zusammen bringen wir geschätze 260 kg auf die Waage.

Das was jetzt kommt, verblüfft uns alle: Der Armadillo setzt sich zügig in Bewegung, von schwerfälligem Antritt ist laut Auskunft des Fahrers nichts zu spüren. Von den Schlaglöchern und diversen Bodenwellen aber auch kaum etwas, die Federung und Dämpfung des Armadillo arbeitet souverän, von oben auf der Ladefläche ist das lenkende Hinterrad des Armadillo schön zu sehen.

Die Handlichkeit des ca. 6 m langen Gefährts ist überraschend, wir sind erstaunt wie gut sich um die Besucher des ICBF steuern lässt.

Schluckfreudiges Fahrwerk

Als wir nach der Probefahrt wieder zurück sind, ist auch der zweite Armadillo wieder da und ich schwinge mich flugs in dessen Sitz. Die Sitzposition ist mir vom Orca gut vertraut, alles ist da, wo ich es vermute. Die Parkbremse ist, gut

Mann auf dem Protoyp des Lastenrads Armadillo von Velove
Der Armadillo ist sehr dynamisch und fahrsicher. (Klicken zum Vergrößern)

erreichbar mittig auf dem Tretlagermast montiert, schnell gelöst und ab geht es. Vom ersten Augenblick an vermittelt der Armadillo großer Vertrauen. Die Strassenlage ist, obwohl unbeladen, satt und sicher, der Vortrieb durch den Bosch-Motor durchaus als sportlich zu bezeichnen. Nach ein, zwei eher langsameren Runden lasse ich es etwas mehr krachen und teste die Wendigkeit des Armadillo auch bei höheren Geschwindigkeiten. Um es kurz zu machen: Ich komme mir nicht wie auf einem Transportrad vor. Die Agilität und Handlichkeit ist frappierend.

Bei meinen Runden auf der Probefahrtstrecke sind mit ein paar wirklich fiese Schlaglöcher aufgefallen, die jetzt als Fahrwerkstest herhalten müssen. Beim ersten Überfahren habe ich fast das Gefühl, sie verpasst zu haben, so sämig und komfortabel saugt die Federung des Armadillo die Erschütterungen praktisch auf. Auch bei weiteren Versuchen, teils in Kurvenlage, teils nur mit einem Rad durch das Schlagloch ist das Erlebnis so überzeugend, dass ich zum Schluss komme: Auch eine Ladung roher Eier übersteht sicherlich mit diesem Fahrwerk einen Transport auf einer wirklich übeln Straße unbeschädigt.

Die Bremsen verrichten ihren Job ebenso souverän wie das Fahrwerk, besonderen Spaß macht das, durch die dynamische Radlastverteilung bedingte Wippen beim Anhalten. „Genau wie bei einem LKW“ grinst Ralf Zinkel, mit dem ich am Rand der Strecke bei meinen Bremsentests ins Gespräch komme. Ralf betreibt in Köln den Lastenrad-Shop „Bagage-Bikes“ (www.bagage-bikes.de) und ist von der Dynamik des Armadillo begeistert. „Mensch du fährst so schnell, ich dachte, du fällst gleich um! Fahr doch mal etwas langsamer, damit ich ein paar Bilder machen kann!“ Den Gefallen tue ich ihm gerne, also nicht den mit dem umkippen 🙂 , und so entstehen ein paar schöne Bilder. Später fährt er den Armadillo auch Probe und wir sind uns einig, das dieses Lastenrad unglaublich viel Fahrspaß vermittelt.

Produktion und Preis

Foto vom Bosch-Antrieb und der Rohloff.Nabe am Armadillo Lastenrad
Bosch-Motor und Rohloff-Nabe: Bewährte Komponenten am Armadillo. Oben im Bild:  Der Drehkranz für den Auflieger (Klicken zum Vergrößern)

Zurück am Stand komme ich mit Johan Erlandsson und Arjan Vrielink ins Gespräch. „Ein paar Ideen wollen wir noch umsetzen, aber grundsätzlich ist der Armadillo jetzt auf einem Entwicklungsstand, der uns die Suche nach einem Produktionspartner erlaubt.“ verdeutlicht Erlandsson.

Nach dem Preis gefragt halten sich beide noch zurück. „Das hängt natürlich vom Produzenten und der Stückzahl ab“ gibt sich Arjan Vrielink vorsichtig. „Wir sind ja eher ein Entwicklungsparter und haben selbst nicht die Kapazitäten, den Armadillo in großer Anzahl in Serie zu produzieren.“

Fazit

Der Armadillo ist eine vollkommen eigene Interpretation des Themas Transportrad. Mit vier Rädern statt zweien oder dreien ist er in der Riege der außergewöhnlichen Fahrräder fast schon ein Exot. Allerdings haftet ihm nicht die vielen Exoten eigene Unvollkommenheit an. Im Gegenteil, sowohl Johan Erlandson als auch Flevobike scheinen kompromisslos nach den jeweils besten und praktikabelsten Lösungen gesucht und diese auch gefunden zu haben.

Der Armadillo macht auf mich einen hochprofessionellen Eindruck, auch wenn keiner der Beteiligten das Wort „Serienmodell“ in den Mund nehmen mag. Der Armadillo überzeugt beim Anschauen und begeistert beim Fahren. Es macht einen riesigen Spaß mit diesem Transportrad, auch auf ruppigen Strecken, unterwegs zu sein. Bleibt allen Beteiligten zu wünschen, dass ein zuverlässiger, qualitätsorientierter Produktionsbetrieb gefunden wird, damit der Armadillo zu einem konkurrenzfähigen Preis angeboten werden kann. Verdient hat er es auf jeden Fall!

Mehr Informationen zum Armadillo: www.velove.se

[Fotos: VeloStrom]

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Alexander Theis
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5 Kommentare

  1. Johan Erlandsson and Velove will be at the International Cargo Bike Festival in Nijmegen from 11-13 June 2017 again and he will bring the newest models of the Armadillo. This year, 2017, DHL Express will start delivering packages with the Velove Armadillo in four Dutch cities.

  2. I tried an earlier prototype, and it was great. So I believe Alexander Theis that the new version is even better!

    „Wie auch beim Orca greifen die Hände fast wie von selbst zu den senkrecht montierten Lenkhebeln“

    Ja alles ist sehr durchgedacht!

Kommentare sind geschlossen.